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11.05.2023

„Bäckerei der Gnade“: Brot für Notleidende in Syrien

"Bäckerei der Gnade" Foto: Hanna Ghonaim

Jeden Tag werden 1.800 Kilo Brot in der "Bäckerei der Gnade" gebacken. Foto: Hanna Ghonaim

Foto: Hanna Ghonaim

Die Großbäckerei könnte noch mehr Brot produzieren, aber Weizenmehl ist in Syrien Mangelware. Foto: Hanna Ghonaim

Eichstätt/Damaskus – „Wir versuchen, dem Aufruf Jesu zu folgen: ‚Gebt ihr ihnen zu essen‘“. So kurz und prägnant beschreibt Schwester Walburga Starkl die Arbeit der „Bäckerei der Gnade“. Der Handwerksbetrieb nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus ist seit zweieinhalb Jahren ein Segen für von Krieg und Hunger geplagte Menschen – ein Projekt, das von vielen helfenden Händen getragen wird.

Schwester Walburga von der Gemeinschaft Caritas Socialis arbeitet ehrenamtlich zusammen mit Pater Hanna Ghoneim, einem melkitischen Priester aus Syrien, in der Geschäftsführung der „Korbgemeinschaft-Hilfe für Syrien“. Die Stiftung der Erzdiözese Wien ist die treibende Kraft hinter der Großbäckerei, die das Katholische Patriarchat in Damaskus für rund 400.000 Euro im Dorf Maaruneh aufgebaut hat. Über das Hilfswerk Missio unterstützten die Bistümer Eichstätt, München-Freising, Würzburg, Aachen, Köln und Paderborn das Projekt. Weitere Spenden kamen aus Schweden und Ungarn. Mitten in der Corona-Pandemie nahm die christliche Bäckerei im Herbst 2020 ihren Betrieb auf.

Wie wichtig es ist, den Menschen vor Ort in Syrien zu helfen, machen Schwester Walburga und Pater Hanna immer wieder deutlich. Über die Entwicklung des Projektes und die Situation in seinem Heimatland berichtet der syrische Priester in regelmäßigen Briefen an Förderern und Spendern. Ursprünglich sollte die Bäckerei, selbst bei einem sehr niedrigen und sozial verträglichen Brot-Verkaufspreis, nach und nach Gewinn erwirtschaften und damit weitere Sozialprojekte wie zum Beispiel einen Sozialmarkt und eine Suppenküche verwirklichen. „Aufgrund der Pandemie und der weltwirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, die am schmerzlichsten in den ärmsten und daher am meisten auf Hilfe angewiesenen Regionen der Welt spürbar sind, wurde diese Perspektive in die fernere Zukunft verschoben“, schreibt Pater Hanna in seinem jüngsten Brief.

Das Erdbeben Anfang Februar dieses Jahres in der südlichen Türkei und in Nordsyrien, bei dem 500.000 Syrerinnen und Syrer ihr Zuhause verloren, verschärfte die Armutssituation. In diesem Zusammenhang stellt sich die „Bäckerei der Gnade“ laut Pater Hanna ganz abgesehen vom täglichen Brot als Segen dar: Aufgrund der Gebäudegröße dient sie mit einem großen Raum seit einiger Zeit als Zwischen- und Verteilerlager für humanitäre Hilfsgüter. Aus diesem Lager wurden nach dem Erdbeben Matratzen, Decken, warme Kleidung und festes Schuhwerk in LKWs verladen und in die betroffenen Pfarreien in Nordsyrien gebracht. So konnte einigen der traumatisierten, obdach- und mittellosen Menschen rasch und unbürokratisch geholfen werden.

Beitrag gegen den Hunger

„Trotz aller Turbulenzen wie zum Beispiel Weizen- und Energieknappheit läuft die ‚Bäckerei der Gnade‘ nach wie vor und produziert Brot, das für viele Menschen Bewahrung vor Hunger bedeutet“, berichtet Pater Hanna. Zwölf Beschäftigte backen pro Tag 1.800 Kilo Brot und versorgen damit rund 2.000 Familien. Die Kosten für Löhne, laufende Wartungsarbeiten und Reparaturen sowie für Hefe, Öl, Zucker, Salz und Verpackungsmaterial finanziert die Korbgemeinschaft. Der Selbstkostenpreis für ein Kilo Brot (das sind sieben Fladenbrote) liegt bei umgerechnet 0,20 Euro, für 0,03 EUR/Kilo wird das Brot an armen Menschen gereicht. Die Differenz deckt die Wiener Stiftung aus Spenden. „Es gibt Wohltäterinnen und Wohltäter, die ihre Spenden dezidiert dem Grundnahrungsmittel Brot als Beitrag gegen den Hunger widmen“, erzählt Pater Hanna.

