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Im Wortlaut

Schreiben des Bischofs von Eichstätt, Gregor Maria Hanke OSB, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 1. Februar 2022

Liebe ehrenamtlich Tätigen in den Kirchenverwaltungen, Verbänden und Pfarrgemeinderäten,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der kirchlichen Verwaltung,
liebe Lehrerinnen und Lehrer an kirchlichen Schulen, liebe Religionslehrkräfte,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Seelsorge,
lieber Mitbrüder im priesterlichen und diakonalen Dienst!

Vor kurzem wurde das Gutachten zu sexuellem Missbrauch im Erzbistum München und Freising veröffentlicht, das die seit 1945 meist bereits bekannten Fälle aufarbeitete.

Der Bericht hat innerkirchlich und in der Gesellschaft große Erschütterungen ausgelöst. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bistums, Priester, Diakone, Pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Lehrerinnen und Lehrer und die vielen Menschen in einem kirchlichen Ehrenamt sehen sich mit Kritik im Bekanntenkreis und in der Öffentlichkeit konfrontiert. Viele unter uns sind selbst tief betroffen vom Ergebnis der Studie und von den medialen Reaktionen. Wir fragen uns, wie konnte es geschehen, dass Priester ihre geistliche Autorität missbrauchten und solch brutale Taten begingen, durch die sie sich am Leben schutzbedürftiger und schwacher Menschen schuldig machten. Warum haben die Verantwortungsträger oftmals so mild reagiert oder weggeschaut, warum haben Gläubige, die um diese Taten wussten oder sie auch nur ahnten, nicht reagiert? Warum sind die Betroffenen lange Zeit nicht in den Mittelpunkt der Aufarbeitung gestellt worden? Die Kirche hat doch im Geist des Evangeliums Partei für die Schwachen und Verwundeten zu ergreifen.

Als Kirche müssen wir uns diesem schrecklichen Versagen stellen und das große Leid und die Verwundungen der Opfer in den Blick nehmen. Deshalb gibt die Kirche selbst solche Gutachten in Auftrag. Die Verbrechen und die Vertuschung widersprechen dem Evangelium. Die befreiende Botschaft Jesu wird entstellt durch den Missbrauch des Amtes, das der Wahrheit, dem Heil der Menschen dienen sollte. Jesus selbst warnte vor den Dieben und Räubern, die sich in böser Absicht als Hirten ausgeben und in den Schafstall einschleichen.

Verhält es sich nicht wie bei der Umweltverschmutzung? Ein Betrieb, der giftige Abwässer in einen Fluss leitet, schadet dem ganzen Fluss und denen, die am Ufer wohnen. Einige Schornsteine, die giftige Emissionen ausstoßen, genügen bereits, um eine ganze Region zu verpesten. Auch wenn die große Mehrheit der Priester und Mitarbeiter in der Pastoral bemüht war, ihren Dienst gut zu verrichten, hat eine Minderheit durch ihr schändliches Tun Kindern, Jugendlichen und schutzbefohlenen Erwachsenen großen, bleibenden Schaden an Leib und Seele zugefügt und auf diese Weise eine geistige Umweltverschmutzung in der Kirche verursacht, deren Folgen und deren Aufarbeitung uns noch lange beschäftigen werden.

Um Dunkelecken in der Kirche zu vermeiden, braucht es die Atmosphäre eines transparenten Miteinanders, die von Respekt und Achtsamkeit getragen ist. Ich möchte exemplarisch einige Bausteine benennen. Präventionsordnung und Präventionsschulungen sind bleibend ein wichtiger Baustein. Gut umschriebene Kompetenzen und Pflichten im Miteinander gehören ebenfalls dazu. Wir brauchen persönlichkeitsbildende Schulungen in Fort- und Weiterbildung. Ferner muss es Raum geben für die offene Rede, dazu zähle ich auch ein definiertes Hinweisgebersystem, um bei ernsten Problemanzeigen der Spirale des Schweigens zu entgehen. Gerade für den Bereich des Ordinariates ist mir der letzte Aspekt seit langem ein Anliegen.

Vor allem aber brauchen wir wieder ein wachsendes Bewusstsein dafür, alle Glieder des einen Leibes Christi zu sein. Jede und jeder ist gleich wichtig und wertvoll. "Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit" (1 Kor 12, 26a). Das Priesteramt, das für die Kirche bedeutsam ist, darf nicht in falscher Weise überhöht werden. Der Priester ersetzt nicht Christus in der Kirche, er hat vielmehr durch seinen Dienst jenem Herrn zu dienen, dessen Leib die Kirche ist. Das Priesteramt ist somit auf die Gemeinschaft aller Glaubenden hingeordnet. Das trifft freilich auf jedwede Autorität in der Kirche zu.

Die Kostbarkeit und die Bedeutung der Botschaft Jesu für unser Leben bleiben. Dem hat Kirche, dem haben wir gemeinsam zu dienen. Stellen wir weniger uns selbst, sondern Jesu Person und seine Botschaft in die Mitte, dann haben wir Zukunft.

Ich danke Ihnen für Ihre Bereitschaft, der Frohen Botschaft zu dienen, sei es direkt im pastoralen und caritativen Bereich, sei es in den breit gefächerten Aufgaben unserer kirchlichen Verwaltung.

Ihr

+Gregor Maria Hanke OSB
Bischof von Eichstätt