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Was ist eigentlich erhaltenswert?

Tag des offenen Denkmals stellt unbequeme Bauten vor

Das Motto des Denkmaltags am 8. September „Jenseits des Guten und Schönen: Unbequeme Denkmale?“ greift die zentralen Fragestellungen der Denkmalpflege auf, die am Tag des offenen Denkmals öffentlich diskutiert werden sollen: Was ist wert, erhalten zu werden und weshalb? Was macht Denkmale unbequem? Gibt es überhaupt bequeme Denkmale?

Zu den unbequemen Denkmalen zählen viele Bauten, die heute im Allgemeinen aufgrund der politischen und sozialen Umstände ihrer Entstehungs- oder Nutzungszeit – in unterschiedlichem Ausmaß – ein gewisses Unbehagen oder sehr negative Gefühle auslösen. Dazu zählen Bunker-, Festungs- und Verteidigungsanlagen, Konzentrations- und Arbeitslager der NS-Zeit, Reste ehemaliger DDR-Grenz- und Wachanlagen und auch NS- und DDR-Verwaltungs- oder Versammlungsbauten. Kurzum, es handelt sich um Orte, an denen es Menschen nicht gut ging, an denen unterdrückt, gekämpft, gelitten und gestorben wurde, oder die daran erinnern. Diese Objekte sind bedeutende Zeitzeugen.

Verantwortungsvoll historisch aufgearbeitet und allgemein verständlich erläutert, berichten sie uns ganz unmittelbar von den schwierigen bis katastrophalen Umständen ihrer Entstehungszeit.

Bei alten Burgen oder Festungen ist deren bau- und kunsthistorischer Wert mittlerweile allgemein unbestritten. Zudem gibt es nicht mehr so viele derartige Objekte. Wir haben einen großen historischen Abstand zu den Umständen ihrer seinerzeitigen Nutzung, so dass das, was oben als unbequem beschrieben wird, heute oftmals gar nicht mehr nachvollzogen werden kann.

Zu unbequemen Denkmalen gehören auch ganz allgemein Gefängnisbauten oder Anstalten und Heime für bestimmte Personengruppen. Vornehmlich, aber nicht nur, stammen diese Bauten aus dem 19. Jahrhundert. Dort lebten Menschen manchmal unter allerschwierigsten Umständen. Das war selbst dann so, wenn die Erbauer und Verwalter dieser Gebäude zu ihrer Zeit ganz neue Standards im Hinblick auf Hygiene und bedarfsgerechtes Bauen setzten und sicher nicht im Sinn hatten, die Bewohner leiden zu lassen. Oft werden diese Bauten heute ganz anders genutzt oder sind intensiv umgebaut worden.

Für Stadtplaner, Denkmalpfleger und Bevölkerung aus ganz anderen Gründen unbequem sind auch Bauten der Nachkriegsmoderne, bei denen die Frage nach der weiteren Erhaltung und der Nutzung für die Zukunft nicht geklärt ist oder in der Vergangenheit heftig diskutiert wurde. Dazu zählen Bürokomplexe und Kaufhäuser ebenso wie Siedlungsbauten aus den 1950er, 60er, 70er und sogar schon 80er-Jahren, deren Denkmalwert aktuell in der Fachwelt und in der Öffentlichkeit umstritten ist.

Bei fast jedem historischen Gebäude gibt es bei der Sanierung Überraschungen und nicht immer sind diese für den Bauherrn angenehm. Bislang unbekannte schwere Schäden aber auch kostbare Entdeckungen ziehen höhere Kosten oder Einschränkungen in der Umsetzung von baulichen Maßnahmen nach sich. So sind am Tag des offenen Denkmals auch Objekte im Blick, die gerade in der Restaurierungsphase sind und an denen die Schwierigkeiten erläutert werden können, vor denen Planer, Handwerker und Eigentümer stehen. Selbstverständlich ist der Tag des offenen Denkmals gerade auch unter dem diesjährigen Motto eine ideale Gelegenheit, gelungene Lösungen und Erfolge der Erhaltung historischer Bauten und archäologischer Stätten, Ruinen, Gärten oder Parks zu präsentieren. Anhand solch positiver Beispiele lässt sich ebenfalls eine offene
Diskussion über die Situation der Denkmalpflege und den Denkmalbestand in Deutschland führen.

Klaus Kreitmeir, Kirchenzeitung Nr. 36 vom 8. September 2013