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Beständig trotz vieler Wandlungen

Vor 450 Jahren wurde das Eichstätter Priesterseminar Collegium Willibaldinum gegründet

Das Eichstätter Priesterseminar begeht dieses Jahr die 450. Wiederkehr seiner Gründung. Seine lange Geschichte zeigt, dass Priestermangel nicht nur eine Erscheinung unserer heutigen Zeit ist, sondern immer wieder in der Geschichte der Kirche auftritt. So sank zum Beispiel Mitte des 16. Jahrhunderts die Zahl der Weihekandidaten im Bistum Eichstätt auf ein Siebtel der sonst üblichen. Gründe hierfür waren unter anderem die antiklerikale Propaganda und die gesunkene Moral im Klerus. Abhilfe wurde zum einen durch die Reformation und zum anderen durch das Zaudern der Bischöfe verhindert. Bis sich das Konzil von Trient der Sache annahm und am 15. Juli 1563 das sogenannte Seminardekret verabschiedete.

Das Seminardekret

Dieses Konzilsdokument verpflichtet jeden Bischof in seiner Diözese eine „Pflanzstätte“ zu errichten. In diesem sollten auf Kosten der Diözese vor allem arme Knaben legitimer Geburt gemeinsam erzogen und zu Priestern ausgebildet werden. Bei ihrer Aufnahme mussten die Jungen mindestens zwölf Jahre alt sein. Finanziert werden sollte diese Einrichtung durch eine Abgabe, die auf alle kirchlichen Einkünfte, Ämter und Einrichtungen zu entrichten war. Ein Schwachpunkt dieses Dekrets war, dass für Weihekandidaten keine Pflicht zum Seminareintritt bestand.

Um in seinem Bistum den Priestermangel zu beheben, bemühte sich Bischof Eberhard von Hiernheim (1552-1560) um die Errichtung eines Jesuitenkollegs in Eichstätt. Vergeblich. So musste sein Nachfolger Martin von Schaumberg (1560-1590) vor seiner Wahl in den sogenannten Wahlkapitulationen versprechen, eine Schule zu gründen, um „leuth zu dem gaistlichen standt unnd ambt“ zu gewinnen. Als Bischof wollte er sein Versprechen in die Tat umsetzen, scheiterte jedoch bei der Finanzierung immer wieder am Domkapitel. Trotzdem begann Martin von Schaumberg im Herbst 1563 ein Seminargebäude zu errichten, das im Sommer fertig gestellt war. Mit der Weihe der kleinen Katharinenkirche, die unmittelbar neben dem neuen Seminarbau stand, am 26. November 1564 und dem Verlesen der Statuten des neu errichteten Seminars war das Collegium Willibaldinum, das Eichstätter Priesterseminar, offiziell gegründet.

Die Anfangszeit des Seminars war von Schwierigkeiten geprägt. Schwierigkeiten, geeignete Professoren zu gewinnen und zu halten, und vor allem wegen der schlechten finanziellen Ausstattung der Eichstätter Einrichtung – die Seminarabgabe war bei Klerus und Domkapitel sehr unbeliebt. Schließlich lehrte am Seminar weder ein Philosophie- noch ein Theologieprofessor. So war es 1602 mehr oder weniger eine Art Lateinschule für Eichstätter Bürgersöhne geworden.

Das Jesuitenkolleg

Der damalige Regens Georg Staphylus konnte Bischof Johann Christoph von Westerstetten (1613- 1637) für den Plan gewinnen, Jesuiten nach Eichstätt zu holen. Die ersten Angehörigen des Ordens zogen im April 1614 ins Seminar und übernahmen im Oktober jenes Jahres die Gebäude des Collegiums Willibaldinum. Doch lehnte der Orden die Übernahme des Seminars ab. 1624 erfolgte der Neubau des Jesuitenkollegs, wozu die Gebäude des Collegiums Willibaldinum zum Teil abgerissen, teils umgebaut wurden. Die Ausbildung der jungen Menschen an Jesuitenkollegen, die nach einer sechsjährigen Gymnasialzeit ein dreijähriges Fachstudium der Philosophie und Theologie vorsah, ließ aber den wesentlichen Gesichtspunkt des tridentinischen Seminardekrets außer Acht – das Seminar als Pflanzstätte eines diözesanen Klerus mit spezieller Vorbereitung auf die Pfarrseelsorge.

Daher ließ Bischof Johann Christoph von Westerstetten ab 1626 ein neues Seminar am Graben errichten. Dieses wurde, wie auch das Jesuitenkolleg, während des sogenannten Schwedenkriegs im Dreißigjährigen Krieg beim großen Stadtbrand vom 12. Februar 1634 in Schutt und Asche gelegt. Während das Jesuitenkolleg ab 1637 wiederhergestellt wurde, scheiterten die Versuche, das Seminar neu aus der Asche erstehen zu lassen. So kaufte Bischof Johann Anton Knebel von Katzenellenbogen (1704-1725) 1709 den Speth’schen Hof im Osten der Stadt und ließ ihn zum Seminar umbauen. Notwendig war die Maßnahme geworden, da das Jesuitenkolleg, das nach 1634 als eine Art Ersatzseminar fungierte, die Erwartungen, die die Bischöfe in es setzten, nur zum Teil erfüllte.

