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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Heimsuchung

Eine Heimsuchung: Ist das nicht eher negativ besetzt? Als Unglück, als Prüfung? Die Heimsuchung des Evangeliums vom 4. Advent ist überaus positiv. „Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns heimsuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe“ – so wird der Priester Zacharias wenige Verse später dankbar Gott preisen für das, was er und seine Frau Elisabet durch den Besuch Marias erfahren durften.

Als Christusträgerin will sie nicht mutterseelenallein mit der göttlichen Zumutung fertig werden. Zwischen dem Mädchen aus Nazareth und der älteren Priesterfrau geschieht eine generationenübergreifende Begegnung. Die beiden Frauen sind empfänglich für das, was ihnen zugemutet wurde: die Unfruchtbarkeit Elisabets und die Empfänglichkeit Marias. Gott selber ist es, der durch seinen schöpferischen Geist einen neuen Anfang setzt. Es ist eine echte Frauengeschichte, die Männer bleiben außen vor Elisabet spürt geisterfüllt das Unerhörte: Die Mutter ihres Herrn kommt zu ihr. Und Maria spricht mit dem Glaubensbekenntnis Israels: „Meine Seele preist die Größe des Herrn!“

Ein Segen ist diese Heimsuchung! Dabei war der Weg kein leichter. Rund 100 Kilometer sind es von Nazareth, die „Maria übers Gebirge ging“. In diesem Weg erkennt sich das gläubige Volk wieder: „Maria durch ein  Dornwald ging“. Der Dornwald, das Gestrüpp unseres Alltags, unserer Welt mit all den verletzenden kleinen und großen Dornen, der Lieblosigkeit und Grausamkeit. Die Dornen der Beziehungslosigkeit, der dunklen Stunden und Zeiten, in denen wir orientierungslos sind. Der Blick auf Maria sagt: Das ist unsere Schwester, genau wie wir unterwegs im  Dornwald der Welt.

„Als das Kindlein durch den Wald getragen, da haben die Dornen Rosen getragen“ – wo wir, wie Maria, in den Dornwald der Welt hinein  Jesus bringen, da kann etwas zu blühen beginnen. Die Dornen bleiben, wo sie sind. Sie können sogar zur Dornenkrone werden, wie es Maria unter dem Kreuz erfahren musste. „Selig, die geglaubt hat – an das aufstrahlende Licht aus der Höhe“. Mit dieser österlichen Weihnachtsbotschaft können wir allen Heimsuchungen des Lebens standhalten!

Generalvikar Dompropst Isidor Vollnhals, Kirchenzeitung vom 20./27. Dezember 2015

Lesungen zum 4. Adventssonntag am 20. Dezember 2015