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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Die Speisung der Fünftausend

Das Evangelium des heutigen Sonntags berührt mich in zweierlei Weise. Da ist zunächst die Sorge Jesu um den Hunger der Menschen. Wie schön ist die Empfindung Jesu. Er sorgt sich um die ganz alltäglichen Bedürfnisse der Menschen, die seinen Worten lauschen. In unseren Tagen ist es sein Stellvertreter, Papst Franziskus, der sich Sorgen macht um die Armen, um die Hungernden, um die Ausgegrenzten. Dafür erntet unser Papst nicht nur Beifall, manche kritisieren sein „einseitiges“ Engagement für die Armen. Im Evangelium geht es aber nicht nur um die Armen, sondern darum, den Anderen überhaupt so persönlich in den Blick zu nehmen, dass mich seine Bedürftigkeit angeht. Das ist doch genau die Botschaft von Papst Franziskus für unsere Kirche.

Bei aller Verkündigung der guten Worte, der Frohen Botschaft, bei allem Eifer für gute Hilfsorganisationen muss es uns um die persönliche Beziehung gehen, um die aktuelle Situation unserer Mitmenschen. Der Glaube, den die Kirche meint, ist immer der Glaube und die Glaubenspraxis Jesu. Seine Beziehung zum Vater drückt sich immer aus in seiner Begegnung mit den realen Umständen seiner Mitmenschen. Die Spiritualität Jesu vertröstet nicht, sondern ist immer konkrete Hilfe von Angesicht zu Angesicht, gerade in Situationen seelischer und leiblicher Bedürftigkeit. Deshalb darf sich unsere ehrenamtliche und hauptamtliche Seelsorge nicht erschöpfen in wortreichen Darstellungen, sondern muss Beziehung werden in allen Situationen seelischer und leiblicher Bedürftigkeit. Dafür ist Gott Mensch geworden! Das Prinzip jesuanischer Seelsorge und deshalb der kirchlichen Seelsorge bleibt die Liebe Gottes zu Menschen.

Allerdings zeigt uns das Evangelium der „wunderbaren Speisung der Fünftausend“ bereits auch die Kippsituation solch leibhaftiger Seelsorge auf. Die Leute wissen gar nicht um den Hunger und Durst ihrer Seelen. Verkündigung, geistige Aufklärung, Seelsorge im Wortsinn könnte sich sogar Jesus sparen. Die Leute sind sehr zufrieden mit ihm, bieten ihm sogar die Ausrufung zum König an, wenn nur der Magen oder auch bloß der Geldbeutel künftig so voll werden, wie im Moment dieser wunderbaren Speisung. Jetzt ist nämlich gar nicht klar, was die Leute von Jesus wollen. Nach der gnadenhaft gegebenen Sattheit rennen sie Jesus buchstäblich hinterher. Sie wollen Brot für immer haben, die Botschaft vom Reich Gottes ist ihnen durchaus entbehrlich. Da bringt sich Jesus in Sicherheit. Die Leute rennen ihm weiter nach. Und Jesus versteht das. Jesus sieht, sie sind wie Schafe ohne Hirten. Sie wissen gar nicht, was ihnen eigentlich fehlt – nicht Brot, sondern Einsicht, Liebe, Geist, ein Wissen um das Letzte, um Gott.

Mich bedrängt die Situation unsere Kirche. Genügt nicht auch uns als Gemeinde, dass die Haupt- und Ehrenamtlichen für einen guten Zusammenhalt, für Abwechslung und Information sorgen? Entbehren wir in unserem Gemeindealltag den Glauben tatsächlich? Auch mit uns hat Jesus Mitleid. Er will uns zeigen, wie Glauben geht. Ist das nicht tröstlich?

Dr. Bettina-Sophia Karwath, Kirchenzeitung vom 26. Juli 2015

Lesungen zum 17. Sonntag im Jahreskreis am 26. Juli 2015