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13.03.2004

Pfarrgemeinden sollen sich an europäischer Integration aktiv beteiligen - Vollversammlung des Diözesanrates zu EU-Osterweiterung, Religionsunterricht und Ökumene

Eichstätt. (pde) – Der Diözesanrat der Katholiken im Bistum Eichstätt appelliert an die Katholischen Gemeinden in seinem Bereich, „die Herausforderung“ des größer werdenden Europas anzuerkennen und sich der Thematik der Osterweiterung der Europäischen Union zu stellen. In weiteren Resolutionen lehnt der Diözesanrat die Streichung einer Religionsstunde in der 3. und 4. Klasse ab und sprach sich für den Pfingstmontag als ökumenisch zu feiernden „Tag der Einheit der Kirche“ aus. Zu seiner vierten Vollversammlung in der zehnten Amtsperiode trat das oberste Laiengremiums in der Diözese am Vorabend des dritten Fastensonntags im Pfarrheim der Pfarrei St. Marien in Gunzenhausen zusammen.

Die Ost-Erweiterung der Europäischen Union war das zentrale Thema der Frühjahrs-Vollversammlung des Diözesanrats. Prominentester Referent zum Tagungsthema war der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Dr. Ingo Friedrich. Er legte acht Thesen zu „Aspekten der Wertediskussion in Europa“ vor. Friedrich warnte vor einem „Erweiterungswildwuchs“ und sprach sich in diesem Zusammenhang gegen einen Beitritt der Türkei zur EU aus. Nicht etwa „aus religiösen oder Menschenrechts-Gründen“, sondern weil „das Gebilde EU überdehnt“ werde und heute schon an seine Grenzen stoße. Die zunehmenden Herausforderungen, vor denen die Union stehe, könnten nur durch verantwortungsvolles und menschenwürdiges Handeln auf der Basis der christlichen Kultur bewältigt werden. Der Europa-Politiker forderte entschieden einen konkreten Gottesbezug im künftigen europäischen Verfassungsvertrag, da die EU sonst zu einer „Gemeinschaft ohne Seele“ verkomme. Die christlich-abendländische Werteordung müsse im Konfliktfall – unter Berücksichtigung der Religionsfreiheit – klaren Vorrang haben.

Mögliche „Wege zueinander“ beschrieben Prof. Dr. Stanislaw Rabiej von der Universität Oppeln, Martin Kastler, Mitglied des Europäischen Parlaments – als gebürtiger Schwabacher und langjähriges Mitglied im Sachausschuss Ostarbeit der Diözese persönlich verbunden – und Dr. Petr Krizek, von der Christlichen Akademie Prag, unter der Moderation von Franz Olbert, dem ehemaligen Generalsekretär der Ackermanngemeinde. Rabiej beschäftigte sich in seinem auf Französisch vorgetragenen Statement mit der aktuellen Entwicklung Polens und endete mit einer geradezu heroischen Vision vom Wiederaufbruch der „Solidarnosc“-Bewegung. Kastler forderte zum konkreten politischen Engagement auf, etwa in der deutsch-tschechischen Grenzregion, wo der ausufernde Sextourismus ein „Verbrechen gegen die Menschenwürde“ darstelle. Dr. Petr Krizek ermutigte zu direkten Kontakten von Mensch zu Mensch: „Laden Sie doch einmal ausländische Studenten der Uni Eichstätt zu sich ein, machen sie Gemeindeausflüge über die Grenze“. Bei „Begegnungen auf der untersten Ebene“ bestehe großer Nachholbedarf.

Ganz im Sinne dieser Anregungen verabschiedete die Vollversammlung ein Positionspapier mit dem Titel „Wege zueinander – Hoffnungen, Hilfen, Erwartungen“. Darin bejaht das Gremium die Fortschritte in der europäischen Integration und begrüßt die Aufnahme der zehn neuen Mitglieder in die EU zum ersten Mai dieses Jahres. Die gescheiterten Verhandlungen um eine Verfassung für Europa, so das Papier, sehe der Diözesanrat „als Chance, noch einmal die unterschiedlichen Gewichte der einzelnen Völker zu diskutieren“. Das Positionspapier formuliert konkrete Herausforderungen, denen sich die Gemeinden stellen sollten, etwa das Bemühen um gründliche Information, die Pflege von Partnerschaften oder die Unterstützung bereits bestehender Aktionen und Projekte, wie die Arbeit des Hilfswerks „Renovabis“.

