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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Sein Reich überdauert die Zeiten

Als anlässlich des Heiligen Jahres 1925 Papst Pius XI. das Christkönigsfest einführte, mussten in mehreren Ländern Europas nur wenige Jahre zuvor uralte Dynastien, so auch in Deutschland, Österreich und Russland, abdanken. Mit König Ludwig III. ging 1918 auch in Bayern die Regentschaft der Wittelsbacher nach 738 Jahren zu Ende. Nach dem Ersten Weltkrieg schien die Welt aus den Fugen zu geraten. In dieser verworrenen Lage versuchte die Kirche Orientierung zu geben. Reiche und Herrscher kommen und gehen. Nicht so das Königtum Jesu Christi. Sein Reich überdauert die Zeiten. Die Einführung des Christkönigsfestes war kein Akt der Nostalgie. Es ging dem Papst nicht um die Aufwertung der Monarchie als Regierungsform, erst recht nicht um einen politischen Herrschaftsanspruch der Kirche.

Der Erlöser am Kreuz wurde in der Kunst des hohen Mittelalters mit der Königskrone auf dem Haupt dargestellt. Christus hat jedoch nie eine andere Krone getragen als die Dornenkrone. Das Neue Testament nennt Jesus mehrere Male König, insbesondere in der Passionsgeschichte. „Bist du der König der Juden?“, will der römische Statthalter Pilatus von Jesus wissen. Jesus antwortet: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt.“

Am Christkönigssonntag hören wir das Evangelium vom Weltgericht. Als König, Hirt und Richter wird der Menschensohn alle Völker zusammenrufen. Er wird die Menschen voneinander scheiden. Er wird richten über Gute und Böse, über die, die Unrecht erlitten, und über jene, die Unrecht getan haben. Der Weltenrichter wird nach nichts anderem fragen als nach den Taten der barmherzigen Liebe. Nur diese werden zählen. Zu den Gerechten, die er in sein Reich einlädt, wird er sagen: „Als ich hungrig war, habt ihr mir zu essen gegeben. Als ich Durst hatte, habt ihr mir zu trinken gegeben. Als ich obdachlos war, habt ihr mich aufgenommen. Als ich nackt war, habt ihr mir Kleidung gegeben. Als ich krank war, habt ihr mich besucht. Als ich im Gefängnis war, seid ihr zu mir gekommen.“ Und er wird erklären: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder oder eine meiner geringsten Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan.“ Das Evangelium sagt sehr klar: Der Maßstab im Gericht wird die Liebe sein. Das letzte Beurteilungskriterium des Menschensohnes ist das barmherzige Handeln. Das, was für Jesus allein zählt, sind die auf Erden vollbrachten Liebestaten im Kleinen und im Großen. Sie sind der Schlüssel zum Himmelreich.

Das Reich Jesu Christi ist nicht von dieser Welt, aber es ist in dieser Welt. Es existiert überall dort, wo Menschen in der Nachfolge Jesu das tun, was Jesus im heutigen Evangelium von uns fordert. Der Menschensohn steht auf der Seite der Armen, der Schwachen, der Heimatlosen, der Kranken und Leidenden. Zu uns kommen zur Zeit Tausende von Menschen als Flüchtlinge und Asylsuchende. Wir dürfen Herz und Hände ihnen gegenüber nicht verschließen. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick sagte unlängst: „Die Schicksale der Menschen, die in ihrer Heimat bedroht sind und die bei uns Zuflucht suchen, dürfen uns nicht kalt lassen.“

Msgr. Herbert Lang, Kirchenzeitung vom 23. November 2014

Lesungen zum letzten Sonntag im Jahreskreis, Christkönigsfest, am 23. November 2014