Zum Inhalt springen

Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Wer hat nun den Willen des Vaters erfüllt?

Das Bild, mit dem Jesus im heutigen Text die Zuhörenden konfrontiert, ist in verschiedenster Hinsicht eine Provokation, die mitten aus dem Leben gegriffen ist. Sie beginnt mit einer Aussage, die für uns heute nichts Besonderes ist: Da ist ein Vater, der zu seinen Söhnen geht um sie um etwas ganz Konkretes zu bitten. Die Menschen zur Zeit Jesu haben sicher schon da erstaunt zugehört. Muss das nicht umgekehrt sein? Gehört es sich nicht, dass die Söhne zum Vater gehen? Was ist denn das für ein außergewöhnlicher Vater? Kann ich dessen Handeln ohne Probleme mit Gott in Verbindung setzen? Was Jesus hier als Eingangsworte benutzt, fordert sogleich zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Gottesbild heraus.

Das was sich nun anschließt, dürfte den Menschen damals wie heute sehr vertraut sein: zwei Kinder, die sich durch ganz unterschiedliche Verhaltensweisen auszeichnen. Der eine scheint der geborene Nein-Sager zu sein. Er lässt die Bitte des Vaters schlicht und einfach an sich abprallen. Da ist der andere, zuerst genannte, doch auf den ersten Blick sympathischer, der brav „Ja“ zu der an ihn herangetragenen Bitte sagt. Und wie ist das auf den zweiten Blick? Erinnert sie das an eigene Erfahrungen, zum Beispiel bei den eigenen Kindern oder auch bei sich selbst? Sie sagen „Ja, mache ich … Ja, ja, schon gut …“ und denken dabei „Ich habe meine Ruhe, alles Weitere findet sich.“ Und es wird nicht(s) getan Das „Ja“ ist sinnentleert.

Aber was ist dann mit dem Nein-Sager? Er hat möglicherweise gerade keine Lust; ist im Moment aus Prinzip dagegen, das Erbetene zu tun; antwortet spontan, ohne zu denken, aus dem Bauch heraus. Aber dann tut es ihm leid, eine solche Entscheidung getroffen zu haben. Wie viel Zeit dazwischen vergangen ist, sagt Jesus nicht, denn er weiß, dass diese für jeden Menschen sehr unterschiedlich sein kann. Worauf es ihm ankommt ist die Tatsache, dass hier jemand den Mut hat, eine als falsch erkannte Entscheidung zu korrigieren und ohne großes Aufhebens das Richtige zu tun.

Zwei Menschen, die als Beispiele für das Tun oder das Nicht-Tun des Glaubens stehen. Provozierend ist dabei, dass Jesus das für ihn entscheidende Tun bei denen verortet, die am Rand stehen und die, die sich unreflektiert für gerecht halten, als Nichts-Tuer entlarvt. Sie machen zwar viele schöne Worte, aber es fehlen die Taten. Ist damit nicht ein Verhalten beschrieben, das zum Beispiel über die Wichtigkeit spricht, Notleidenden zu helfen, aber bitte ohne mit ihnen in Berührung zu kommen oder sich gar die Finger schmutzig zu machen?

Entscheidungen, so macht Jesus mit diesem Bild deutlich, können und dürfen immer wieder korrigiert werden. Um dies zu tun, bedarf es des Mutes, sich selbst in seinen Schattenseiten zu begegnen und im Vertrauen auf Gott, der auf den Menschen zugeht, die notwendige Richtungsänderung, die Umkehr zu wagen. Wer dieses Wagnis eingeht und sich nicht hinter (Vor-)Urteilen aller Art verschanzt, verfällt nicht der Gefahr der Selbstgerechtigkeit, verdrängt das Dunkle in sich nicht, überhebt sich nicht über die anderen. Da wundert es dann auch nicht, dass Jesus denen, die „einen schlechten Ruf“ haben mehr zutraut, was einen Neuanfang betrifft, als denen, die sich in Selbstgerechtigkeit eingeschlossen haben.

Zu welcher Gruppe möchte ich von Jesus gerechnet werden?   

Barbara Bagorski, Kirchenzeitung vom 28. September 2014

Lesungen zum 26. Sonntag im Jahreskreis am 28. September 2014