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Im Wortlaut

Hirtenwort des Bischofs von Eichstätt, Gregor Maria Hanke OSB, zum 1. Fastensonntag, dem 21. Februar 2021

Liebe Schwestern und Brüder,

das Navigationsgerät im Auto oder eine entsprechende App auf dem Handy ist für uns eine Selbstverständlichkeit geworden. Bei Autofahrten oder auch zu Fuß geben sie uns Orientierung und lassen uns das gewünschte Ziel finden. In der österlichen Bußzeit, die mit dem Aschermittwoch begonnen hat, lädt uns die Kirche ein, unser geistliches Navi in den Blick zu nehmen. Die Wege unseres Lebens gilt es neu auszurichten auf die Person Christi und seine Botschaft. „Kehrt um, denn das Reich Gottes ist nahe!“, so rief Jesus zu Beginn seines Wirkens den Menschen zu. Das heißt: Schlagt den Weg Gottes ein, macht Ihn zu eurem Zielpunkt. In den Wochen der Vorbereitung auf Ostern stellt die Kirche diesen Ruf Jesu in den Mittelpunkt der Verkündigung.

Es ist gut, wenn man schwere Wege nicht alleine gehen muss, sondern dabei von einem Freund begleitet wird. Durch die herrschende Pandemie ist unser Leben umständlicher und schwieriger geworden. Ich möchte Ihnen, liebe Schwestern und Brüder, daher den heiligen Joseph, den Bräutigam Mariens und Nährvater Jesu, als Navigator, als Wegbegleiter durch die diesjährige österliche Bußzeit anempfehlen.

Unser Heiliger Vater Papst Franziskus hat am vergangenen 8. Dezember anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der Ausrufung des heiligen Joseph zum Schutzpatron der Kirche das Jahr 2021 zum Josephsjahr erklärt.1 Der heilige Joseph war von Gott berufen, Jesus als Ziehvater und Beschützer zu dienen. Seine hingebungsvolle Fürsorge für den menschgewordenen Gottessohn bewog die Kirche, Joseph zu ihrem Schutzpatron zu erwählen. Da die Kirche Papst Franziskus, Apostolisches Schreiben „Patris corde“ anlässlich des 150. Jahrestages der Erhebung des heiligen Josef zum Schutzpatron der ganzen Kirche, 8. Dezember 2020. Leib Christi ist, weiß sie sich in seinem liebevollen Dienst für den Sohn Gottes eingeschlossen. Jede und jeder von uns darf sich als Glied dieses Leibes der Obhut des heiligen Josephs anvertrauen. Joseph möge uns anleiten auf dem Weg zu Christus. Einst begleitete er den Weg des irdischen Jesus hinein in die menschliche Reifung und in die Sendung des himmlischen Vaters. Nun soll er uns Begleiter sein, damit wir Gottes Willen besser erkennen und verstehen, um zur Fülle des Menschseins nach dem Bild Christi heranzureifen (vgl. Eph 4). Darin vollzieht sich österliche Erneuerung.

Gottes Spuren im Leben entdecken

Über das Leben des heiligen Josephs berichten die Evangelien nur das Nötigste. Dennoch geben sie uns einen Einblick in seine Pläne und seine Persönlichkeit:

Joseph hat Maria liebgewonnen. Mit ihr verlobt er sich, mit ihr will er eine Familie gründen und sein Leben teilen. Doch soll diese Geschichte der Liebe zwischen beiden nicht nach Josephs Vorstellungen verlaufen.

Josephs Lebensplanung zerbricht, als er feststellen muss, dass seine Verlobte Maria schwanger geworden ist, ehe beide zusammengekommen waren. Er gerät in eine schwere Krise und entscheidet, sich ohne Vorwürfe und ganz still von Maria zu trennen. Bis er schließlich erkennt, dass sich auf den Scherben seiner Pläne eine viel größere Geschichte Gottes mit ihm spiegelt. Maria hat vom Heiligen Geist empfangen. Gott selbst ist am Werk in ihrer Beziehung. Gott lässt die Geschichte der Liebe zwischen Maria und Joseph in seine Geschichte des Heils für uns alle einmünden. Sie beide werden zum Weg der Liebe Gottes zu uns Menschen. Im Traum, in dem ihm ein Engel das Geschehene deutet, wird der geistliche Reifungsprozess Josephs offenbar. Die Erkenntnis des Wirkens Gottes schenkt Joseph in seiner Dunkelheit und Verzweiflung Licht. Nun ist er in der Lage, seine Wirklichkeit im Lichte Gottes neu zu sehen. Gott ist da! Seine Spuren lassen sich finden, gerade auch dort, wo Joseph es nicht vermutete.

