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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Christsein bedeutet, nie aufzuhören, anzufangen!

Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes“ – mit diesen Worten beginnt das Evangelium des zweiten Adventssonntages; mit diesen Worten beginnt das ganze Markusevangelium. Dabei lässt sich diese Aussage aber als weit mehr verstehen, als nur ein einführender Satz, als eine Art Überschrift für das gesamte Evangelium oder gar nur die ersten Verse, die von der Predigt- und Tauftätigkeit Johannes des Täufers, dem Boten und Wegbereiter Jesu, zeugen.

„Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes“ will sagen: Hier fängt etwas ganz Neues an, etwas Großes, etwas Ungeheures: „Neuer Bund“ und „Neues Testament“! Johannes der Täufer tritt auf, um die Ankunft eines Anderen, eines Größeren, eines Stärkeren anzukündigen. Das „Evangelium“, die Frohe Botschaft ist es, dass Gott selbst in diese Welt kommt, um die Sehnsucht der Menschen nach Heil zu stillen.

Mit „Evangelium“ ist also letztlich nicht ein Buch gemeint, das von Jesus Christus erzählt, sondern die Frohe Botschaft ist die Person Jesu selbst. Sein Kommen markiert einen (Neu-) Anfang in der Schöpfung, so gewaltig, wie es keinen anderen gab, seit Gott im Anfang Himmel und Erde erschaffen hatte. Nicht Vergangenes wird hier erzählt, sondern jeder, der diese Botschaft hört, darf und soll sich je neu mitreißen lassen in die Geschichte Gottes mit uns Menschen hinein.

„Am Anfang des Christseins steht nicht ein ethischer Entschluss oder eine große Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt“, schrieb Papst Benedikt XVI. in seiner ersten Enzyklika „Deus caritas est“. Lebendige Begegnung mit Jesus Christus, darauf kommt es in unserem Leben an, jeden Tag neu. In keinem der vier Evangelien jedoch kommt man zu Jesus Christus, ohne zuerst auf den strengen Täufer und Prediger der Buße zu stoßen, dessen Botschaft bei allem Ernst und aller Strenge aber doch die Hoffnung ist – Hoffnung auf die Vergebung der Sünden, auf Angenommensein und Gemeinschaft. Doch dazu ist Umkehr nötig, Neuanfang, nicht nur einmal, sondern immer wieder!

Bernhard Meuser schreibt in seinem Buch Christsein für Einsteiger: „Das Schöne am christlichen Glauben ist, dass alle Anfänger sind, besser gesagt: die klassenlose Gesellschaft derer, mit denen Gott etwas anfangen möchte.“ Selbst wenn wir Menschen uns den Weg zu Gott verbauen – er schenkt den Anfang, er schenkt den Neuanfang! Mit der Schöpfung hat er den ersten Anfang, in seiner Menschwerdung hat er den Neuanfang gesetzt. Und er ermöglicht auch jedem einzelnen Menschen, sich (immer wieder neu) mit einem Anfang beschenken zu lassen. Am Beginn des Glaubens einmalig und unwiderruflich im Sakrament der Taufe, während unseres Glaubenslebens immer wieder neu im Sakrament der Versöhnung – eben weil er, Gott, mit uns etwas anfangen möchte!

„Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes“! Anfang und Neuanfang unserer Beziehung zu ihm und mit ihm – immer wieder neu! Und genau deswegen bedeutet Advent und Weihnachten, bedeutet christlicher Glaube, bedeutet Christsein nicht Wiederholung des immer Gleichen, sondern nichts anderes als nie aufzuhören, anzufangen!

Michael Wohner, Kirchenzeitung vom 7. Dezember 2014

Lesungen zum zweiten Adventssonntag am 7. Dezember 2014