Das Seminar wurde 1783, zehn Jahre nach der päpstlichen Aufhebung des Jesuitenordens, feierlich in seine ursprünglichen Gebäude rückgeführt, doch den Unterricht hielten weiterhin mehrheitlich Ex-Jesuiten, denn für den Aufbau eines Seminars im Sinne des Tridentinums fehlten die finanziellen Mittel.

Zuflucht für Theologen

Die Wende kam in 19. Jahrhundert. Bischof Karl August von Reisach machte die Reorganisation des Seminars im Sinne des Trienter Seminardekrets zu seiner Sache. Zur Finanzierung des Seminars gründete er 1838 den Willibaldverein und im Herbst des Jahres konnte das Knabenseminar seine Pforten öffnen. Die Schule wurde bis 1842/43 zu einem Vollgymnasium ausgebaut und im November begannen die Vorlesungen am kirchlichen Lyceum.

Diese Bildungseinrichtung wurde Ende des 19. Jahrhunderts, vor allem während des sogenannten Kulturkampfes, zum Zufluchtsort für Theologiestudenten aus ganz Deutschland. Zwischen 1873 und 1900 besuchten insgesamt über 700 Priesteramtskandidaten aus ganz Deutschland das Eichstätter Lyceum, dazu kamen ab Mitte des Jahrhunderts noch 300 Theologiestudenten aus der Schweiz.

Auch während der Zeit des Nationalsozialismus strömten Priesteramtskandidaten und Ordensangehörige nach Eichstätt, um dort an der Hochschule zu studieren. Denn die Bischöfe Konrad Graf von Preysing und Michael Rackl stellten sich, soweit möglich, allen Versuchen staatlicher Einflussnahme auf ihre Hochschule entgegen. Deutlich macht dies die Zahl der Studenten, die von 314 im Sommersemester 1939 auf 598 im Wintersemester 1939/40 anwuchs. Danach wird die Zahl durch die Einberufungen zur Wehrmacht drastisch reduziert.

Bei der Vorbereitung des Jubiläums hat Regens Christoph Wölfle nicht nur eine tiefere Beziehung zum Haus und seiner Geschichte bekommen, sondern bei der Schau in die Geschichte wurden ihm die Stärken des Hauses „noch deutlicher“. Besonders schätzt er die Weite, „das über den eigenen Tellerrand schauen“ der Internationalität des Hauses im Laufe der Geschichte, Kulturkampf, Drittes Reich, Litauer, Koreaner, Inder und Kroaten und seit 1999 das Collegium Orientale. „Diese Weite finde ich sehr bereichernd“, unterstreicht Wölfle, der nicht ganz ohne Stolz darauf  hinweist, dass Eichstätt das einzige Seminar sei, dass seit dem Konzil von Trient bis heute durchgängig existiere.

Gespräch mit Regens

Noch drei wichtige Termine stünden im Jubiläumsjahr an: das Hauptfest am 11./12. Oktober, das Gedenken an den Gründungstag am 26. November und das Franz Xaver-Fest am 3. Dezember. Zudem werde eine Festschrift unter dem Titel „Wandlungen. Das Eichstätter Seminar 1564-2014 in den letzten 50 Jahren“ die Vielfalt und Buntheit des Hauses einfangen. Diese werde auch am zweiten Tag des Jubiläumshauptfestes, am 12. Oktober, in den angebotenen Workshops und Infoständen deutlich.

Wölfle hofft, dass möglichst viele Seminaristen, Priesteramtskandidaten, Priester, Angestellte, Freunde und Förderer, Eichstätter und Gläubige sowie Gäste an den Feierlichkeiten teilnehmen werden und damit die über Jahrhunderte gewachsene, beeindruckende Lebendigkeit des Eichstätter Priesterseminars zum Ausdruck bringen. „Wir haben 1.000 Einladungen rausgeschickt“, merkt er beiläufig an.

Im Gespräch zeigt er sich überzeugt, dass die Schau in die Geschichte auch Perspektiven für die Zukunft aufzeige und dass „bei der Erneuerung der Kirche den Priestern eine wichtige Rolle zukommt“. Die Idee der Priesterausbildung des Seminardekrets, dass die menschliche Bildung, die geistliche Vertiefung der Beziehung zu Jesus und das Gebetsleben sowie die wissenschaftliche und praktische Ausbildung unter einem Dach vereint, fasziniere ihn.

Sein Wunsch an das Jubiläumsjahr wäre, so Wölfle, dass das Bewusstsein, dass das Priesterseminar das Herz der Diözese ist, zunehme, dass die Gläubigen des Bistums mit uns verbunden sind und dass sie für uns und für geistliche Berufungen beten.“

Klaus Kreitmeir, Kirchenzeitung Nr. 25 vom 22. Juni 2014