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Der Esel entschleunigt

Ich arbeite in der Regens-Wagner-Stiftung Absberg. Für die Menschen, mit denen wir arbeiten, haben wir Therapie-Esel. Wenn wir bei Bibelwanderungen mit unseren Eseln unterwegs sind, dann darf ich die Erfahrung machen, wie wohltuend es ist, wenn der Esel den Takt meiner Schritte und meines Gehens angibt.

Ein Esel verlangt von seinem Gegenüber Reife, Achtung und Respekt. Es nützt nichts, an einem Esel zu ziehen und zu zerren, wenn er auf dem Weg stehen bleibt. Wie angewurzelt rührt er sich dann nicht von der Stelle und stemmt sich dagegen. Nicht Gewalt, sondern Geduld, Zeit, ruhige und konsequente Zuwendung helfen weiter.

In einer Zeit der Schnell-Lebigkeit hilft es mir, mich immer wieder an meine Erfahrungen mit den Eseln zu erinnern. Wie würde ich jetzt mit unseren Eseln umgehen, frage ich mich ab und zu, wenn alles zu viel wird. Und ich erinnere mich: geduldig sein, das richtige Tempo finden, Respekt haben, nicht ziehen und zerren.

Manchmal habe ich dann ein Gebet auf den Lippen:

Lass mich langsamer gehen, Gott,
meinen Rhythmus finden,
meinen Herzschlag wahrnehmen,
in meinem Tempo unterwegs sein.

Lass mich langsamer gehen, Gott,
und auf die vielen kleinen Dinge achten:
ein Lächeln, ein Sonnenstrahl, ein Augenblick des Innehaltens.

Lass mich langsamer gehen, Gott,
neu erkennen, worauf es ankommt:
die Fülle des Jetzt zu schmecken.

Lass mich langsamer gehen, Gott,
aufatmen und durchatmen
Deinen Geist, der mich durchströmt
und neues Leben schenkt.

Text: Sr. Elisabeth Kroher, Dillinger Franziskanerinnen

Erscheinungsdatum: 29. August 2012