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16.03.2021

Judas – eine bleibende Herausforderung

Gefangennahme. Foto: Andreas Schneidt

Gefangennahme. Aus dem gotischen Freskenzyklus St. Nikolaus Durnholz (Südtirol) – vermutlich 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts Foto: Andreas Schneidt

Haben Sie sich schon einmal die Zeit genommen, ganz bewusst auf Judas Iskariot und seine spannende und wechselhafte Wirkungsgeschichte zu schauen? Wie kam es, dass er für viele bis heute das Symbol eines Verräters ist?

Und wie konnte es dazu kommen, dass Judas speziell auch zum Bild des „bösen Juden“ wurde – ein Bild, das bis heute in den unterschiedlichsten Kreisen lebendig ist?

Judas ist nach wie vor für viele – ohne Rücksicht auf eine korrekte Exegese – der Grund für ihren Antijudaismus und Antisemitismus.

Genau genommen wissen wir über Judas sehr wenig. Er wurde von Jesus in den Kreis der Zwölf gewählt. Von Beginn an wird Judas auf verschiedenste Weise mit einem negativen Touch versehen; so z.B. als Dieb, der aus der Gemeinschaftskasse etwas mitgehen lässt, und besonders auch als derjenige, der Jesus, der eine bekannte Persönlichkeit ist, für die geringe Summe von 30 Silberlingen verrät.

In der Alten Kirche war Judas das Bild eines Menschen, der mit dem Glauben rang, der bereit war zu Umkehr und Buße und der an der Spannung zwischen Glauben und Enttäuschung scheiterte. So legt das Konzil von Trient klar, dass alle Menschen schuld am Tod Jesu seien, da alle Sünder sind und damit der Erlösung bedürfen.

Im Mittelalter kommt es zur legendenhaften Ausbildung des Judasbildes. Ihm werden jetzt Charakterzüge wie z.B. Habgier, Treulosigkeit und Falschheit zugeschrieben. Aus dem Mitglied des Zwölferkreises wird mehr und mehr der „Prototyp des Juden“: in der Kunst, in der Literatur und besonders in der nationalsozialistischen Propaganda – und darüber hinaus.

Bei der Beschäftigung mit der Figur des Judas kommen viele Frage in den Sinn: Wofür steht Judas, wenn man sich von der Fixierung auf „Verräter“ frei macht? Was für ein Mensch war Judas? Steht Judas für die Spannung zwischen Glauben und Unglauben, Wünschen und Enttäuschung, zwischen der Erwartung, dass Gott meinen Wünschen gemäß handeln soll und dem, was der mir unbegreifliche Wille Gottes ist?
Die Antworten auf diese Fragen kann mir niemand abnehmen.

Text: Barbara Bagorski