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Grundworte zur Exerzitienspiritualität

"Aus der Mitte leben"

Teil 8: Vor Gott zählt der Einzelne

aus: Kirchenzeitung für das Bistum Eichstätt, Nr. 39, 26. September 2004.

„Bei unseren Gesprächen ist mir immer erst so richtig bewusst geworden: in meinen Exerzitien ist viel geschehen.“ Mit diesem Satz bringt eine Teilnehmerin am Ende eines Exerzitienkurses auf den Punkt, wie wichtig das Gespräch mit dem Begleiter für sie war. Das Aussprechen hilft. Im Erzählen ist alles noch einmal ganz anders da. Auch im Alltag lässt sich das erfahren. Es ist ein Unterschied, ob ich mich nur daran erinnere, wie schön der Urlaub war oder ob ich meinen Freunden davon erzähle. Dann habe ich das klare Wasser des Meeres oder den herrlichen Sonnenuntergang viel deutlicher vor mir.

So ähnlich kann es auch in Exerzitien sein. Das tägliche Gespräch mit dem Begleiter oder der Begleiterin ist eine Chance. Im Gespräch wird deutlich, was an diesem Tag geschehen ist. Wo war Gott mit dabei? Wo habe ich Ihn besonders gespürt? Was hat Er in mir hervorgerufen? Die feinen Regungen, die im Laufe eines Tages wahrgenommen wurden, dürfen zu Wort kommen. Darauf schaut der Teilnehmer zusammen mit dem Exerzitienbegleiter. Er erzählt von seinen Gebetszeiten. Er spricht über das, was ihn bewegt hat. Und er darf auch sagen, was ihm schwer gefallen ist. Das Gute dabei ist: Es kommt nicht auf ein Ergebnis an. Niemand muss etwas Bestimmtes leisten oder vorzeigen. Und was im Gespräch gesagt wird, bleibt absolut diskret. Es ist natürlich, dass das Vertrauen zum Begleiter erst wachsen muss. Manchem fällt es am Anfang nicht leicht sich mitzuteilen. Das weiß auch schon der Begründer der Exerzitien, der heilige Ignatius von Loyola. Er rät deshalb dem Begleiter, achtsam zu hören, behutsam zu sprechen und dem Teilnehmer mit Ehrfurcht zu begegnen. Wo Gott in den Exerzitien an einem Menschen handelt, soll der Begleiter kein Hindernis sein. Deshalb hält sich der Begleiter bewusst zurück. Er beeinflusst nicht. Er drängt nicht. Er stellt sich nicht dazwischen. Er ist nur dabei. Er hilft dem Teilnehmer, die leise Stimme Gottes zu deuten und zu verstehen. Er gibt Hinweise, wie die Exerzitien weiter verlaufen könnten. Er hat Vorschläge für die nächste Bibelstelle oder das nächste Bild, das der Exerzitant betrachten könnte. Und er macht Mut durchzuhalten, falls einmal eine Durststrecke auftauchen sollte.

Das Begleitgespräch gehört heute zu den meisten Exerzitienkursen. Und das ist gut so. Denn auf diese Weise werden die Exerzitien zu ganz persönlichen Tagen. Der Einzelne kommt darin vor. So wie er ist, darf er in seinem Tempo und mit seinem Lebensweg vor Gott da sein. Er wird von Gott durch die Exerzitien geführt. Im Gespräch geschieht nichts anderes als auf die Beziehung zu schauen, die sich zwischen Gott und dem Einzelnen entwickelt. Und diese Beziehung ist einzigartig. Deshalb ist es für den Exerzitienteilnehmer auch gut, individuell darüber sprechen zu können. Das ist die Stärke des Begleitgesprächs. Was Gott in den Exerzitien anrührt, darf zum Thema werden. Gefragt wird zum Beispiel: Warum spricht mich genau diese Bibelstelle so sehr an? Was hat sie mit meinem Leben zu tun? Was bedeutet es, wenn Gott sich mir durch dieses Wort nähert? Der Begleiter wird zum Zeugen dieser Erfahrung. Er hilft zu deuten und zu verstehen: Gott ist lebendig da. Daran erinnert er den Teilnehmer auch dann wieder, wenn der einmal vor lauter Dunkel das Licht nicht mehr sieht.

Im geschützten Raum der Begleitung kann der Einzelne über das Schöne seines Lebens staunen. Er darf aber auch das Schwierige und Verletzende aussprechen. Beides hat vor Gott Platz. Deshalb darf es auch im Gespräch vorkommen. Wovon das Herz in diesen Tagen voll ist, darüber darf der Exerzitant reden.

Jeder Teilnehmer muss seinen Weg in einem Exerzitienkurs selbst gehen. Aber er wird dabei nicht alleine gelassen. Und im Gespräch erfährt er: Vor Gott zählt der Einzelne. Von Ihm wird er ernst genommen. Das darf er auch bei seinem Begleiter oder seiner Begleiterin spüren.

Pfr. Dr. Michael Kleinert

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