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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Welches Bild haben wir von Jesus?

Irgendwie überfällt mich immer ein eigen- artiges Gefühl, wenn ich dieses Evangelium lese. Das Fleisch eines Menschen essen und  sein Blut trinken – das ist ein sehr befremdlicher Gedanke. Doch so wörtlich ist der Abschnitt aus dem Evangelium nicht zu nehmen.

Der griechische Begriff „sarks“ bezeichnet Jesus als einen vergänglichen und sterblichen Menschen. In diesem Sinn taucht der Begriff auch schon zu Beginn des Johannesevangeliums auf, wenn es heißt „Das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14). Gott ist Fleisch geworden, Gott ist in Jesus ein Mensch mit Haut  und Haar, mit Stärken und Schwächen geworden, ein Mensch, der geboren wurde und damit sterblich ist. Wer dies nicht im Glauben annimmt, der hat keinen Anteil an Gott.

Für ein solch gewaltiges Unternehmen braucht es einen drastischen Ausdruck. Ein Gott, der sich in Fleisch und Blut zu erkennen gibt, das ist ein Skandal, das ist schwer auszuhalten. Es ist die Inkarnation, die nicht nur den anderen nicht-christlichen Religionen  Probleme bereitet, sondern im Grunde auch  uns Christen.

Welches Bild haben wir von Jesus, dem Christus? Ist er nicht immer wieder der erhöhte und unerreichbare Kyrios? Ja, das ist er tatsächlich. Aber vielleicht anders, als wir ihn uns wünschen und denken. Denn Jesus zeichnet sich vor allem darin aus, dass er die menschlichen Gegebenheiten bis ins Letzte hinein erfahren und angenommen hat. Er hat Krankheiten geheilt, ist Armen begegnet, hat mit Sündern gespeist, ist selbst in Versuchung geraten, war zu Fuß unterwegs, hatte Durst und Hunger, ist abgelehnt worden, hat sich mit jüdischen Religionsvertretern gestritten, ist verraten worden und am Ende elend am Kreuz gestorben.

Dies alles gehört zum menschlichen Leben Jesu. Dies alles hat der Menschensohn am  eigenen Leib erfahren. Dies alles gibt seiner Gestalt Fleisch und Blut, beschäftigt uns über Jahrtausende hinweg.

Es ist aber noch etwas anderes, was Jesus auszeichnet. Er hat mit einer Leidenschaft  und Liebe von Gott gesprochen, dass seine  Zuhörerinnen und Zuhörer im Innersten an- gerührt waren. In allem also, in seinem Leiden und seiner Liebe, hat Jesus mit Fleisch und  Blut gehandelt. Die Evangelien berichten nichts von einem Zögern oder einem Zurückweichen Jesu vor seiner Aufgabe. Höchstens von einem Ringen mit seiner Berufung und auch dieses Ringen ist direkt und kräftig, hat also Fleisch und Blut.

Es ist dieses ganze Ja zum Leben und zum Willen des Vaters, das Jesus kennzeichnet. Und irgendwie bewegt uns doch alle die Sehnsucht, nicht halbherzig und lauwarm zu leben, sondern ganz und gar, mit Haut und Haar, mit Fleisch und Blut. Zu dieser Ganzheit, dieser Ganzheitlichkeit zu finden, dazu lädt uns das Sonntagsevangelium ein. Christsein geht nicht mit halber Miete. Gott ist in Jesus kein „Halbgott“ geworden, sondern er ist ganz Mensch geworden. Auch wir sind aufgefordert ganz Mensch zu sein und unser Menschsein ganz anzunehmen. Nur in dieser Ganzheit wird  die Frohe Botschaft wirksam und verständlich für andere. Die Mühe, mit ganzer Kraft und vollem Engagement zu handeln, wird mit  einer großen Verheißung belohnt: dem Ewigen Leben.

Dr. Bettina-Sophia Karwath, Kirchenzeitung vom 16. August 2015

Lesungen zum 20. Sonntag im Jahreskreis am 16. August 2015