Zum Inhalt springen

Im Wortlaut

Predigt von Bischof Gregor Maria Hanke OSB zum Abschluss der Missio-Aktion im Eichstätter Dom am Sonntag, 28. Oktober 2007

Liebe Mitbrüder im bischöflichen und priesterlichen Dienst,
liebe Mitarbeiter des Missio-Werkes und des Weltkirchereferates,
liebe Schwestern und Brüder aus fernen Ländern und aus unserem Bistum!

Christliche Mission kontra Toleranz?

Kürzlich stellte mir eine Reporterin die Frage, ob es denn heute noch vertretbar sei, wenn die Kirche missioniere. Mit welchem Recht, so die Fragestellerin, beansprucht das Christentum gegenüber anderen Religionen, missionarisch sein zu dürfen? Steckt nicht in anderen Religion ebenso Wahres und Gutes? Warum sollte man einen Hindu, einen Buddhisten oder einen Moslem für das Christentum gewinnen? Müssen sie nicht vielmehr nach der Facon ihres Kulturkreises selig werden, zumal diese Menschen nichts dafür können, außerhalb des christlichen Kulturkreises geboren zu sein?

Die Journalistin hat mit ihren Fragen durchaus die Stimmungslage mancher Zeitgenossen und auch nicht weniger Christen wiedergegeben. Viele empfinden heute ein Unbehagen beim Wort Mission. Christlicher Sozialeinsatz und Weltdienst: ja. Aber Mission durch das Christentum, Ausbreitung des christlichen Glaubens unter Menschen nichtchristlicher Religionen, verstößt das nicht gegen die Toleranzidee?

Erzbischof Simon von unserem Eichstätter Partnerbistum Gitega in Burundi müsste sich dieser Meinung zufolge fragen, ob nicht die 90 Prozent der Bevölkerung, die im Erzbistum katholisch sind, zu Unrecht für die katholische Kirche gewonnen wurden. Und wie ist es dann um Bischof Padilla aus der Mongolei bestellt, der heute in unserer Mitte weilt? Vor mehr als 15 Jahren begann er in diesem großen Land, die Mission der katholischen Kirche vom Nullpunkt an aufzubauen. Sollte er die Verkündigung des Evangeliums einstellen, seiner kleinen Schar von 430 mongolischen Katholiken sagen: Werdet gute Buddhisten! und in seine Heimat Philippinen zurückkehren?

Christliche Mission als Auftrag an die Jünger

Liebe Schwestern und Brüder, die Weisung des Auferstandenen zielt in eine ganz andere Richtung: Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes . (Mt 28, 19)

Allen Völkern ist den Worten des Herrn zufolge der Zugang zum Evangelium und zur Jüngerschaft Jesu zu eröffnen. Jeder Mensch hat ein Anrecht auf die Gemeinschaft mit dem dreifaltigen Gott. Aus der Sicht unseres Herrn handelt es sich um die Ernte, für die es größter Anstrengungen bedarf. Daher muss das Anliegen sogar im christlichen Bittgebet Platz finden: Bittet den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden ! (Mt 9, 38)

Mission – die Leidenschaft des dreifaltigen Gottes für den Menschen

Die Dynamik, sich zu öffnen, auf den Menschen zuzugehen und ihm Leben anzubieten, ist ein Wesensmerkmal des biblisch geoffenbarten Gottes. Denn Gottes „Leidenschaft“ ist der Mensch. Bleibe am Leben und wachse heran wie eine Blume des Feldes , spricht Gott im Buch Ezechiel (vgl. Ez 16, 6.7) über sein Volk und nimmt dabei die Rolle der Amme an, die ein Findelkind rettet und großziehen will. Gottes Mission zu den Menschen will dem Leben dienen, möchte den Menschen in Gottes Lebensraum einladen. Aber die Frucht der Bemühung Gottes bleibt zunächst aus.

