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17.11.2009

MISEREOR kritisiert Erklärung zum Welternährungsgipfel scharf - Papst betont Eigenständigkeit der armen Bevölkerung

(Rom/Aachen, 16.November 2009). Nach Ansicht des katholischen Hilfswerks MISEREOR ist die Erklärung zum Welternährungsgipfel in Rom eine herbe Enttäuschung. "Was da auf acht Seiten erklärt wird, ist im Wesentlichen eine widersprüchliche Zusammenstellung bereits getroffener Vereinbarungen und Versprechen", so MISEREOR-Ernährungsexpertin Alicia Kolmans.

"Auf die Halbierung der Zahl der Hungernden bis 2015 hatten sich die Regierungen dieser Welt bereits 1996 geeinigt. Seitdem hat sich aber diese Zahl um ca. 160 Millionen auf rund eine Milliarde erhöht. Dass die Regierungen heute dieses Ziel lediglich bekräftigen, zeigt, wie wenig Vertrauen sie in ihre eigenen Versprechen haben und dass ihnen überprüfbare Zielmarken unbequem sind ", erklärt Kolmans.

Besonders problematisch aus Sicht von MISEREOR sei das Festhalten an alten Rezepten bei Landwirtschaftstechnologien und in der Handelspolitik. "Mit teuren High-Tech-Methoden und Biotechnologie ist den Kleinbauern, deren wichtige Rolle für die Welternährung in der Gipfelerklärung richtigerweise anerkannt würde, nicht geholfen. Die Abhängigkeit von teuren Betriebsmitteln wie Hybridsaatgut und chemischen Düngemitteln hat bisher Millionen von Bauern in die Verschuldungsfalle gebracht. Um ihre Produktivität und ihr Einkommen auf Dauer zu verbessern, muss eine Landwirtschaft gefördert werden, die mit wenig externen Betriebmitteln auskommt und auf das Knowhow und Entwicklungspotential der Bauern setzt", so Kolmans.

Die Agrarhandelspolitik der letzten Jahrzehnte, die den Schutz der Märkte der armen Länder zunehmend abgebaut hat, sei mitverantwortlich für die wachsenden Hungerzahlen. "Wie gefährlich es ist, sich abhängig vom Weltmarkt zu machen, hat die Lebensmittelkrise von 2008 gezeigt", so Kolmans. "Als die Weltmarktpreise stiegen, konnten sich viele Arme im Süden keine Lebensmittel mehr leisten". Vor diesem Hintergrund sei für MISEREOR die Erklärung des Welternährungsgipfels nicht nachvollziehbar, die offene Märkte als zentrales Element globaler Ernährungssicherheit bezeichnet.

"Ärgerlich ist auch, dass in der Gipfel-Erklärung die reichen Länder nur als Geldgeber dastehen, die den armen Ländern bei der Sicherung ihrer Ernährung helfen. Damit ist der Einfluss der reichen Länder auf die Sicherung der Welternährung völlig ausgeblendet", berichtet Kolmans. Der hohe Fleischkonsum in Europa trüge beispielsweise dazu bei, dass 47 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche jährlich für die Produktion von Tierfutter genutzt würden. Dieses Land fehle dann zur Nahrungsmittelproduktion.

"Der einzige Lichtblick in der Gipfel-Erklärung sind für MISEREOR die Ausführungen zum Komitee für Ernährungssicherheit", erklärt Kolmans. Dieses Gremium soll eine Art Weltparlament für Ernährungsfragen werden, das der internationalen und nationalen Politik Orientierung gibt. "Wenn, wie versprochen, die Zivilgesellschaft - Kleinbauern, Kleinfischer, indigene Völker, städtische Arme - eine starke Stimme erhalten und das Gremium ernst genommen wird, besteht die Hoffnung, dass hier die Weichenstellungen gesetzt werden, die der Welternährungsgipfel verpasst hat", so Kolmans.

MISEREOR begrüße daher ausdrücklich die Erklärung des Papstes anlässlich des Gipfels. Dieser hatte betont, dass die Welt in Solidarität und Respekt mit den ärmeren Ländern handeln müsse. Darüber hinaus betonte er auch die Eigenständigkeit der armen Bevölkerung, sich ihre eigenen Ziele zu setzen. Die Armen seien nicht nur bloße Hilfeempfänger sondern Akteure ihrer eigenen Entwicklung, die unterstützt und nicht behindert werden müsse.

Achtung Redaktionen:
Alicia Kolmans steht in Rom unter der Mobilnummer 0171 7848411 für Interviews zur Verfügung.

Kontakt:
MISEREOR Pressestelle, Barbara Wiegard, Tel.: 0241 442 576, wiegard@misereor.de
MISEREOR - das Entwicklungshilfswerk der katholischen Kirche im Internet: www.misereor.de
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