Liebe Schwestern und Brüder, wir sehnen uns danach, glücklich zu sein. Diese Sehnsucht leitet uns in unserem Tun und Planen. Wir verbinden die Erfahrung von Gottes Nähe daher oft mit irdischem Glück und Wohlbefinden. Gott kann aber auch in den Dunkelheiten des Lebens, in den Grenzerfahrungen, in Krankheiten und Krisen zu uns sprechen. Die biblische Gestalt des heiligen Joseph macht uns Mut, in unserem Leben dort ebenfalls nach den kleinen und großen Spuren und Klopfzeichen Gottes zu suchen. Gott redet immer wieder zu uns, selbst in Erfahrungen von Trauer, Bitterkeit und Enttäuschung. Josephs Weg durch die Krise führt uns zur Frage: Wie deute ich mein Leben? Glaube ich, dass mein Leben von Gott erzählt, dass er mich auf vielfältige Weise anspricht, mir begegnet und gegenwärtig ist? Suche ich nach seinen Zeichen und Spuren gleich dem Kaufmann im Gleichnis Jesu, der nach wertvollen Perlen Ausschau hielt? Wo durfte ich Gottes Zeichen erkennen?

Hörer des Wortes werden

Das Evangelium zeichnet Joseph als einen Menschen der Tat. Nach der Aufforderung des Engels im Traum nimmt er Maria zu sich und macht sich kurze Zeit später mit ihr auf den Weg nach Betlehem, wo sie Jesus zur Welt bringt. Nach einem erneuten Traum plante er die Flucht der Familie nach Ägypten. Zur Rückkehr wurde erwiederum durch einen Engel bewogen. Aber kein einziges Wort dieses tatkräftigen Menschen ist uns in der Heiligen Schrift überliefert. Josef wird als Person vorgestellt, deren Tun aus dem Hören auf Gottes Wort erwächst. Seine Wortlosigkeit in der Heiligen Schrift bezeugt den großen Klangraum für Gottes Wort in seinem Leben. Maria empfängt das ewige Wort in ihrem Leib. Bei Joseph geht das Wort Gottes in die tiefsten Schichten seiner Existenz ein und wird für ihn selbst im Schlaf, im Traum vernehmbar. Joseph ist kein Träumer, sondern ganz und gar Hörer, der seine Lebenswirklichkeit aus dem Wort Gottes gestaltet. Er führt uns in die Schule des Hörens. Hören können ist Voraussetzung für die Dialogfähigkeit untereinander und für den Dialog mit Gott, für das Gebet und für die Tat. Geistliche Hörbereitschaft kann nicht bedeuten, im Umgang mit dem Wort Gottes und mit dem Nächsten vor allem das herauszuhören, was mich bestätigt. Ein Hörender sieht zunächst ab von sich und von übertriebener Sorge um sich selbst. Er ist jemand, der Gott, dem Nächsten und dem Leben zugewandt ist. Die Erfahrung der Gegenwart Gottes und das Vertrauen darauf ermöglicht diese Haltung.

Die Haltung des Hörens will eingeübt werden im Alltag: im Zuhören, wenn ich dem Nächsten Raum gebe für seine Worte an mich, wenn ich mich in seine Worte, in seine Meinung hineinversetze. Zeiten der Stille und meditative Gebetsformen wie der Rosenkranz oder das Jesusgebet helfen mir, hörfähiger zu werden. Eine hilfreiche Einübung in die Haltung des Hörens ist es, die Schönheit der Schöpfung wahrzunehmen und im Lobpreis dem Schöpfer zu antworten.

Aufbruch in den Willen Gottes

Der heilige Joseph zeigt uns, dass die Haltung des Horchens auf Gottes Willen in das „Ge-Horchen“ einmünden muss, um in Gemeinschaft mit dem Herrn zu leben. Zwar kann der Aufbruch in den Willen Gottes rau und hart sein, wenn eigene Pläne und Hoffnungen zunächst durchkreuzt werden. Doch Joseph hat erkannt, dass Verzicht und Hingabe an den Willen Gottes zum Tor in eine größere Freiheit wird. Daher folgte er klaglos immer neu dem Anruf Gottes und antwortete durch die Tat.

Uns fällt es allerdings oft schwer, das zu tun, was wir als richtig erkannt haben. Widerwille oder Angst steigen im Inneren auf und halten uns vom Handeln ab. Gott lädt mich ein, in der Weite seines Willens meine Bestimmung zu finden: Wo sagt mir mein geistliches Navi, dass ich in meinem Leben, in meinen Beziehungen etwas ändern müsste, weil der Herr schon lange anklopft?

Liebe Schwestern und Brüder, die Fastenzeit gibt uns Gelegenheit, unsere Wege neu auszurichten. Nutzen wir die kommenden Wochen, um nach den Spuren Gottes in unserem Leben zu suchen, auch wenn die Umstände für uns zurzeit schwierig sein mögen. Mitten in seiner persönlichen Krise hat der heilige Joseph den Willen des Herrn erkennen können und hat danach gehandelt. Möge er uns als Vorbild und Begleiter dabei helfen, die Stimme Gottes zu hören und seinem Willen tatkräftig zu folgen. 

Dazu segne Euch der dreieinige Gott: + der Vater und + der Sohn und + der Heilige Geist.

Amen.

Eichstätt, am Aschermittwoch, dem 17. Februar 2021

Gregor Maria Hanke OSB
Bischof von Eichstätt