Zum Inhalt springen

Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Mit Haut und Haar auf Jesus einlassen

Um 1418 erscheint ein Buch, das zu den meistgelesenen der Literatur des Geistlichen Lebens gehört, es ist das Werk „Nachfolge Christi“, das dem Autor Thomas von Kempen zugeordnet wird. Er hat es, inspiriert von der Mystik Meister Eckharts, als ein Andachtsbuch zur Einübung in die christliche Lebensweise geschrieben. Viele Generationen von Gläubigen hat dieses Buch geprägt und auch heute noch liegt es immer wieder in Neuauflage auf den geistlichen Büchertischen der Buchhandlungen.

Die „Nachfolge Christi“ von Thomas von Kempen legt das ganze Gewicht auf eine bedingungslose Hingabe an Gott. durch die Nachahmung des Lebens Jesu. Dieser Weg führt allerdings bei Kempen über eine Entsagung von der vergänglichen Welt. Das Heil liegt nicht im weltlichen Erfolg, in der Anerkennung durch andere, im geistlichen oder materiellen Selbstgefühl, sondern in der innigen Beziehung zu Jesus Christus. Denn er ist der einzige Rettungsanker für die menschliche Seele.

Eine extreme Sichtweise? Von extremen religiösen Lehren und religiös begründeten Absolutheitsansprüchen haben wir doch gerade in unseren Tagen genug! Ein Anspruch im Namen der Religion auf Kosten von Leib und Leben nach den Anschlägen in Paris weder zu verstehen noch zu vertreten.

Aber nicht nur das altehrwürdige Büchlein der Nachfolge Jesu, sondern auch das heutige Sonntagsevangelium berichten von so einer extremen Radikalität. Jesus beruft die Jünger Simon und Andreas, Jakobus und Johannes.

Und sie lassen alles stehen und liegen, kümmern sich nicht mehr um ihre Geschäfte und Familien und folgen Jesus nach.

Wie können wir diese Botschaft für uns selber und öffentlich vertreten? Ich denke: Wir müssen genau dies lernen. Ja! Wichtig ist zunächst die Einsicht, dass Jesus das weltliche Leben, Beruf, Familie, Staat, Gemeinschaft gerade nicht ablehnt! Es geht ihm nicht darum, einen überhöhten Glauben zu praktizieren, der uns entfremdet vom Leben. Als sei die Welt schlecht und der Glaube an Gott befreie uns von der schlechten Welt. Nein, Jesus und seinem Evangelium für uns geht es um eine totale Weltbejahung, um eine Inkarnation ersten Ranges. Denn Gott selbst ist ja Mensch geworden in dieser Welt. Warum also sollten wir sie ablehnen? Worauf es aber ankommt in der Nachfolge Jesu, das ist das rechte Verhältnis von Gott und Welt. Gott erschafft, der Mensch pflegt und ordnet das Geschaffene.

Das ist auch das Anliegen des Mystikers Thomas von Kempen: Wer sich mit Haut und Haar auf Jesus einlässt, wer diesem Jesus nichts vorzieht, weder Karriere noch Familie, der hat auch ein rechtes Verhältnis zur Welt. Denn Jesus lädt seine Jünger nicht ein, die Welt hinter sich zu lassen. Sondern er lädt dazu ein, alles in ihrem Leben in eine absolute Beziehung zu Gott zu setzen. Diese Beziehung, die rückt alles andere ins rechte Lot.

Es geht nicht um die richtige Berufung oder Nachfolge, sondern es geht schlicht und einfach um Gott selbst. Wer sich auf Gott einlässt, dem erst wird die Welt mit ihrer Arbeit, ihrer Not, ihrer Verwundbarkeit zu einem Raum, in dem es sich wahrhaft leben lässt – mit Jesus, der gelehrt, geheilt, gelitten hat der gestorben ist und – welch ein Wunder: Er lebt in unserer Mitte.

Dr. Bettina-Sophia Karwath, Kirchenzeitung vom 25. Januar 2015

Lesungen zum 3. Sonntag im Jahreskreis am 25. Januar 2015