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Für ein besseres Miteinander

Fragen an Barbara Bagorski, Leiterin der Arbeitsgruppe Geschlechtergerechtigkeit

KiZ: Frau Bagorski, im Bistum Eichstätt wird eine Arbeitsgruppe Geschlechtergerechtigkeit gegründet, deren Leiterin Sie sein werden. Ziel soll es sein, Frauen stärker zu fördern bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung. Welche Verantwortung ist gemeint und wie soll sie idealerweise gefördert werden?

Barbara Bagorski: Es war bisher ja schon immer so, dass Frauen die sozialen und diakonalen Aufgaben in der Regel wie selbstverständlich wahrgenommen haben, aber eben zumeist im Verborgenen. In einem Zeitalter, in dem es darum geht, Dinge sichtbar und transparent zu machen, heißt es, mit dieser Verantwortung aus dem Verborgenen in die Öffentlichkeit zu treten und natürlich folgerichtig auch Leitungsfunktionen zu übernehmen, zunächst im ehrenamtlichen Bereich. Wir müssen schauen, wie diese Dienste heute, da Frauenleben ganz anders ist, neu organisiert werden können. Die Ehrenamtliche, die neben Beruf und Familie sich auch noch acht Stunden darüber hinaus engagiert, die gibt es schlicht und einfach nicht mehr. Aber es gibt viele die sagen, ich mache in einem Projekt mit, das klar begrenzt ist, übernehme dort Verantwortung etwa für die Dauer von einem Jahr, möchte das auch öffentlich sichtbar machen und dafür Anerkennung erfahren.

Wer muss jetzt was auf welche Weise fördern?

Bagorski: Wenn die sogenannte Amtskirche sich hinstellen würde und sagte: Frauen, wir machen das in Zukunft so – das wäre schon der berühmte Schuss nach hinten. Das Erste muss sein, dass wir Frauen fragen: Wie stellt Ihr Euch die Bedingungen für Euer Engagement vor? Und dann müssen wir diese Anliegen ernst nehmen und den Frauen das Vertrauen entgegenbringen, dass sie es in diesem Sinne tun. Das zweite, es ist zu überlegen, wie ich das mit einer Beauftragung, einer Ernennung sichtbar machen kann, im Rahmen der Gemeinde, wo Engagement geschieht. Unabhängig davon, ob sich die Mitarbeiterinnen aus den Kreisen rekrutieren, die noch jeden Sonntag in die Kirche gehen oder solchen, die durchaus der Kirche noch von ferne verbunden sind und darüber vielleicht den Weg zurück in die Gemeinschaft finden. Das verlangt von der Kerngemeinde den Mut, auf diese Menschen zuzugehen.

Erklärtes Ziel ist es, Leitungsstellen mit Frauen zu besetzen und so den Anteil der Frauen auf der Führungsebene zu erhöhen.

Bagorski: Da muss jetzt – in Zeiten des Wandels und der notwendigen Umstrukturierung, in denen wir uns befinden – konkret geschaut werden, was überhaupt an Leitungsstellen auf Zukunft hin zu besetzen ist. Welche Stellen weiterhin mit einem Geweihten besetzt werden müssen, welche nicht, und wo die Interessentinnen und Interessenten auf solche Leitungsstellen sind, die man durch Schulungen und Begleitmaßnahmen unterstützen kann in der Bewerbung um solche Posten. Dabei darf es keinen Automatismus geben, sondern nach wie vor muss die Qualifikation das A und O sein. Konkret müssen wir genau hinschauen und nachfragen, was ist möglich und notwendig an Angeboten, damit nach der Familienphase ein beruflicher Wiedereinstieg funktioniert oder wie ermutigen wir Väter Erziehungszeiten wahrzunehmen.

Für eine Reihe auch treuer Kirchgänger spitzt sich die Debatte nach der Rolle der Frau in der Kirche immer noch auf die Frage nach dem Weiheamt zu, was zu Konfrontationen führen kann, wie man ganz aktuell wieder am Tag der Frau in der Willibaldswoche sehen konnte. Welche Rolle spielt das Thema Frau und Weiheamt in der neu zu gründenden Arbeitsgruppe und bei ihrem Auftrag?

