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12.04.2023

Die Sorge für das gemeinsame Haus

Die Sorge für das gemeinsame Haus Ressourcen sparen – Werte erhalten

„Die Erde war schon vor uns da und ist uns gegeben worden“, mahnt Papst Franziskus und appelliert an die Verantwortung aller Christinnen und Christen für die Schöpfung. Foto: pixabay

Für ihre „kompromisslose und konsequente Arbeit für die Zukunft unseres Planeten“ soll die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg mit einem Ehrendoktortitel der Universität Helsinki ausgezeichnet werden, wie vor Kurzem bekannt wurde. Verliehen wird ihr diese besondere Würde von der Lutherisch-Theologischen Fakultät der Universität. Auch wenn die Auszeichnung aufgrund fehlender fachwissenschaftlicher Betätigung in katholischen Kreisen kritisch hinterfragt wird – dass die Initiatorin der Schulstreiks für das Klima, aus denen später die Bewegung „Fridays for Future“ entstand, gerade aus christlicher Perspektive für ihr Engagement gewürdigt wird, ist nicht unbegründet.

Mensch und Mitwelt

Gerade Christinnen und Christen tragen in Bezug auf die Schöpfung besondere Verantwortung. Das betonte auch Papst Franziskus in seiner 2015 erschienenen Enzyklika „Laudato si’. Über die gemeinsame Sorge für das gemeinsame Haus“. In seinem Lehrschreiben betont der Pontifex, dass der Klimawandel menschenverursacht und es darum Aufgabe aller Menschen sei, einer weiteren Verschlechterung der globalen Situation entgegenzuwirken, jede und jeder nach den eigenen Fähigkeiten.

Dass es sich bei „Laudato si’“ um eine „Mitwelt-Enzyklika“ handle, hebt Prof. Dr. Simone Birkel hervor, Professorin für Religionspädagogik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU). Sie spreche gezielt von „Mitwelt“, da der häufig genutzte Begriff „Umwelt“ anthropozentrisch ausgerichtet sei, er stelle den Menschen in den Mittelpunkt, anstatt ihn als Teil der Schöpfung anzusehen.

Die Verantwortung für das „gemeinsame Haus“, von dem Papst Franziskus spricht, sei schon biblisch begründet, erklärt die Theologin. Bereits im ersten und zweiten Schöpfungsbericht sei im Alten Testament die Rede davon, und später heiße es auch bei Paulus, dass die Schöpfung in den Geburtswehen liege. Diese Linie ziehe sich nach dem Alten und Neuen Testament weiter fort mit dem heiligen Franziskus sowie dem nach ihm benannten Papst. Um diesen Auftrag der Schöpfungsverantwortung weiter ausführen zu können, bedarf es einer sozial-ökologischen Transformation, es muss neu gedacht, gestaltet und mitgestaltet werden.

Eine Antwort auf die Frage, wie man diese christliche Schöpfungsverantwortung kommunizieren und im Alltagsleben umsetzen kann, sieht Birkel vor allem in der Bildungsarbeit: etwa in kirchlichen Schulen, die sich auf dem Weg zu ganzheitlichen Lernorten für Nachhaltigkeit befinden. Die Religionspädagogin bezieht sich dabei unter anderem auf die Reformpädagogik des Marchtaler Plans, die auch an jenen Schulen umgesetzt wird, die sich aktuell noch in der Trägerschaft der Diözese befinden, und erinnert daran, dass etwa die Maria-Ward-Realschule in Eichstätt dafür ein Pionierprojekt war. Im Fokus stehen bei diesem Ansatz die Vermittlung von Bildung und Wissen im Rahmen einer ganzheitlichen personalen und sozialen Erziehung. Dies wird durch Strukturelemente wie Morgenkreis, freie Stillarbeit und vernetzten Unterricht versucht. „Gerade im regulären schulischen Leben fehlt es an Handlungs- und Gestaltungsspielräumen“, erklärt Birkel dazu und ergänzt, dass der Marchtaler Plan genau diese Freiräume verschaffe, er sei zukunftsgerichtet und multiperspektivisch orientiert und könne gemeinsam mit der Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) eine Lücke zwischen Fragen und Handeln schließen.

Zukunftssicherheit?

Natürlich habe es in Hinblick auf die Schulen durch den Zukunftsplan des Bistums und die Ankündigung der Aufgabe der Trägerschaft eine „massive Erschütterung“ gegeben, so Birkel. Sie bedauert, dass die Absichten „nicht gut kommuniziert“ worden seien und zudem entgegengesetzt der an den Schulen gelebten Pädagogik: von oben herab und ohne zuvor die Expertise der Beteiligten einzuholen. Sollten die Schulen in ein staatliches System überführt werden, gebe es keine Zukunftssicherheit für die neuen Bildungskonzepte: „Unsicherheit und Angst sind schlechte Ratgeber.“ Zugleich betont Birkel jedoch, dass Umstrukturierungsprozesse, so schmerzhaft sie seien, auch Chancen zum Aufbruch böten. Zudem könnten bei einer möglichen Übernahme durch das Schulwerk der Diözese Augsburg und damit einem Verbleib in kirchlicher Trägerschaft die reformpädagogischen Ziele weiterverfolgt werden.

Weiter sei allgemein die Schulpastoral eine hervorragende Möglichkeit, den ganzheitlichen Ansatz einzubringen, erklärt die Religionspädagogin. Das Angebot, das es erst seit etwa 25 Jahren gibt, sei vergleichsweise jung, biete aber viele Möglichkeiten für Räume und Freiräume, in denen auch an einer nachhaltigen Bildung und Entwicklung gearbeitet werden kann.

Grundsätzlich fungierten die Schulen als Bindeglied zwischen Kirche und Gesellschaft, betont Birkel: „Da ist Kirche am Puls der Zeit!“ Zeit gehört auch zu den Faktoren, welche die Theologin besonders unterstreicht: „Ich weiß, dass Nachhaltigkeit einen langen Atem braucht!“ Was sich am Beispiel ihrer eigenen Arbeit bestätigt: Bereits 2002 legte sie ihre Dissertation zum Thema „Zukunft wagen – ökologisch handeln. Grundlagen und Leitbilder kirchlich-ökologischer Bildung im Kontext nachhaltiger Entwicklung“ vor. Eine Arbeitsgruppe „Religiöse Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (rBNE) innerhalb der deutschsprachigen Religionspädagogik habe sich aber erst fast 20 Jahre später gegründet.

An der KU bieten Birkel und ihre Eichstätter Kollegin Prof. Dr. Sabine Bieberstein mittlerweile einen Zertifikatskurs „Nachhaltige Bildung und sozial-ökologische Transformation in kirchlichen Institutionen“ an, der sich als Weiterbildungsangebot nicht nur an Lehrkräfte in kirchlichen Schulen, sondern auch an pastorale Mitarbeitende richtet. Das Angebot umfasst zwei Semester und ist im Wintersemester 2022/23 erstmals angelaufen. Ziel ist es, entsprechende Veranstaltungen auszubauen und zu verankern, auch ein bistumsübergreifendes Angebot wäre laut Birkel wünschenswert. Man brauche Plan, Struktur und eine stabile Basis sowie eine Gruppe von Gleichgesinnten, um derartige Projekte im Sinne einer sozial-ökologischen Transformation voranzutreiben. Im Sinne einer gemeinsamen Sorge für das gemeinsame Haus.   

Verena Lauerer


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