Pfarrei Heilige Edith Stein in Nürnberg: Aus vier Gemeinden wird eine einzige
Sich annehmen in jeglicher Vielfalt
Pfarrei Heilige Edith Stein: Aus vier Gemeinden ist im Nürnberger Süden eine einzige entstanden
Neues Jahr, neue Ära: Am 1. Januar 2023 ist im Nürnberger Süden der Pfarrverband „Katholisch in Langwasser“ mit seinen Pfarrgemeinden Heiligste Dreifaltigkeit, Menschwerdung Christi, St. Maximilian Kolbe und Zum Guten Hirten zur neuen Pfarrei Heilige Edith Stein fusioniert. Den Zusammenschluss feiern die Gläubigen nun mit Bischof Gregor Maria Hanke: Diesen Sonntag, 12. Februar, beginnt um 10 Uhr der Festgottesdienst in St. Maximilian Kolbe, das weiterhin Pfarrkirche bleibt. Die drei weiteren bisherigen Pfarrkirchen sind nun Filialkirchen der neuen Pfarrei. Das Patrozinium Heilige Edith Stein bezieht sich nur auf die Pfarrei – Pfarrkirche sowie Filialkirchen behalten ihre Patrozinien.
Viel Akzeptanz gespürt
Der gemeinsame Weg der Langwasserpfarreien begann bereits 2015 mit der Installation von Stephan Müller als leitendem Pfarrer und einem gemeinsamen Pastoralteam. Die spätere Zusammenführung zu einer neuen Pfarrei war vorgegeben. Aber „es braucht Jahre, bis die Gremien soweit sind“, weiß Pfarrgemeinderatsvorsitzender Roland Schwab, der von Anfang an federführend in dem Prozess mitgewirkt hat. Einander auf der menschlichen Ebene in Wertschätzung kennenlernen, nennt er als erste Zielsetzung damals, Austausch fördern, Profile sichten in Anbetracht der Unterschiedlichkeit der einzelnen Glieder des neuen Pfarrverbands.
2018 beschlossen Kirchenverwaltungen, Kirchortsräte und Pfarrgemeinderat des Pfarrverbands die Neugründung einer gemeinsamen Pfarrei. Und sie einigten sich auch darauf, dass die Kirchenstiftungen zusammengelegt werden sollten. Wichtig dabei: Alle vier Kirchorte sollten ihre Identität als Orte des Glaubens und Heimat für die dort lebenden Katholiken behalten.
Nach dem vor zwei Jahren erfolgten Wechsel von Pfarrer Stephan Müller in die Klinikseelsorge wird nun Dr. Karsten Junk, seit 2017 Pfarrvikar im Pfarrverband, erster Leiter der Pfarrei Heilige Edith Stein. Er erinnert sich an die anfängliche Skepsis der Gläubigen in Bezug auf den gemeinsamen Weg. Letztendlich hätten sie ihn aber akzeptiert. Eine strikt ablehnende Haltung habe es nicht gegeben. Auch in den Gremien habe Einigkeit geherrscht. Im Rückblick auf den Verwaltungsaufwand sagt Junk heute: „Ich wusste, auf was ich mich einlasse“ und lobt gleichzeitig die herausragende Unterstützung der Ehrenamtlichen, ohne die das nicht gelaufen wäre.
Pfarrer und Aktive tourten durch alle vier Pfarreien, erläuterten Ziele, nahmen Bedürfnisse wahr und vernetzten. Weil alle an einem Strang zogen, ging es zügig voran: Der Prozess wurde ausführlich erörtert und ein Zeitplan erarbeitet. Es galt, Eckpunkte für ein Pastoralkonzept festzulegen und ein Patrozinium zu finden. Man bildete Sachausschüsse und Arbeitsgruppen, diskutierte viel, hielt Klausurtagungen ab. In der Schlüsselposition bis heute: die Steuerungsgruppe, in der Ehrenamtliche aus allen Kirchorten mit den Hauptamtlichen zusammenarbeiten.
