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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Der Letzte macht das Licht aus!?

Mit nur zwei Versen und doch in so wuchtiger Weise beschreibt Markus das Ende der Zeit, die Umwälzung der Welt. Dass unsere Welt, so wie sie ist, nicht ewig ist, das sagt uns auch die Naturwissenschaft. Bis heute macht das vielen Menschen Angst. Dabei wird aber regelmäßig übersehen, dass alle Texte des Neuen Testaments über das Ende der Welt mit der Aussicht auf die erneuerte und sehr innige Gemeinschaft mit Christus enden. So auch das heutige Evangelium.

Mit dem Zusammenbruch der irdischen Ordnung wird das Ende von Raum und Zeit, das Ende alles Vorstellbaren eintreten. Doch dann kommt „der Menschensohn“, den die Leser des Evangeliums als den gekreuzigten und auferstandenen Messias kennen, „mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken“. Und dieses Kommen bedeutet eben nicht so sehr das Ende dieser Welt, als vielmehr den Anfang der zukünftigen. Mit keinem einzigen Wort ist hier vom Gericht die Rede.

Der Menschensohn lässt seine Auserwählten sammeln. Nur sie sind im Blick! Alles liegt daran, dass alle, die an Christus glauben und je geglaubt haben, mit ihm vereint sein werden. In dem Augenblick, in dem die Menschen nur noch schwarz sehen und das totale Chaos vor Augen haben werden, wird ihnen der Menschensohn als der aufgehen, bei dem die Welt allein Rettung und Heil findet.

Bis dahin jedoch ist nicht nur „heile Welt“ angesagt: Das Reich Gottes setzt sich in der Geschichte nicht in friedlicher Bürgerlichkeit und mit glänzendem Kulturfortschritt durch, sondern auch in vielen Katastrophen und furchtbaren Drangsalen. Und trotzdem braucht der Glaubende nicht zu verzagen. Christus selbst hat die Seinen durch seine Worte vor allen drohenden Gefahren gewappnet. Halten sie sich an ihn, werden sie nicht zugrunde gehen. Er gibt sein Wort: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.“

Darauf kommt es an und deswegen erteilt Jesus auch allem Fragen, aller Sucht nach „Zeichen“, die das Ende im Voraus verkünden könnten, eine klare Absage. Keine Verwirrung soll aufkommen in den Köpfen der Glaubenden, auch kein Rechnen und Zählen von Zeiten –all jene, die die Ankunft des Herrn auf bestimmte Zeit voraussagen wollten, erweisen sich als Schwärmer und Irrlehrer, nicht als wahre, nüchterne Jünger Christi: über das Wann weiß man nichts, aber über das Wer können die Christen sicher Auskunft geben. Denn den, der kommen und herrscherlich siegen wird, den kennen sie bereits. Und sie wissen, dass alle dazugehören werden, die sich an die Worte des Evangeliums halten.

Wenn die konkrete Zukunft auch „offen“ sein mag, am Ende der Geschichte wird es sein wie damals, als Jesus mit seinen Jüngern zusammen war. Dass das ewige Leben in der Gemeinschaft mit dem lebendigen und Leben spendenden Gott bestehen wird, der uns in Christus seine barmherzige Liebe gezeigt hat, das tröstet über alle Ängste hinweg.

Und so haben wir Glaubenden zwar keine Gewissheit, die dem auf Erden pilgernden Menschen nicht zusteht, aber doch echte christliche Hoffnung: Er, der „das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende“ (Offb 22,13) ist, wird am Ende kommen, nicht um das Licht auszumachen, sondern um uns heimzuholen in sein Licht.

Michael Wohner, Kirchenzeitung vom 15. November 2015

Lesungen zum 33. Sonntag im Jahreskreis am 15. November 2015