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Innehalten im Strom des Lebens

Dritte Nacht der Lichter im Eichstätter Dom / 2.500 Teelichter und 1.200 Teebeutel

Sie dreht die dünne Wachskerze langsam zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her. Ihre in Wollhandschuhe eingepackte linke Hand hält sie behutsam vor die kleine Flamme. Die Kerze dreht sich schneller, ihre Beine fangen langsam an zu wippen. Die Musik nimmt sie mit. Steckt sie an.

Lässt sie innehalten, mitten im Strom des hektischen Lebens.

Celiné besucht bereits zum zweiten Mal die Nacht der Lichter im Dom. Mit einer kleinen Gruppe aus Pleinfeld ist sie an diesem Freitagabend nach Eichstätt gefahren. „Die Atmosphäre ist toll und wir können einfach mal abschalten“, sagt sie. Mit Fleecedecken, Handschuhen und Winterstiefeln hat sie sich mit ihren Freundinnen einen Platz in der rechten Seitenkapelle ausgesucht. In den Kirchenbänken wäre auch nichts mehr frei gewesen: rund 800 Gläubige schauen in dieser Nacht im Dom vorbei.

Frieden und Feuerwehr

„Maria begegnen“, heißt einer der Begegnungsräume die an diesem Abend eingerichtet wurden. In der Sakramentskapelle besteht die Möglichkeit zur eucharistischen Anbetung. „Die Räume sollen den Besuchern die Möglichkeit geben, sich zu sammeln, zu beten und zu schweigen“, sagt Martha Gottschalk, Leiterin der Jugendstelle Schneemühle. Gemeinsam mit einem sechsköpfigen Team hat sie bereits vor zwei Monaten begonnen die Nacht der Lichter vorzubereiten. Zu den Veranstaltern gehören die Eichstätter Maria Ward-Realschule, die Notfallseelsorge, das Bischöfliche Jugendamt, das Jugendvesperteam Plankstetten sowie das Rote Kreuz aus Eichstätt. In kleinen Teams haben sie gemeinsam mit Jugendlichen einzelne Elemente für den Abend organisiert und ausgesucht. Das Thema „Frieden“ war dabei schnell gefunden.

Der Weg zum Dom, begleitet von kleinen Laternen, glühenden Fackeln vor dem Willibaldschor und Hinweisschildern führt in ein weich leuchtendes Lichtermeer von 2.500 Teelichtern. In Taizé-typischen Farben, ein warmes Orange und Creme, hängen lange Stoffbänder im Altarraum. Einzelne Strahler scheinen auf den Boden, die Teelichter in großen und kleinen Lichttüten schenken eine wärmende, wohltuende Atmosphäre. „Die Kerzen bringen Ruhe, da wir uns automatisch vorsichtiger und langsamer bewegen“, berichtet Gottschalk.

„Bei so vielen Kerzen und Lichttüten müssen wir aufpassen, dass kein Papier Feuer fängt“, sagt Kurt Nieberle und läuft vorsichtig  durch das Kirchenschiff, bläst einige Kerzen aus und stellt neue hinein. Gemeinsam mit Simone Schneider ist er an diesem Abend für die Feuerwehr im Einsatz.

Auf der Musikerbühne sammeln sich Notenständer, einzelne Instrumentenkoffer von Saxophon, Klarinette und Querflöte lagern in der vorderen Ecke. Sie gehören den einzelnen Gesangsgruppen die den Dom mit den Gesängen aus Taizé füllen. Mit dabei sind die Gruppe Kirchenwecker aus Postbauer-Heng, der Chor der Maria Ward-Realschule, die Jugendkantorei und die Katholische Hochschulgemeinde. Es stehen Lieder in verschiedenen Sprachen auf dem Programm, vielstimmig, aber raffiniert einfach und so kurz, dass jeder sehr bald auf Französisch oder Spanisch auswendig mitsingen kann.

„Dona nobis pacem – Gib uns, Frieden.“ – Drei lateinische Worte, ein Programm. Ein Pacem, das sich zärtlich über einen Takt dehnt. Die erste Liturgiestunde „Friede in mir“, ist ein Mosaik aus Gesängen, eingebettet in knappe Bibel- und Psalmphasen.

Unterbrochen werden sie immer wieder durch kurze Ruhephasen. „Sie lassen alles rundherum vergessen, keine Handys, kein Flat Screen. Wir haben alle eine gemeinsame Blickrichtung und zwar auf Gott“, sagt Gottschalk, die auch im Vorraum des Doms versucht die Menschen auf die Stille aufmerksam zu machen. Klackernde Absätze sieht sie lieber auf dem Teppich, statt auf dem Steinboden. Große weiße Schilder mit schwarzer Schrift zeigen in sechs unterschiedlichen Sprachen das Wort „Stille“ an.

Zeit für Gespräche findet sich in der Teestube, mollig eingerichtet im Dompfarrheim. Die Menschen suchen den Austausch bei Tee und Suppe. Christoph Lerzer vom Bayrischen Roten Kreuz füllt schnell den großen Wasserbehälter nach. Auf zwei Biertischen stehen 30 Sorten Tee zur Auswahl. „Prinzessin Lillifee“ für Kinder, „Capt’n Sharky“ für Wellenreiter, „Schenkt dir Kraft“ für Erholungssuchende, versprechen die Packungen. „Wir haben insgesamt 1.200 Beutel Tee und 600 Portionen Suppe“, sagt Lerzer und läuft eilig zu einem Zelt vor dem Pfarrheim und holt noch Brot nach. Draußen vermischt sich die kalte Winterluft mit dem appetitlichen Duft der Gemüsesuppe, innen verbreiten Spekulatius schon einen Hauch Advent. Spontane Gesangseinlagen mit Taizé-Liedern klingen zwischen den Gesprächen hindurch.

Die zweite und dritte Stunde im Dom unter dem Leitthema „Friede mit dir“ und „Friede für die Welt“ begleiten die gesungenen Meditationen. Eine Gruppe von Jugendlichen liest gemeinsam mit Domkaplan Christoph Wittmann kleine Textpassagen vor. Die dünne Taschenlampe halten sie auf kleine Zettel. Die Geschichten erzählen vom Schicksal von Flüchtlingen aus Syrien und Ägypten. Sie machen aufmerksam, lassen die Stille im Dom noch bewusster werden. „Das Wissen, dass wir gemeinsam zur Ruhe kommen und Gott begegnen, ist meine Freude an diesem Abend“, erzählt Wittmann.

Kurz vor Mitternacht sind die Besucher zum Einzelsegen eingeladen. Aus den Bankreihen und vom kalten Steinboden nähern sich die Menschen. Lange Schlangen bilden sich in den Gängen. Vereinzelt leuchten kleine Kerzen in den Händen.

Ein sanftes Lächeln auf den Lippen von Celiné. Sie summt leise ein Lied. Die Nacht der Lichter schenkt ein neues Gefühl, ein „Taizé-Gefühl.“ Und auch Martha Gottschalk freut sich über den Abend: „Den Menschen das Geschenk zu machen, dass sie einfach da sein dürfen und vertraut sind mit den Gesängen und Meditationen aus Taizé, das ist uns an diesem Abend gelungen.“

Barbara Alfing/af, Kirchenzeitung Nr. 47 vom 24. November 2013