Als erstes Beispiel für gelungene Kooperation nennt Schwab das gemeinsame Pfarrmagazin, das bereits 2018 die Einzelpfarrbriefe ersetzte. Die Leute hätten sich zusammengesetzt und „ein super Ergebnis“ erzielt, lobt der Vorsitzende. Ebenso fand sich jemand bereit, die neue Homepage zu übernehmen.
Kirchenstiftungen vereint
Im Herbst 2019 startete ein Sachausschuss Pastorales Konzept. Ende 2020 stand der Zeitplan, termingerecht wurde im Juli 2022 der Antrag zur Neugründung einer Pfarrei eingereicht. Gleichzeitig war die Meinungsbildung zum neuen Patrozinium abgeschlossen und man hatte sich auf die neue Pfarrkirche geeinigt. Die vier Kirchenstiftungen sind inzwischen zusammengelegt, im März wird eine neue Kirchenverwaltung gewählt. Die Kandidatenfindung gestaltet sich nicht leicht. „Die Leute haben Respekt vor der Aufgabe“, sagt Schwab.
Einheit in Vielfalt, so könnte man das Ergebnis des Prozesses in Langwasser zusammenfassen: Die Andersartigkeit jedes Kirchorts in Respekt annehmen, die jeweiligen Schwerpunkte entdecken und allen zugänglich machen. „Seelsorge nahe am Menschen– gemeinsam mit den evangelischen Geschwistern“, formuliert es Gemeindereferentin Margit Maderstein. Roland Schwab möchte gemeinsame spirituelle Erfahrungen ermöglichen – durch Einbindung einer breiten Palette einzelner Talente und Erfahrungen. Pfarrer Junk nennt als Ziel: „Wir machen das, um das Evangelium zu den Menschen zu bringen; es geht um die Verbindung Gottes zu den Menschen.“
Eine Suchende als Vorbild
Warum Edith Stein zur Patronin erkoren wurde
Die neue Pfarrei im Nürnberger Süden steht unter dem Patrozinium „Heilige Edith Stein“. Diese wurde 1891 als jüngstes von elf Kindern jüdischer Eltern in Breslau geboren. Sie studierte Psychologie, Philosophie, Germanistik und Geschichte. Nach der Lektüre der Biografie der Theresa von Avila trat sie am 1. Januar 1922 in die katholische Kirche ein, 1933 ins Kloster der Karmelitinnen in Köln. Als ihre jüdische Abstammung offenbar wurde, floh sie aus dem Kloster. Im August 1942 wurde sie verhaftet und in Auschwitz ermordet. Papst Johannes Paul
II. sprach sie am 11.Oktober 1998 heilig.
Warum die Gläubigen Edith Stein zur Patronin erwählt haben, darüber gibt die Homepage der nach ihr benannten, neu gebildeten Pfarrei Auskunft: Edith Stein sei „eine Suchende“ gewesen und habe in Jesus Christus ihr Ziel und ihre Wahrheit gefunden. Die Suche nach Gott sei ein Grundthema jedes Christen – aus der Spiritualität Edith Steins könne man viel lernen. „Ihr war die Versöhnung zwischen Christen und Juden ein Anliegen“, heißt es weiter. Eine Patronin, die der Ideologie der Nazis entgegensteht, passe gut nach Langwasser, das geprägt ist von der Geschichte des Nationalsozialismus.
„Weil sie Frau war, wurde ihr in den 1920er- und 30er-Jahren in Deutschland eine Professorenstelle verwehrt“, wird ein weiterer Punkt formuliert: „Auch in der Kirche sind Frauen in ihren Möglichkeiten immer noch beschränkt.“ Die Wahl des Patronats könne an die Gleichwertigkeit der Geschlechter erinnern.
Nicht zuletzt stehe Edith Stein als Patronin Europas für gutes Zusammenleben der verschiedenen Völker. Das sei ein wichtiger Akzent im Stadtteil, wo Menschen aus vielen Nationen leben.
