Buch des Monats November: „Der geheimnisvolle Koffer von Herrn Benjamin“

Eichstätt. (pde) – Die Geschichte der – leider erfolglosen – Flucht des jüdischen Philosophen Walter Benjamin vor den Nazis über die Pyrenäen im Jahre 1940 erzählt die Autorin Pei-Yu Chang in ihrem Bilderbuch „Der geheimnisvolle Koffer von Herrn Benjamin“. Religionslehrerin Maria Hauk-Rakos stellt es in der Reihe „Buch des Monats“ der Schulabteilung der Diözese Eichstätt vor.

Wie oder wo wir auch immer hinreisen, ein Koffer mit dem Nötigsten ist dabei stets an unserer Seite. Doch was ist „das Nötigste“, was wir mitnehmen würden, wenn man keine entspannte Urlaubsreise antritt, sondern die eigene Flucht? Beeindruckend erzählt die Autorin und Illustratorin Pei-Yu Chang davon in ihrem Bilderbuchwerk „Der geheimnisvolle Koffer von Herrn Benjamin“. In kindgerechter Sprache und ausgestattet mit wunderbaren Collagen nimmt sie sich einfühlsam eines schweren Themas an. Chang erzählt die Geschichte des jüdischen Philosophen Walter Benjamin und seine Flucht im Jahr 1940 vor der Gestapo.

Sowohl die gefährliche und leider auch erfolglose Flucht des großen „Sprachzauberers“ Benjamin wie ihn sein Freund Theoder A. Adorno nannte, wie auch der geheimnisvolle Koffer sind verbrieft und historisch belegbar. Trotz der Warnung seiner Fluchthelferin Lisa Fittko, die nicht nur Walter Benjamin zur Flucht verhalf, sondern insgesamt rund 80.0000 Menschen, schleppte der Philosoph Benjamin nachweislich diesen Koffer mit sich. Denn er war für ihn „das Allerwichtigste, wichtiger als mein Leben. Was in diesem Koffer ist, kann alles verändern“.

Nach der mühsamen Überquerung der Pyrenäen wurde Benjamin im spanischen Grenzort Portbou der Zutritt nach Spanien verweigert, worauf der Philosoph im Buch Changs in der Nacht darauf „verschwand“. Tatsächlich beging Walter Benjamin in der Nacht vom 26. auf den 27. September 1940 Suizid. Mit seinem Tod verliert sich auch die Spur des legendären Koffers und seines nie gelüfteten Inhalts, der bis heute Rätsel aufgibt und bis heute Spekulationen befördert. Was, so fragt auch Chang in ihrem bewegenden Debütbilderbuch, mag bloß der Inhalt dieses Koffers gewesen sein? Sie gibt in der Folge auf den großformatigen Bildern ihres Buches Alt und Jung Gelegenheit, darüber zu spekulieren: Was war für diesen klugen Mann so wichtig, dass er es unbedingt retten wollte? Bestimmt „die beste philosophische Idee aller Zeiten?“, eine „gefährliche Waffe“, wie die Generäle vermuten oder aber „Leckereien, die er in fern der Heimat sicher vermisst hätte“, am Ende gar „50 Dosen Marmelade von seiner Oma?“

Gerade auch mit Hilfe des wilden Sammelsuriums an kuriosen, lustigen, aber auch nachdenklichen und philosophischen Spekulationen gelingt es der Künstlerin in ihrem Bilderbuchdebüt eindrucksvoll, das Thema der menschenverachtenden Ideologie des Nationalsozialismus aufzuzeigen und auch die Gefahr und Belastung, die die Flucht für die bedrohten Menschen bedeutete. Chang erzählt aber auch davon, dass es – ganz gleich wie dunkel die Zeiten sind – Menschen gab und gibt, für die Mitmenschlichkeit, Hilfsbereitschaft und Mut keine leeren Worte sind, sondern Werte, die zu Taten werden. Werte, die so kostbar sind, dass Menschen Leib und Leben riskieren, um andere zu retten. Mag Walter Benjamins Geschichte und die seines geheimnisvollen Koffers auch schon nahezu 80 Jahre zurückliegen: Gerade in Zeiten wie diesen ist das Thema Flucht, ob vor Verfolgung, Krieg, Antisemitismus, unmenschlichen Lebensbedingungen oder aus anderen Gründen, immer noch hoch aktuell. Bücher, wie das von Pei-Yu Chang sind wichtig und hervorragend geeignet, um darüber, aber auch über das, was im Leben wirklich wertvoll ist, mit Kindern ins Gespräch zu kommen.

Gesprächsimpulse und kreative Ideen zum Buch sind unter www.bistum-eichstaett.de/schule abrufbar.

Chang, Pei-Yu: „Der geheimnisvolle Koffer von Herrn Benjamin“, Nord-Süd Verlag, 2017, Preis: 20 Euro, ISBN: 978-3-314-10382-7.

Text: Maria Hauk-Rakos

Gesprächsimpulse und kreative Ideen zum Buch