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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Was wirklich zählt, kannst Du nicht kaufen

Zeichen sind so eine Sache. Das gilt auch für jenes, von dem Jesus spricht: den Jerusalemer Tempel abreißen, damit er ihn in drei Tagen wieder aufbauen kann. Dass bei dieser Aussage die Jünger erschrocken geschaut haben werden und die Umstehenden aufgebracht waren, kann niemanden verwundern. Verständlich wurde dieses Jesuswort erst nach dem Ostergeschehen, das der Welt einen neuen Maßstab und den Mut zu einem Neuanfang geschenkt hat.

Der Evangelist Johannes erzählt von einem Besuch im Tempel. Wahrscheinlich war Jesus schon mehrfach mit seinen Jüngern dort; doch diesmal ist alles anders als bisher. Der Anblick des Markttreibens lässt Jesus zornig werden. Er vertreibt die Händler und Kaufleute, die den Tempel in ein Kaufhaus verwandeln. Was bewegt ihn dazu? Jesus will mit seinem Handeln zeigen, dass auch das Gewohnte, das Bequeme und Praktische immer wieder einer kritischen Reflexion unterzogen werden muss, damit nicht Äußerlichkeiten den Blick für das Wesentliche verstellen. Der Tempel ist keine Markthalle, er ist ein Ort des Gebetes und der Begegnung mit Gott, ein Ort der Stille, ein Ort, an dem es ausschließlich um die persönliche und gemeinschaftliche Gottesbegegnung geht. Hier steht also nicht das Geschäft im Mittelpunkt, sondern hier geht es einzig und allein um die Sache Gottes.

Nun kann man sagen, diese Praxis, im Vorhof Opfertiere zu kaufen, Geld einzuwechseln und Handel zu treiben, die kennen wir nicht, die gehört der Vergangenheit an. Wörtlich verstanden kann man dieser Aussage zustimmen. Aber ist damit schon der ganze Sinn dieser Worte sichtbar geworden?

Da ist zum einen der klare Hinweis, dass das, was wirklich zählt, nicht gekauft und gehandelt werden kann. Vertrauen, Zuversicht, Mut, Hoffnung und so weiter sind nicht mit Geld aufzuwiegen. Sie sind und bleiben ein Geschenk. Gott ist kein Kaufmann, der für eine gewisse Frömmigkeitsübung, die dazu noch rein formell abgeleistet wird, eine vorher aus menschlicher Perspektive festgelegte oder ausgehandelte Gegenleistung zu erbringen hat. Ein solches Gottesverständnis hält von einer echten Gottesbegegnung ab, macht diese sogar unmöglich, da sie nicht auf Gott, sondern auf das Ego, auf falsche Sicherheiten, auf Äußerlichkeiten aller Art setzt.

Damit tritt die Frage nach dem Sinn des Lebens, der Bedeutung und dem Wert jedes einzelnen Lebens, wie immer es auch aussehen mag, neu in den Vordergrund. Jesus macht mit seinem Tun augenfällig deutlich, dass das Leben nicht an Äußerlichkeiten festgemacht werden kann. Sein Wert übersteigt jedes Abwiegen mit noch so vielen materiellen Bestrebungen, da diese von jetzt bis gleich verloren gehen können.

Mit seiner Reaktion auf das Treiben der Händler stößt Jesus schon bei den Umstehenden eine Reihe von Fragen an, die für ein Leben aus dem Glauben immer wieder neu beantwortet werden wollen: Welchen Platz hat Gott im Leben und im Tun? Geht es mehr um formelle Oberflächlichkeit oder um ein Wachsen in der Gottesbeziehung? Überwiegt die Trägheit, alles in den gewohnten Bahnen zu belassen oder der Mut, einen Neuanfang zu wagen?

Die Antworten sind nicht unbedingt schnell zu finden und das, was sie aufzeigen, ist nicht unbedingt leicht in den Alltag zu übersetzen. Aber das ist kein Grund um an der Oberfläche zu verharren. Jesus ruft dazu auf, das Leben aus der Tiefe des Glaubens heraus zu gestalten, aus der Begeisterung für Gott zu leben; aus einer Begeisterung, die ansteckend ist und Freiheit von allen Äußerlichkeiten schenkt.

Barbara Bagorski, Kirchenzeitung vom 9. November 2014

Lesungen zum 32. Sonntag im Jahreskreis am 9. November 2014