Unterwegs mit Vision
Ein Thema, das haupt- und ehrenamtlich Verantwortliche im ganzen Bistum derzeit schwer beschäftigt, ist das Erstellen eines Pastoralkonzepts bis spätestens Ende 2024. Während viele Pastoralräume gerade erst beginnen, sich damit auseinanderzusetzen, machten sich die vier Gemeinden des Pfarrverbands „Katholisch in Langwasser“ schon lange vorher auf den Weg und leisteten gleichsam Pionierarbeit.
Wer lebt hier wie?
Die Beteiligung möglichst Vieler war ausdrücklich erwünscht, um ein pastorales Konzept inklusive Vision zu entwickeln. Ein engagiertes Team arbeitete von Anfang an eng vernetzt mit den Gremien der Kirchorte, dem Pfarrgemeinderat und der Steuerungsgruppe zusammen. Es startete mit einer Pastoralraumanalyse, deren Auftrag lautete: Wahrnehmung der Wirklichkeit, der Gegebenheiten vor Ort, und der Erfassung entsprechender Daten. Eine Gebäudeanalyse gehörte dazu. Auf einer Klausurtagung wurden die Erkenntnisse festgezurrt, ehe es an die Findung und Formulierung einer Vision ging. Man einigte sich dabei auf vier Eckpunkte, entsprechend den Grundvollzügen der Kirche: Gottesdienst, Verkündigung, Dienst am Menschen, Gemeinschaft plus den zusätzlichen Schwerpunkt Ökumenische Zusammenarbeit.
Auch neue Wege wagen
Gottesdienste werden als Quelle und Höhepunkt des liturgischen Tuns erachtet; sie wolle man lebendig und inspiriert erfahrbar machen. Mit traditionellen wie neuen Formen, ausdrücklich auch ökumenisch, versuche man, viele Menschen spirituell anzusprechen. Die ganze Tiefe des christlichen Glaubens solle dabei vermittelt werden, heißt es im
Pastoralkonzept.
Unter der Überschrift Verkündigung geht es um ein engagiertes Glaubenszeugnis – von Jedem an Alle – nicht nur auf etabliertem Weg. Das Evangelium solle erfahrbar gemacht werden. Tenor: „Wir freuen uns über jeden, der zu Christus findet.“ Dazu gehöre die Achtung vor jedem individuellen Glaubensweg.
Den Dienst am Menschen definiert das Pastoralkonzept als Hinausgehen, Halt geben, Unterstützung leisten, Ansprechpartner sein. Und zwar im ganzen Stadtviertel, nicht nur im Gemeindezentrum.
Pfarrbüros werden als erste Anlaufstelle betrachtet. Man wolle ein offenes Ohr haben für die Sorgen der Menschen, besonders für die Familien und ihre Bedürfnisse. Freiraum und Heimat Gemeinschaft lebt von Begegnung. Jeder Kirchort solle dafür stehen. Ökumene solle lebendig erfahren werden. Man will sich mit möglichst vielen Gruppen in Langwasser vernetzen, Interessen erfahren, Ressourcen bündeln. Einladende Räume sollen Heimat und Geborgenheit vermitteln. Dafür brauche es Respekt und Toleranz und Gewähren von Freiraum, um Neues entstehen zu lassen. Die Vorstellung: in der Gesamtpfarrei beheimatet, im Kirchort engagiert sein. Ökumene ist von jeher in Langwasser ein wichtiges Thema, das sich in enger Zusammenarbeit ausdrückt. Das Miteinander wird als Geschenk und Chance gewertet. So lassen sich Angebote für die Menschen in Langwasser bündeln, Synergien nutzen. „Offenheit für den Dialog mit allen Religionen“, lautet die Devise.
In der Pfarrei Heilige Edith Stein haben außerdem die Vietnamesische und die Ungarische Gemeinde eine Heimat. Auch die Ukrainisch-Orthodoxen Christen feiern dort regelmäßig Gottesdienst.
Quelle: Kirchenzeitung für das Bistum Eichstätt / Ulrike Pilz-Dertwinkel/gg
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