Bagorski: Die Frage nach einem Amt für Frauen, die dogmatisch klar entschieden ist, wird in der Arbeitsgruppe keine Rolle spielen. Die Arbeitsgruppe hat den gerade  beschriebenen Auftrag und befasst sich generell mit der Frage, wie Frauen intensiver einbezogen werden können und wie die Bildung von Gremien mit gemischten Teams auf allen Ebenen zur Selbstverständlichkeit werden kann. Ziel ist es, die Basis für ein besseres Miteinander zu schaffen, das von Frauen und Männern, Priestern und Laien in gegenseitiger Anerkennung getragen und weiterentwickelt wird. Wichtig ist von Anfang an, dass man Frauen und Männer,
Laien wie Priester, dazu bewegt, sich mit ihren Bildern von sich selbst und vom Gegenüber auseinanderzusetzen, damit erkannt wird, dass nicht jedes Bild unbedingt der Realität entspricht und wie sehr festgefügte Bilder Entwicklungsmöglichkeiten verstellen können.

Die Rollenbilder in der gesellschaftlichen Debatte sind disparat, wie lange nicht mehr. Wie wollen Sie Zuschreibungen, Fixierungen überwinden oder beseitigen? Und was unterscheidet Ihre Bemühungen vom viel kritisierten gender mainstreaming (= durchgängige Gleichstellungsorientierung)?

Bagorski: Also erst mal bleiben wir bei der biblischen Grundaussage: Es gibt Männer und Frauen und jeder und jede hat von Gott eine Aufgabe bekommen und die sind verschieden. Nur ist es eben nicht so, dass wir sagen könnten,  jede Frau ist von Natur aus weich, gefühlvoll, häuslich usw., usw., jeder Mann ist stark, hat Durchsetzungsvermögen, Leitungskompetenz, das sind diese Zuschreibungen, die Festschreibungen werden. Männliche und weibliche Führungsstile unterscheiden sich, sie sind deshalb nicht besser oder schlechter, das müssen beide Seiten lernen. Frauen etwa, wie geht man damit um, wenn man in eine Männergruppe kommt, welche Regeln gelten, wie weit spielt man mit, welche Grenzen gibt es, welche zieht man? Andererseits wie kann man Männern klar machen, dass eine bestimmte Sorte Witze in einer Männergruppe immer noch upto-date sind, die aber die Frau nicht ernst nimmt. Wie kann ein Mann in einer Frau Fachkompetenz sehen, ohne ihre Weiblichkeit zu übersehen?

Unsere Rollenzuweisungen sollen ja unsere Angst im Umgang miteinander und vor neuen Herausforderungen organisieren.

Bagorski: Ja, die Angst ist groß. Verständlicherweise, wenn ich auf 2.000-jährige Rollentraditionen schaue. Es geht aber jetzt darum, dass man sich gegenseitig bereichert, neue Möglichkeiten, neue Wege findet, mit Blick auf die Sache und weg vom Ego.

Weder die Problemanalyse noch die selbstgestellten Arbeitsaufträge beim Thema Frau in der Kirche sind neu. Schon 1981 haben die deutschen Bischöfe Maßgebliches zur Sache gesagt, eine Reihe von Tagungen fand seitdem statt, wie geht es jetzt weiter?

Bagorski: Die Bischofskonferenz hat sich bei der letzten Tagung Anfang dieses Jahres fünf Jahre gesetzt, um dann zu überprüfen, wie die Umsetzung des Vorhabens Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche funktioniert. Wir haben in all den Jahren ja durchaus schon einiges auf den Weg gebracht, da ist die Arbeit der Frauenverbände, die Einrichtung der Frauenreferate. Jetzt geht es darum diese Dinge, die eher auf der Möglichkeitsebene existierten, in Verpflichtungen umzuformulieren. Es muss jetzt Butter bei die Fische.

Wie wird sich die Arbeitsgruppe zusammensetzen?

Bagorski: Ich denke an eine Leitungsstruktur, die verschiedene Ressourcen aufgreift. Es wird von den Einzelfragen abhängen, wer da je nach Thema berufen wird, ob es um Theologisches oder um Personalfragen geht. Im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit sollte die Gruppe 50:50 besetzt sein. Eine reine Frauenkommission wäre ja die Umkehrung des bisherigen.

Bekommen Sie erste Reaktionen?

Bagorski: Bisher scheint es so, als könnte sich noch keiner vorstellen, was das konkret sein soll – außer einer Kommission mehr. Ich sehe das zunächst positiv, so kann man nach und nach aufklären, erklären und die Skeptiker vom Anfang mit ins Boot nehmen.              

Interview: Michael Heberling, Kirchenzeitung Nr. 29 vom 21. Juli 2013