Zum Inhalt springen
30.05.2022

Pfingsten und Schawout – zwei Gründungsfeste der besonderen Art

Feuer. Foto: Andreas Schneidt

Bei Pfingsten und Schawout spielt das Feuer eine besondere Rolle. Foto: Andreas Schneidt

In diesem Jahr fallen das christliche Pfingstfest und das jüdische Schawout zusammen. An Pfingsten feiern Christen die Herabkunft des Heiligen Geistes, das Geschenk seiner sieben Gaben und die Geburtsstunde der Kirche.

An Schawout feiert die jüdische Gemeinschaft u.a. die Gabe der Tora, der Zehn Gebote und die Befreiung aus der Knechtschaft aus Ägypten.

In beiden Festen spielt das Feuer eine besondere Rolle, denn es will auf die Haltungen hinweisen, die mit dem Empfang der Geistesgaben verbunden sind. Da geht es um ein „Feuer fangen“, für die Botschaft Gottes, um das „Feuer und Flamme sein“ für ein Leben aus dieser Botschaft, damit der „Funke überspringen“ kann.

Diese Grundgedanken finden sich bereits in der sogenannten nachexilischen Theologie, wie sie in der Bibel festgehalten worden ist. Dabei sind vor allem zwei Aspekte zu beachten:

  • der Hinweis darauf, dass z.B. die Propheten als auch Mose das Wort Gottes in einer direkten Gottesbegegnung empfangen haben (Ex 3,1-6; Ex 19,19)
  • das Herabkommen des Geistes Gottes auf die versammelte Gemeinde und deren Sendung, die Botschaft Gottes in die Welt zu tragen (Apg 2, 1-4).

In allen Zeugnissen wird der Geist Gottes als eine Kraft erlebt, die Mut schenkt und deutlich macht, dass es nicht um ein formalistisches Einhalten von Vorschriften geht. So weist denn auch Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika „Dominum vivificantem – Über den Heiligen Geist im Leben der Kirche und der Welt“( 1986) darauf hin, dass die Gabe des Geistes Gottes bis heute für die Kirche bedeutet, mutig  ein offenes Wort im Blick auf erforderliche Veränderungen in Kirche und Welt zu sprechen. Und im Midrasch Aserot ha-Dibrot 1 heißt es mit Blick auf die Haltung, die auf ein „Feuer fangen“ hin verstanden werden kann, dass die Tora „als schwarzes auf weißes Feuer“ geschrieben ist. Schwarz steht dabei für die Tinte und den Buchstaben, weiß wird als eine Aufforderung zum „zwischen den Zeilen lesen“ interpretiert.

Heute scheint bei der Darstellung des Heiligen Geistes das Bild der Taube in den Vordergrund getreten zu sein. Die Taube soll zunächst einmal den Blick auf die erste Schöpfungserzählung lenken, in der es heißt, dass der Geist Gottes über den Wassern flattert – wie es im hebräischen Text heißt. In der Prophetenliteratur wird darauf hingewiesen, dass da, wo der Geist Gottes wirkt, eine neue Welt entstehen kann, in der alle Gegensätze aufgehoben sind (Vision vom Tierfrieden Jes 11, 6-10).

Die Darstellung des Heiligen Geistes als Taube hat sich seit dem 6. Jahrhundert mit Rückgriff auf das Johannesevangelium durchgesetzt. Dort heißt es im Zusammenhang mit der Taufe Jesu am Jordan: „Ich sah den Geist Gottes herabsteigen wie eine Taube vom Himmel …“ (Joh 1, 32). Im Laufe der Zeit wird die Taube zu einem Symbol der Liebe des Friedens und der Versöhnung mit Gott.

Text: Barbara Bagorski