Schließlich sendet der Vater den ewigen Sohn zum Menschen. In Menschwerdung, Leben, Leiden, Auferstehen und in der Wiederkunft des Herrn erweist sich Gott dem Menschen gegenüber definitiv missionarisch.

Jesus als Modell christlicher Mission

Damit ist Jesus das missionarische Modell. Im Lukasevangelium offenbart er sich am Anfang seines öffentlichen Wirkens als Gesandter: Der Geist des Herrn ruht auf mir. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe . (Lk 4, 18) Da es der Geist Gottes ist, der Jesus gesalbt und gesandt hat, liegt der Ursprung seiner Sendung, seiner Mission in Gott. In Jesus offenbart sich Gott als missionarisch. Einige Verse weiter bei Lukas heißt es: Ich muss auch den anderen Städten das Evangelium … verkünden; denn dazu bin ich gesandt worden . (Lk 4, 43)

Weil Sendung, Missio ein Wesenszug des dreifaltigen Gottes ist, geht Gott in Christus Jesus ungefragt, ja ungebeten auf den Menschen zu, um ihm das Heil in Fülle zu eröffnen, ihn in den Lebensraum Gottes zu holen. Dabei setzt er beim konkreten Menschen und seinen Nöten an. Jesus verkündet die Frohe Botschaft vom Reich Gottes, heilt seine körperlichen Gebrechen, vergibt die Sünden, lehrt die Menschen beten, zeigt sich solidarisch mit den Armen und geht in liebender Opferhingabe für den Menschen in den Tod, kurzum, er führt den Menschen in den Lebensraum des dreifaltigen Gottes. Mission als Doppelbewegung: Zugehen auf den Menschen und Beheimatung des Menschen in Gott.

An dieser missio des Sohnes haben wir Jünger immer wieder Maß zu nehmen, sagt doch der Herr: Wie mich der Vater in die Welt gesandt hat, so sende ich euch ! (vgl. Joh 17, 18ff.) Christliche Mission ist Teilhabe an der Sendung des Herrn.

Christentum ist missionarisch, oder es ist nicht Christentum

Von seinem Wesen her ist das Christentum missionarisch, oder es ist nicht Christentum. So kann die Kirche nicht anders als missionarisch sein und die Botschaft Jesu allen Menschen zugänglich machen. Es gilt das Wort der Apostel Petrus und Johannes vor dem Hohen Rat, der ihnen die Verkündigung und Bezeugung der Botschaft Jesu untersagen wollte: Unmöglich können wir schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben. (Apg 4, 20)

Der Antrieb zur missionarischen Verkündigung kommt aus der Freude und der Begeisterung über Gottes Heilstaten. Freude will nicht schweigen, sie möchte sich mitteilen und teilen. Freude ist einladend. Eine Kirche, die Ort der Freude ist, wird missionarisch sein.

Liebe Schwestern und Brüder, Mission ist demnach kein Zusatzprodukt unseres Christ- und Kircheseins, auch kein Exportartikel für andere in der Ferne. Missio, Sendung und Gesandtsein sind das Mark unserer Jüngerschaft. Folglich beginnt Mission zuhause, bei mir selbst, in meiner Familie, in dem Büro, in dem ich arbeite. Und weiter an den verschiedenen geographischen, kulturellen, wirtschaftlichen oder wissenschaftlichen Orten des Lebens und in den verschiedenen Milieus! Durch meine innere Haltung, durch meine Worte, durch mein Gebet und durch meinen Lebensstil gehe ich auf Menschen zu und entzünde das Licht der Frohen Botschaft. Jeder Christ soll einem Maler gleichen, der das Bild Christi für andere zeichnet, und zwar mit den Farben des eigenen Lebens.