Um „Orientierung in wirrer Zeit“ bemühte sich Diözesanratsvorsitzender Dieter Salomon in seinem obligatorischen Bericht. Er thematisierte die wachsende Verunsicherung, die in der Diözese angesichts des Sparzwangs herrsche. Es entstehe der Eindruck, als würden „ganze Bereiche zugemacht“. Salomon warnte davor, sich aus weiten Teilen der gesellschaftlichen Auseinandersetzung zurückzuziehen. Wenn die Kirche aus Geld- und Personalmangel gewisse Bereiche in der Öffentlichkeit nicht mehr besetzen könne, „dann sind wir auf dem Weg zu einer Kirche der Minderheit, die keine Stimme mehr hat“. Auf den Einsatz der Hauptamtlichen könne die Kirche nicht leichthin verzichten, zugleich aber müsse die Arbeit in der Kirche von allen als etwas angesehen werden, das durchaus Opfer koste.

Die aktuelle wirtschaftliche Lage der Diözese war auch Hauptpunkt im Bericht der Diözesanleitung. Generalvikar Dompropst Johann Limbacher erläuterte die Finanzlage und ging auf die zu erwartenden Einbußen bei den Kirchensteuereinnahmen und die daraus resultierenden Sparmaßnahmen ein. Limbacher legte dar, dass die Bistumsleitung immer versucht habe, „den Personalstand zu schonen“. Wenn der unumgängliche Stellenabbau nicht mehr allein im Rahmen der natürlichen Fluktuation zu realisieren sei, „werden Kündigungen nicht zu umgehen sein“, wiederholte der Generalvikar. Limbacher rief dazu auf, die gemeinsame Sorge um die Zukunft des Bistums in solidarischem Miteinander zu teilen. Nur so seien weitere unvermeidliche Belastungsproben zu bestehen.

Seelsorgeamtsleiter Domkapitular Rainer Brummer informierte über den aktuellen Stand im Prozess der Weiterentwicklung der Seelsorge im Bistum. Rund 40 von 52 Seelsorgeeinheiten hätten sich mittlerweile für eine Kooperationsform entschieden. Die meisten hätten mit dem Modell des Pfarreienverbunds „die unterste Stufe gewählt“. Er habe aber Hoffnung, dass sich mit zunehmender Praxiserfahrung noch einiges weiterentwickele. Nach dem Treffen konkreter überpfarrlicher Kooperationsvereinbarungen werde sich mittelfristig herauskristallisieren, „wieviel Personal wir wo brauchen“.

Der Diözesanrat nahm auch zur Streichung der dritten Religionsstunde in der 3. und 4. Klasse Stellung und lehnte diese Maßnahme „zugunsten einseitiger Wissensvermittlung“ und zu Lasten von „persönlichkeitsbildenden Lerninhalten“ deutlich ab. Ihren Wunsch nach „gelebter Ökumene“ brachte die Vollversammlung mit der Mehrheit ihrer Stimmen zum Ausdruck, indem sie sich – entgegen der jüngsten Entscheidung der deutschen Bischöfe – für den Pfingstmontags als ökumenisch zu feiernden „Tag der Einheit der Kirche“ aussprach.

Geistlicher Höhepunkt des Tages war der Gottesdienst am Abend. Bischof Dr. Walter Mixa, der an der gesamten Veranstaltung teilgenommen hatte, ging in seiner Predigt auf das Thema Umkehr ein. Richtig verstandene Umkehr bedeute, „ein marianischer Mensch“ zu werden: „sich zu fragen, was will Gott von mir, und sich ganz von ihm in Anspruch nehmen zu lassen, ohne an den Wirklichkeiten unserer Zeit vorbei zu leben“. Der Bischof griff auch noch einmal die Themen der vorangegangenen Beratungen auf und appellierte an die Gemeinde, „als Christen von Ost und West zusammenwachsen, um das gemeinsame Europa menschlicher zu gestalten“