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08.11.2023

„Wandelt euren Lebensstil!“: Theologin spricht über „Laudate Deum“

Foto: Emil Eichinger

Die Theologin Beate Eichinger wird am Samstag, 11. November, das Papstchreiben "Laudate Deum" beim Online-Umweltforum der Diözese Eichstätt vorstellen. Foto: Emil Eichinger

Eichstätt.  (pde) – Beim Umweltforum der Diözese Eichstätt, das am Samstag, 11. November, online stattfindet, stellt die Theologin Beate Eichinger, Umweltbeauftragte des Bistums Regensburg, das Apostolische Schreiben „Laudate Deum“ (Lobt Gott) über die Klimakrise vor. Im Interview spricht sie über das Anliegen von Papst Franziskus und den Einsatz der Kirchen für den Klimaschutz.

Frau Eichinger, was ist für Sie die zentrale Botschaft von „Laudate Deum“?

Beate Eichinger: Mit seinem Schreiben unterstreicht Papst Franziskus in deutlichen Worten seine Forderungen aus der Umweltenzyklika Laudato Si‘: Wandelt Euren Lebensstil! Es geht nicht mehr so weiter! Die ökologische Krise ist eine soziale Krise, der vorherrschende Lebensstil in den westlich geprägten Industrienationen zerstört das filigrane Netzwerk der Schöpfung. Die Ausbeutung der Erde und großer Teile der Menschheitsfamilie ist eine Gefahr für uns alle. Seine radikale Kritik am verbreiteten Egoismus wendet er gleichzeitig zur Ermutigung, füreinander Verantwortung zu übernehmen. Er bekräftigt „dass eine umfassende Veränderung des unverantwortlichen Lebensstils, der mit dem westlichen Modell verbunden ist, eine bedeutende langfristige Wirkung hätte. Zusammen mit den unentbehrlichen politischen Entscheidungen wären wir so auf dem Weg der gegenseitigen Fürsorge.“ (LD 72).

Der Papst richtet sein Schreiben an alle Menschen guten Willens, spricht aber auch Klimawandel-Leugner und –Kleinredner an. Er spricht von abschätzigen und wenig vernünftigen Meinungen, die er selbst innerhalb der katholischen Kirche vorfinde. Nehmen Sie auch Klimaskepsis in Kirchenkreisen wahr?

Seit Laudato Si‘ sind klimaskeptische Stimmen innerhalb der Kirche in meiner Wahrnehmung glücklicherweise nahezu verstummt. Die deutschen Diözesen scheinen mir geeint im Verständnis, Klimaschutz als Teil von Schöpfungsverantwortung zu verstehen und bemühen sich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten, dementsprechend zu handeln. Einzelne verschwörungstheoretische Extrempositionen verurteilt Papst Franziskus noch einmal eindeutig als „wenig vernünftig“. Er seziert propagierte Pseudo-Argumente und wehrt sich entschieden gegen eine aufhetzerische Diskursverschiebung in der aktuellen Politik.

„Macht euch die Erde untertan“:  Wird dieser Satz aus älteren Bibelübersetzungen immer noch – auch in Kirchenkreisen – in Richtung einer grenzenlosen Ausbeutung der Natur interpretiert? Wie ist er heute richtig zu verstehen?

Die Fehlinterpretation der Schöpfungserzählung in Richtung „unbegrenzte Verfügungsgewalt des Menschen“ ist theologisch überholt und eindeutig als kontraproduktiv zu bewerten. Der Auftrag wird nun als Fürsorgeaufgabe verstanden – ich denke, von allen ernst zu nehmenden Theologinnen und Theologen.

Die deutschen Bischöfe sprechen sich seit Jahren klar für eine konsequente Klimapolitik aus, im Bistum Eichstätt gibt es seit zehn Jahren eine Klimaoffensive, auch bei Ihnen im Bistum Regensburg gibt es ein Klimaschutzprojekt. Nimmt die Kirche damit ihre Schöpfungsverantwortung schon ausreichend wahr oder muss sie nach „Laudate Deum“ nochmal nachlegen?