Somit gibt es keinen Unterschied zwischen dem Christen in Burundi, Ghana, Thailand, in der Mongolei und Eichstätt. Es sind die Rahmenbedingungen, innerhalb derer wir den Auftrag umsetzen müssen, die einen gewissen Unterschied machen. Der Auftrag des Herrn, missionarische Existenz zu leben, eint uns alle, da gibt es kein Nord-Süd-Gefälle. So dürfen wir uns gegenseitig bestärken und voneinander lernen, die wir heute hier versammelt sind.

Missionarische Existenz als Verweis auf das kommende Gottesreich

Liebe Schwestern und Brüder, auch wenn wir alle Gesandte, Missionare sind, bauen nicht wir Gottes Lebensraum. Die missionarische Bewegung der Jünger, hinauszugehen, wäre vergebliche Mühe, käme Gott uns nicht schon entgegen. Gott bleibt seit der Menschwerdung des Sohnes missionarisch auf den Menschen und auf die Welt ausgerichtet. Das bezeugen wir, wann immer wir die Vaterunser-Bitte Dein Reich komme sprechen. Mit der Vaterunser-Bitte erflehen wir, dass die missionarische Bewegung der Jünger übergehe in das Kommen der Gottesherrschaft.

Unsere missionarische Existenz soll getragen sein von der Hoffnung, dass Gottes Reich bereits am Kommen ist, wenn auch verborgen. Es ist am Kommen ins Hier und nicht erst ins Jenseits.

Dieses Reich der Vaterunser-Bitte steht freilich im Kontrast zu den bestehenden Reichen und Herrschaften. Es steht für „die gewaltlose Revolution Gottes, welche die Welt im Geist der Liebe verändert“ (G. Lohfink). Die Geschichte der Gewalt, der Machtgier und Menschenverachtung hat noch nicht aufgehört. Aber seit Christi Kommen sind „nicht mehr die Bestien … das Maß der Geschichte, sondern der Menschensohn“, wie ein zeitgenössischer Theologe schreibt (G. Lohfink), denn Gottes Reich ist im Anbruch. Und dieses wird die neue Gesellschaft Gottes und das wahre Königtum aufrichten.

Die neuen Maßstäbe des Gottesreiches als Provokation

Keineswegs wollen wir die trinitarische Gründung unseres Missionsauftrags zugunsten politischen Agierens preisgeben, wenn wir uns gegen das Unrecht in der Welt stemmen und unterdrückten und gequälten Menschen oder der ausgebeuteten Schöpfung unsere Stimme leihen. Unsere missionarische Existenz wird sich vielmehr an den Horizont des kommenden Gottesreiches und an seine Maßstäbe gebunden wissen.

Wir können daher nicht schweigen angesichts des Unrechts, der Grausamkeiten und Morde, die sich seit Jahren in Darfur im Sudan ereignen. Wir können nicht wegschauen von der Benachteiligung und Unterdrückung von Christen und anderen Religionen in bestimmten islamischen Ländern. Wir dürfen es nicht unwidersprochen hinnehmen, wenn einem Teil der Menschen dieser Erde ein menschenwürdiges Leben versagt bleibt aufgrund wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen, die durch unsere europäische und amerikanische Denk- und Handlungsweise verursacht sind. Wir müssen zu einem alternativen Lebensstil ermuntern angesichts der Ausbeutung der Erde und der ökologischen Krise. Aber die Ökologie des Herzens verlangt von uns auch, zu protestieren angesichts der Abtreibungen in unserem Land. Im Horizont des kommenden Gottesreiches ist es unsere Aufgabe, dem schwachen und ungeborenen Leben unsere Stimme zu leihen. Ebenso ist es unsere Pflicht, für den Erhalt der Ehe und Familie in der Gesellschaft zu kämpfen.

Nicht politische Interessen, sondern der Sendungsauftrag des Herrn, zu verkündigen, die Kranken zu heilen und den Geringsten Gutes zu tun, soll uns leiten. Auf dass wir uns des kommenden Gottesreiches und seiner neuen Maßstäbe würdig erweisen.

Amen

© Pressestelle der Diözese Eichstätt