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27.09.2023

Die Blicke schärfen: Gedanken zum Erntedankfest

Foto: Thomas Kempf, in: pfarrbriefservice.de

Zucchini und Äpfel, Getreideähren und Brot, Sonnenblumen und Weintrauben, Kürbisse und  Maiskolben – einmal im Jahr finden die reichen Gaben der Natur ihren Weg in unsere Kirchen. Der Altar ist an Erntedank prächtig mit all dem geschmückt, was die Natur uns Menschen zum Leben bereithält. In Breitenbrunn wird dieses Fest sogar mit farbenfrohen Prozessionen und Umzügen gefeiert. Überall sind die Menschen dankbar für die Schöpfung und die Gaben, die Jahr für Jahr geerntet werden konnten. Wir dürfen froh sein, dass bei uns die Versorgung mit Nahrungsmitteln gesichert ist. In Deutschland werden jährlich für über 200 Milliarden Euro Lebensmittel verkauft, und für die nächsten Jahre sind weitere Zuwächse zu erwarten. Wenn das kein Grund ist, dankbar und zufrieden zu sein!

In der katholischen Kirche können die Pfarrgemeinden am ersten Sonntag im Oktober das Erntedank feiern – sie müssen es nicht. Schließlich wissen wir auch: Immer wieder kommt es zu Ernteausfällen, Naturkatastrophen vermindern den landwirtschaftlichen Ertrag. Es gibt Regionen auf dieser Erde, in denen es kaum mehr etwas zu ernten gibt. Schließlich leidet jeder elfte Mensch an chronischem Hunger. Besonders die Kinder müssen darunter leiden. Und Hunger ist nicht ausschließlich ein Thema in Entwicklungsländern. Auch bei uns gibt es Ernährungsmangel. Jeder sechste Mensch in Deutschlands ist von Armut gefährdet. 960 Tafeln in unserem Land versuchen, die Not zu mildern. Doch der Bedarf steigt ständig, während immer weniger Personal und Lebensmittel zur Verfügung stehen. Sollten wir angesichts solcher Trends das Erntedank-Fest nicht lieber absagen?

All das Obst und Gemüse, die vielen bunten Gaben laden uns zumindest ein, innezuhalten und zu überlegen, wem wir all das zu verdanken haben. Sie machen uns deutlich, dass wir nicht alles selbst machen, hervorbringen und produzieren können. An Erntedank spüren wir vielleicht auch, dass wir Menschen immer wieder an unsere eigenen Grenzen stoßen. Gott, unser Schöpfer ist es, der uns Tag für Tag beschenkt. So wird uns bewusst, dass wir selbst dazu aufgerufen sind, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Ich kann mich wieder einmal fragen: Wie viel bin ich selbst bereit, für Lebensmittel auszugeben? Wo kaufe ich ein und worauf achte ich beim Einkauf? Werfe ich Lebensmittel weg? Gibt es Konsumartikel, auf die ich getrost verzichten könnte? Erhalten die Landwirte genug für Ihre Arbeit? Kann ich an einer bestimmten Stelle etwas gegen Armut und Hunger tun? Das Erntedankfest kann unsere Blicke schärfen. Vielleicht regen uns dabei farbenfrohe Altäre, fröhliche Lieder und dankbare Gebete mehr dazu an als ein Blick in trockene Zahlen und Statistiken.

Dekanatsreferent Christian Schrödl, Neumarkt/Habsberg