Mit Absichtserklärungen und Zielvorgaben allein ist es natürlich nicht getan. Die Beteiligung vieler Kirchen an der Nationalen Klimaschutzinitiative ist ein hilfreiches Instrument, aber eben nur eine Hilfestellung. Grundsätzlich müsste die ökologische Verpflichtung in Abwägungsprozessen mit ökonomischen Überlegungen ein viel größeres Gewicht erhalten. Es geht um einen strukturellen Wandel hin zu ökosozialen Prioritäten und weg von wirtschaftlichen Interessen. Die Kirche ist nicht dazu da, ihr Vermögen zu erhalten, sondern um es zum Wohle der gesamten Schöpfung einzusetzen.

Papst Franziskus kritisiert die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft, dass sie nicht konsequenter gegen den Klimawandel vorgehen. Zuletzt gab es in Deutschland Klimaappelle, die auch von Bischöfen unterschrieben wurden und von der Politik bessere Rahmenbedingungen für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen fordern. Was konkret hindert die Kirche momentan daran, mehr für den Klimaschutz zu tun?

Kirche insgesamt befindet sich seit Jahren in einem Knäuel von Krisen und ist sehr mit sich selbst, mit den eigenen Strukturen und mit ihrem Verfall beschäftigt. Für viele Verantwortungsträger ist die globale Klimakrise trotz der immer größeren Unmittelbarkeit weiter weg als die sonstigen Probleme im eigenen Haus. Der grundsätzliche Konsens, die Schöpfung bewahren zu wollen, hat immer noch nicht den Stellenwert, den er bräuchte. Vielerorts werden ökologische Weichenstellungen nur als nettes Beiwerk gesehen, die man gerne erfüllt, solange es nicht allzu weh tut.

Der Papst spricht sich für Einschränkungen des Wohlstands und des Konsums aus, er ruft – auch alle Christinnen und Christen – zum Verzicht auf, um dauerhaft die Existenzgrundlagen der Menschheit zu sichern. Dass dies notwendig ist, haben mehrere Bischöfe in Deutschland – darunter auch unser Bischof Gregor Maria Hanke – schon vor „Laudate Deum“ gesagt. Warum tun sich die Menschen in den reichen Ländern offenbar mit Verzicht so schwer?

„Wem genug nicht genügt, dem ist nichts genug“ – leider beschreibt dieser Satz die bittere Realität in unserer Gesellschaft. Der allergrößte Teil unserer Bürger und Bürgerinnen hat wahrlich genug, nicht nur zum Überleben, sondern für ein glückliches Leben. Aber offenbar hat das Streben nach immer mehr eine noch größere Faszination als das Genießen des Erreichten.

Wie könnte die Kirche beim Thema Verzicht, bei einer „umfassenden Veränderung des unverantwortlichen Lebensstils“ wie der Papst es nennt, ein Vorbild sein?

Nach dem Vorbild von Franz von Assisi ist Armut und Genügsamkeit ein hohes christliches Ideal, an dem sich auch unsere reiche Kirche in Deutschland wieder neu ausrichten muss. Da geht es auch um harte Fakten wie Verzicht auf Gebäude, auf gewohnte Privilegien. Diese Reduktion auf das Wesentliche wird auf die Kirche sowieso zukommen. Es wäre schön, wenn es ein bewusster Verzicht wäre und nicht erzwungene Notwendigkeit aufgrund äußerer Fakten wie implodierende Mitgliedszahlen.

Aufrufe zur Umkehr sind unpopulär. Was können Schreiben wie „Laudate Deum“, Verzichtspredigten oder Klimaappelle überhaupt noch bewirken?

Ich bin Papst Franziskus sehr dankbar für seine klaren Worte, seinen politischen Einsatz und sein persönliches Zeugnis in ökosozialen Fragen. Sein Einsatz ist eine starke Ermutigung für diejenigen, die bereits seit Jahrzehnten für eine gerechtere Welt kämpfen. Schon das ist ein großer Wert: Die Menschen guten Willens zu bestärken und auch für ihr Engagement zu würdigen. Solche Erinnerungszeichen halten unsere Hoffnung hoch, dass sich letztlich das Gute durchsetzen wird.

Die Fragen stellte Geraldo Hoffmann