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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Die Hochzeit Gottes

Wenn wir alles zusammenrechnen, was der Hochzeitsgesellschaft von Kana aufgetischt wird, dann sind in den sechs steinernen Krügen 600 Liter Wein, dazu noch vom Allerbesten und das gegen Ende der Feier. Nehmen wir das ganze Dorf, das eingeladen ist, dann kommen wir womöglich auf 200 Gäste. Dann würden für jeden drei Liter treffen. Sollte hier noch ein üppiges Trinkgelage stattfinden?

Der Schriftsteller meint alles andere als das. Es geht um mehr als um das Gelingen eines Festes. Am Ende ist von der Herrlichkeit die Rede, die Jesus offenbart. Das erste Wunder ist ein Bild für alles, was mit seinem Wirken geschieht. Es eröffnet das Auftreten Jesu als die große Hochzeit Gottes mit den Menschen.

Am Weihnachtstag hörten wir „Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade“ (Joh 1, 16). Bei dem Wort Gnade dürfen wir an eine Atmosphäre denken, in der wir aufatmen können, wo der Druck, die Angst, die Aussichtslosigkeit abfallen, wo es uns leicht fällt, aufeinander zuzugehen.

Eine Frau erzählt, dass sie am Morgen nach ihrem Hochzeitstag voll Freude geweint habe. Das Glück kann so mächtig sein, dass man die Fassung verliert. Wenn im Evangelium von Gnade die Rede ist, stehen Ereignisse dahinter die Menschen im Grunde ihres Wesens erschüttert haben. Den Betroffenen stiegen auch die Tränen in die Augen. Dies dürfen wir annehmen.

Denken wir an das zweite Wunder in Kana, an den Vater, dessen Sohn knapp dem Tod entgeht (Joh 4,43-54), an den Blinden, der zum  ersten Mal in das Licht und in die Gesichter  von Menschen schaut (Joh 9,1-7) und an die  vielen anderen, die die Nähe Jesu erfahren.
Wir dürfen glauben, dass es Jesus um das Glück der Menschen geht, weit über die gewöhnlichen Vorstellungen hinaus. Über alle Begebenheiten, die von Jesus berichtet werden, könnte man das Wort von der Gnade und von der Herrlichkeit schreiben. Immer geht es um die Wandlung einer aussichtslosen und verfahrenen Situation, um neuen Lebensmut, um neue Perspektiven.

Wenn zwei Menschen jeweils im andern  die Schönheit und Kostbarkeit des Lebens entdecken, dann hat deren Geschichte einen Höhe- punkt erreicht. Ähnlich ist es, wenn wir von Gott berührt werden. Das ganze Wesen kommt in Bewegung bis zu einer Wandlung in der Tiefe des Herzens. Ein Bild dafür ist, dass Wasser zu Wein wird. Darunter können wir Zustände verstehen, in denen wir einsam und leer oder froh und zufrieden sind. Zudem fällt auf, dass das Wunder ohne Worte und ohne Gesten geschieht. Es ist ein Hinweis auf die Art, wie sich Wandlung in unseren Herzen vollzieht, ganz im Stillen, in dichten Schweigeminuten eines Gesprächs, in der Vertiefung der Meditation oder in den Träumen der Nacht. Hier erwachen neue Einsichten, neue Kräfte, neuer Mut, ein neuer Mensch, den es zu feiern gilt.

P. Guido Kreppold, OFMCap, Kirchenzeitung vom 17. Januar 2016

Lesungen zum 2. Sonntag im Jahreskreis am 17. Januar 2016