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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Der König aus dem Untergrund

Die Frage nach dem König scheint für  uns heute endgültig vorbei zu sein. Politisch ist schon längst anders entschieden. Träger dieses Titels, wenn es noch welche gibt, sind eher Zierfiguren bei festlichen Anlässen als Inhaber von Macht.

Doch die Frage des Pilatus hatte einen ganz anderen Hintergrund. Der Titel „König der Juden“ erinnert an König David, an siegreiche Schlachten, an Helden, an nationale Freiheit und Größe. Beim Einzug Jesu in Jerusalem war tatsächlich der Ruf vom kommenden Reich Davids zu vernehmen. Eines dürfte sicher sein: Der Name David und die Bezeichnung König der Juden waren mit hohen Erwartungen und Emotionen aufgeladen. Das dürfte dem Vertreter der Besatzungsmacht nicht gleichgültig gewesen sein. Er verbindet mit einem Mann, der in der Nachfolge Davids auftritt, religiöses und nationales Erwachen und damit einen möglichen Volksaufstand.

Nach dem Bericht scheint die Aussage „Ja, ich bin ein König“ (Joh 18,37) den römischen Statthalter tief getroffen zu haben, so dass er Sympathien für Jesus entwickelt und sich auf seine Seite stellt. Er geht sogar soweit, dass er diesen Titel am Kreuz Jesu  anbringen lässt. Als die Bezeichnung  „Gottes-Sohn“ fällt, erschrickt selbst der Vertreter einer Großmacht.
In diesen Tagen wird uns vor Augen geführt, wie ganz Europa, sogar die Weltmächte vor religiös motivierten Fanatikern erschrecken. Mit dem Mut zum Selbstmord zeigen diese, dass sie die Angst vor dem Tod verloren haben.

Eines sollte deutlich werden: Das Religiöse selbst in dieser grauenvollen Ausprägung ist  keine Bagatelle, ist vielmehr eine Macht, die Menschen zum Äußersten treibt und die mit  militärischen Mitteln nicht bezwungen wird.  

Mehr noch und ganz anders als von den Terroristen geht eine Macht von dem aus, der von sich sagt: „Ja, ich bin ein König“. Auch diese Macht sprengt alle Grenzen. Sie ist das bedingungslose Ja zu jedem Menschen, selbst wenn er nicht zum eigenen Volk oder zur eigenen Religion gehört. Sie schafft eine Atmosphäre, in der Menschen aufatmen, einander in Freiheit und Achtung begegnen, wo Freude und Heiterkeit und Tiefe und Ernst zugleich spürbar sind. Sie zieht die Massen an. Grund ist die absolute Wahrhaftigkeit und Echtheit Jesu, „der dazu in die Welt gekommen ist, um von der Wahrheit Zeugnis abzulegen“. Er ist der König, der Herr der Situation, selbst vor seinem Richter, noch mehr in dem Bereich eines jeden von uns,  in dem die Stimmungen, Überzeugungen und Antriebe ihren Sitz haben.

Wir dürfen an das Bekenntnis des Paulus  denken: „Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir“ (Gal 2,22). Christus hat von dem radikalen Eiferer Paulus Besitz ergriffen und ihn von seinem Ehrgeiz, seinem Fanatismus, von seinem Hass und seiner inneren Gefangenschaft befreit. Es ist so wunderbar und so schön, dass der Apostel alles, was ihm bisher wichtig war, für Mist hält. Es treibt ihn, dieses Wunderbare möglichst vielen Menschen zu vermitteln. Dahinter steht die Autorität Christi, die keine Unterwerfung fordert, vielmehr als göttlicher Funke das Ureigenste in einem weckt.

Wer sich davon leiten lässt, wird etwas von der Echtheit Jesu ausstrahlen, von seiner Einstellung, die jedem Menschen Raum zum Leben gibt. Wenn wir die Botschaft von Christus als dem König voll ausschöpfen, würde das Wort von Gott wieder Kraft gewinnen, Menschen anlocken, statt sie zu langweilen, dazu führen, anders zu denken und selbst den Tod nicht mehr zu fürchten.                    

P. Guido Kreppold OFMCap, Kirchenzeitung vom 22. November 2015

Lesungen zum Christkönigssonntag am 22. November 2015