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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Familienrealität

Das Evangelium vom 12-jährigen Jesus im Tempel oder der Familienwallfahrt nach Jerusalem wird zum Fest der Heiligen Familie verkündigt. Bei Reden oder auch Predigten über die heilige Familie wird gerne ein Idealbild gezeichnet, das mit der Realität der Familie nicht mehr viel oder gar nichts mehr zu tun hat. Von daher ist es nicht verwunderlich, wenn der Zuhörer geistig abschaltet und „zumacht“.

Wenn wir dieses Evangelium etwas genauer anschauen, dann ist darin kein Idealzustand und keine romantische Familienidylle zu finden. Die sogenannte Heilige Familie war eine Familie in der realen, konkreten und alltäglichen Lebens-wirklichkeit. Das heißt: Das sogenannte verborgene Leben Jesu war keine Idylle, sondern ein sehr alltägliches Leben, das Leben in einer  Handwerkerfamilie, das in der damaligen Zeit und Gesellschaftssituation sicher nicht ganz einfach war. Jesus ist – als wahrer Mensch – hineingeboren in die Realität einer menschlichen Familie. Dazu gehört die  Erfahrung von Geborgenheit und Annahme, aber auch von Spannung und Enttäuschung. Dazu gehört die Erfahrung, was Zusammenleben auf engstem Raum und unter einfachsten Verhältnissen bedeutet. Dazu gehört auch das Aushalten und Erleiden von Not und Mangel, von Einschränkung und Entbehrung aber auch die wohltuende Erfahrung, was Liebe, Zusammenhalt, Solidarität und menschliche Anteilnahme besonders in schweren Stunden bedeuten.

Wir schauen mit einem realistischen Blick am Fest der Heiligen Familie auf unsere Familien und sollten dabei Gott danken für alle heiligen und weniger heiligen Alltagsfamilien heute. Trotz vieler negativer Beispiele sollten wir nicht übersehen: Es gibt auch viele gelingende Ehen und Familien, von denen unsere Gesellschaft lebt. Wir dürfen heute feiern, dass Gottes Gnade und Segen wirken, und zwar dergestalt, dass Männer und Frauen in der Ehe leben und zusammenhalten, dass sie Kindern das Leben schenken und sie ins Leben hinein begleiten durch eine fürsorgliche Erziehung, dass jüngere und ältere Familienmitglieder füreinander da sind und füreinander sorgen. Wir dürfen feiern und danken für Gottes Gnade im alltäglichen Familien-Leben.    

Domdekan Willibald Harrer, Kirchenzeitung vom 20./27. Dezember 2015

Lesungen zum Fest der heiligen Familie am 27. Dezember 2015