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"... wenn es aber doch wahr ist?"

„... wenn es aber doch wahr ist?“ – Mit jungen Leuten von der CAJ Pfraunfeld studierte Kaplan Marco Benini ein liturgisches Osterspiel ein.

Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ fragt der Engel die Frauen am leeren Grab. Die beiden jungen Männer von der Christlichen Arbeiterjugend (CAJ) Pfraunfeld kennen diesen Dialog, von dem das Evangelium berichtet. „Wir hören’s ja jedes Jahr im Gottesdienst“, erzählen sie, während sie in der Sakristei der Pfraunfelder Kirche in weiße Alben schlüpfen. Heuer wollen sie die Auferstehungs-Botschaft nämlich nicht nur hören, sondern mit weiteren Jugendlichen der CAJ selbst verkünden – in Form eines liturgischen Spiels am Ostersonntag. Die Idee dazu stammt vom Pfraunfelder Kaplan Marco Benini, mit dem sie sich an diesem Abend zum Proben verabredet haben.

Engel und Apostellauf

Heutzutage fast in Vergessenheit geraten, waren liturgische Osterspiele über Jahrhunderte hinweg weit verbreitet. Kaplan Benini stieß darauf im Rahmen seiner gerade entstehenden Doktorarbeit über den Osterfestkreis im Pfarrbuch des Ingolstädter Theologen Johannes Eck von 1525. Er fand heraus, dass sich liturgische Osterspiele in den Diözesanliturgien teilweise bis ins 18. Jahrhundert erhalten haben. Auch die Eichstätter Diözesanbreviere von 1483, 1479 und 1525 enthalten entsprechende Textvorlagen. „Ich dachte mir, es wäre doch schön, das umzusetzen“, erzählt Benini, der daraufhin solch ein Osterspiel aus dem Lateinischen in zeitgemäßes Deutsch übertrug. Die konkrete Vorlage bot ihm ein Spiel aus dem „Liber Ordinarius“ des Essener Doms aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. 2012 zeigten ältere Ministranten das liturgische Osterspiel bereits in der Neumarkter Hofpfarrei, Beninis damaligem Einsatzort. Es steht am Anfang der Heiligen Messe, dauert knapp zehn Minuten und gliedert sich in vier Teile: Den Dialog des Engels mit den Frauen (mindestens drei, in historischen Vorlagen oft auch als Marien bezeichnet) am Heiligen Grab, den Dialog zwischen Frauen und Aposteln, den Lauf der Apostel zum Grab und schließlich die Auferstehungsprozession durch die Kirche. Die Gläubigen seien dabei „nicht Zuschauer eines Theaterstücks, sondern im liturgischen Vollzug, der den ganzen Kirchenraum umfasst, eingebunden“, erklärt Benini. In der Pfraunfelder Kirche wird seit Menschengedenken ein Heiliges Grab aufbewahrt, das Mesnerin Rosa Klinger jedes Jahr am Gründonnerstag vor dem rechten Seitenaltar aufbaut. Dort treffen die „drei Marien“ auf den Engel, der sie auffordert, selbst ins Grab hineinzuschauen, so dass ihnen das eigentlich Unfassbare bewusst wird: Jesus lebt! Mit anderen Frauen ziehen sie dann zum gegenüberliegenden Seitenaltar, um den Aposteln die Nachricht zu verkünden. Dabei wird auch deren anfängliche Skepsis thematisiert: „Das ist doch nur Geschwätz!“, meint Petrus zunächst, „Johannes, ich glaube das nicht.“ Dann eilen die Apostel doch zum Grab. Mehr darüber erzählt der Vers aus dem Gotteslob (GL 221), den Kantor Nikolaus Schneider bei der Probe anstimmt: „Der liebste Jünger Sankt Johann, er eilt dem Petrus schnell voran, kam früher bei dem Grabe an“. Die Melodie stammt aus dem 15. Jahrhundert. Noch älter ist das Lied „Christ ist erstanden“, das bei der Auferstehungsprozession durch den Mittelgang erklingt und in das schließlich alle Gläubigen einstimmen. „Es wurde bereits im Mittelalter von allen an dieser Stelle gesungen“, erläutert Benini.  Zentrale Bedeutung im liturgischen Osterspiel hat das Korporale, das zusammengefaltete Schweißtuch, auf dem der Kopf Jesu gelegen hatte. Johannes nimmt das Korporale heraus, faltet es auf und zeigt es allen Gläubigen bei der feierlichen Prozession durch den Mittelgang. Anschließend übergibt er es dem Priester, der es auf dem Altar ausbreitet. „Wichtig ist, dass die Bedeutung des Korporale in der Predigt erklärt wird, erläutert Benini: „Wir begegnen dem Auferstandenen nicht mehr am Grab, sondern heute am Altar, in der Eucharistie.“

Szenische Liturgie

Liturgische Osterspiele entstanden seit dem Hochmittelalter aus dem Wechselgesang „Quem quaeritis in sepulchro“ (= Wen sucht ihr am Grab) am Ende der Ostermatutin (= Teil des Stundengebets). Erstmals wurden sie um 970 in England bezeugt. Vielfach wurden die Rollen ausschließlich mit Klerikern besetzt. Solch szenische Liturgie, wie sie sich etwa bei der Fußwaschung oder beim Einzug am Palmsonntag bis heute erhalten hat, „war früher deutlich stärker ausgeprägt“, erklärt Benini. Als die liturgischen Spiele seit dem 13. Jahrhundert immer ausführlicher wurden, verließen sie den Rahmen der Liturgie. Sie wurden außerhalb der Kirchen aufgeführt und enthielten zunehmend derbe, spektakuläre Szenen, die die Sensationslust der Zuschauer stillten. Für die jugendlichen Darsteller von der CAJ Pfaunfeld ist es nichts Neues, in andere Rollen zu schlüpfen, laden sie doch seit Jahren zu Theateraufführungen ein. „Der Himmel wart’ net“, heißt ihr aktuelles Stück, das Mitte März Premiere hatte. Die 23-jährige Maria Forster spielt darin den Engel. Deshalb fiel ihr diese Rolle nun ganz selbstverständlich auch im liturgischen Osterspiel zu. Fast 70 Mitglieder zählt die CAJ? Pfraunfeld, die sich aktiv ins Dorfgeschehen einbringt. So richtet sie alljährlich den Seniorennachmittag aus und grillt am Pfingstsonntag eine Sau am Spieß fürs ganze Dorf. „Und wenn’s in der Gemeinde was zu arbeiten gibt, etwa die Erneuerung des Spielplatzes, dann sind wir auch dabei“, erzählt einer der Aktiven.

Gabi Gess, Kirchenzeitung Nr. 13 vom 31. März 2013