Staunen über die Liebeserklärung Gottes
Christliche Existenz kann nur darin bestehen, ein Leben lang über diese Liebeserklärung Gottes zu staunen.“ Mit diesen Worten kommentiert Klaus Berger das Evangelium des 4. Fastensonntages! Gemeint ist damit, dass Gott den Menschen seine Liebe nicht in erster Linie dadurch zeigt, dass er ihnen „ewiges Leben“ schenkt, sondern dass er seinen Sohn „gegeben“ hat. Der Sohn ist das Geschenk Gottes an die Menschen. Er ist das Argument für den Glauben an Gott. Er ist das Zeichen Gottes in der Welt. Gott kümmert sich so sehr um die Welt, dass er das Kostbarste, das er nach menschlichem Ermessen hat, gibt. Berger schreibt wörtlich: „Weder ein ohnmächtiger noch ein in die Welt verstrickter, kein leidender noch ein missverstanden ‘allmächtiger’ Gott begegnet uns hier, sondern ein Gott, der sich wie ein Liebender, ein Verliebter verhält, um der Welt willen den Sohn zu geben und zu riskieren. Das kann man nur Liebe nennen.“ Wie passend ist diese Botschaft für den Sonntag „Laetare“.
Und genau das ist auch die Brille, mit der wir das Wort vom Gericht lesen müssen. Nach Hans Urs von Balthasar gibt uns gerade dieses Evangelium „Gelegenheit, […] unsere Vorstellung vom göttlichen Gericht zu revidieren.“ „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat.“ (Joh 3,18) Wer Gottes Liebe zurückweist, der richtet sich selbst, denn Gott hat keinerlei Interesse, den Menschen zu richten. Die eigentliche Frage ist die, ob wir seine Liebe annehmen, so dass sie in uns wirksam und durch uns fruchtbar werden kann, oder ob wir uns lieber vor ihrem Licht in die Finsternis hinein verstecken.
Papst Benedikt XVI. hatte in seiner Enzyklika über die christliche Hoffnung denn auch das Gericht als „Lern- und Übungsort der Hoffnung“ bezeichnet. Das Bild des Letzten Gerichts sei zuallererst kein Schreckensbild, sondern ein Bild der Hoffnung und der Verantwortung: „Das Gericht Gottes ist Hoffnung sowohl weil es Gerechtigkeit wiewohl weil es Gnade ist. Wäre es bloß Gnade, die alles Irdische vergleichgültigt, würde uns Gott die Frage nach der Gerechtigkeit schuldig bleiben – die für uns entscheidende Frage an die Geschichte und an Gott selbst. Wäre es bloße Gerechtigkeit, würde es für uns alle am Ende nur Furcht sein können. Die Menschwerdung Gottes in Christus hat beides – Gericht und Gnade – so ineinandergefügt, dass Gerechtigkeit hergestellt wird“. (Spe salvi 47) Gott liebt diese Welt! Deswegen gibt er den Sohn! Der Glaube an ihn aber ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Entscheidung zwischen Leben und Tod – schon im Hier und Jetzt.
Vor diesem Hintergrund kommen die Worte, mit denen Benedikt XVI. in seiner ersten Predigt als Papst, die Gläubigen ermutigte, noch mehr zum Leuchten: „Wer Christus [in sein Leben] einlässt, dem geht nichts, nichts – gar nichts verloren von dem, was das Leben frei, schön und groß macht. Nein, erst in dieser Freundschaft öffnen sich die Türen des Lebens. Erst in dieser Freundschaft gehen überhaupt die großen Möglichkeiten des Menschseins auf. Erst in dieser Freundschaft erfahren wir, was schön und was befreiend ist. […] Christus […] nimmt nichts, und er gibt alles. Wer sich ihm gibt, der erhält alles hundertfach zurück.
Michael Wohner, Kirchenzeitung vom 15. März 2015