Eine große Herausforderung in Maaruneh ist nach wie vor die Energieverfügbarkeit. Die Bäckerei ist an einem Dieselaggregat gebunden, da ein plötzlicher Stromausfall nicht nur einen planbaren Backbetrieb unmöglich machen, sondern auch die hochtechnische Produktionsanlage beschädigen würde. Diesel ist seit einiger Zeit Mangelware in Syrien. Da nicht genug Diesel verfügbar war, musste die Bäckerei tageweise ihren Betrieb einstellen. Auch Mehl ist knapp geworden. Die Korbgemeinschaft versucht derzeit Wege zu finden, um Weizen beziehungsweise Mehl in großen Mengen nach Syrien zu bringen, nicht nur für die „Bäckerei der Gnade“. „Die Beschäftigten würden sehr gerne noch mehr Brot produzieren. Die Produktionsanlage ist jedenfalls für eine große Kapazität ausgelegt“, so Pater Hanna. Im Vollbetrieb könnten rund 30 Beschäftigte bis zu 10.000 Familien mit gutem und günstigem Brot versorgen.

Durch die verschärfte Notlage in Folge des Erdbebens wird das Brot zu einem niedrigeren Preis weitergegeben, als es nötig wäre, um die Bäckerei kostendeckend führen zu können. Wirtschaftlich gesehen ist sie defizitär, was Pater Hanna Ghoneim nicht weiter stört. Er sieht den Betrieb als „gesellschaftlich-christliche Dienstleistung für die Armen. Die Kirche hat den Auftrag, den Armen und Notleidenden beizustehen.“ Die Privatbäckereien in Syrien könnten ohne illegale Geschäfte nicht mehr überleben, berichtet er. „Bei der ‚Bäckerei der Gnade‘ gibt es keine illegalen Geschäfte, sondern die unerschöpfliche Gnade Gottes sowie die Hilfe von Wohltäterinnen und Wohltätern, die sich im Brot konkretisieren“, schreibt Pater Hanna. Seine Mitstreiterin Schwester Walburga fügt hinzu: „Da wir auch Lebensmittelpakete und andere Hilfsgüter verteilen, ist diese Unterstützung des täglichen Brotes für die Menschen sehr sinnvoll. Und da wir in unserer Stiftung alle ehrenamtlich arbeiten, kommt jede Hilfe eins zu eins bei den Notleidenden an.“

„Eine der größten humanitären Krisen unserer Zeit“

Seit dem Jahr 2011 herrscht in Syrien Krieg. Die verehrenden Folgen von über einer Dekade Gewalt und Zerstörung spiegeln sich in Zahlen von internationalen Hilfsorganisationen wieder. Mehr als eine halbe Million Menschen haben nach Schätzungen ihr Leben in dem Krieg verloren, über die Hälfte der syrischen Bevölkerung musste ihre Heimat verlassen. Nach Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) leiden 12,4 Millionen Menschen Hunger, 5,6 Millionen Menschen in Syrien erhalten jeden Monat lebensrettende Ernährungshilfe vom WFP. Vor allem für Kinder bedeutet der Krieg Not, Leid und Entbehrungen. UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, bezeichnet die Situation in Syrien als „eine der größten humanitären Krisen unserer Zeit“. Ein Ende des Konfliktes sowie eine nachhaltige Stabilisierung des Landes scheinen nicht in Sicht.

Diese Einschätzung teilt auch der Patriarch der syrisch-katholischen Kirche von Antiochien, Ignatius Youssef III. Younan, der bereits mehrmals das Bistum Eichstätt besuchte. „Ich habe gerade Bischöfe, Priester und Laien von vielen Diözesen in Syrien getroffen. Alle sagen, dass die Lage in unserem Land weiterhin sehr schwierig ist, sowohl in Bezug auf humanitäre Bedürfnisse als auch auf Räume der Sicherheit und besonders auch im Hinblick auf Hoffnung für die Zukunft, insbesondere für junge Menschen“, sagt Younan auf Anfrage. „Die grundlegenden Alltagsbedürfnisse wie Lebensmittel, Brot, Zucker und so weiter werden portionsweise vom Staat bereitgestellt. Aber dies kann natürlich nicht alle Probleme lösen.“

Weitere Informationen zur „Bäckerei der Gnade“ gibt es unter www.korbgemeinschaft.at.

Geraldo Hoffmann