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08.07.2005

So manche Dorfkirche birgt kunstgeschichtliche Überraschung - Fachwelt interessiert sich für Glasmalereien aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert

Eichstätt. (pde) – Dass sich hinter Kirchenmauern so manche kunstgeschichtliche Überraschung verbirgt, erfährt Dr. Emanuel Braun, Diözesankonservator und Leiter des Domschatz- und Diözesanmuseums, bei seiner täglichen Arbeit. Etwa einmal pro Woche ist der Experte mit Fotoapparat und Laptop in der Diözese Eichstätt unterwegs, um Kirchen systematisch zu inventarisieren. „Dabei stößt man immer wieder auf Neuigkeiten“, erläutert Braun. Seit 1983 läuft die Inventarisierung, ein Ende ist noch nicht in Sicht. „Für eine mittlere Dorfkirche braucht man etwa drei Tage“.

Ein künstlerischer Bereich findet bei dieser Arbeit zur Zeit besondere Beachtung: Glasmalereien aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. „Trotz aller Zerstörungen und Modernisierungswellen im 20. Jahrhundert haben sich in den Kirchen der Diözese Eichstätt eine Reihe von Glasmalereien der 19. und frühen 20. Jahrhunderts erhalten, die seit einiger Zeit innerhalb der Kunstgeschichte Beachtung finden, für die Denkmalpflege von Interesse sind, aber erst allmählich wissenschaftlich erforscht werden,“ so der Kunsthistoriker.

Immer wieder stoßen die Fachleute auf interessante Objekte: In der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Eutenhofen entdeckte Braun zum Beispiel Medaillons im Stil des Neorokoko mit Büsten der Heiligen Walburga. In der Pfarrkirche St. Michael in Buxheim konnten figürliche und ornamental bemalte Fenster in neubarocker Art dem Künstler Joseph Peter Bockhorni zugeordnet werden. Fenster im Chor der Alten Pfarrkirche St. Michael in Mailing zeigen den Heiligen Martin, die Heilige Maria und den Heiligen Georg. Jüngster Fund ist ein neobarockes ovales Fenster mit Darstellung des auferstandenen Christus in der Pfarrkirche St. Stephanus in Dietkirchen, die Entstehungszeit wird auf 1920 bis 1940 datiert. Bei der Aufarbeitung der kunstgeschichtlichen Hintergründe helfen Signaturen oder historische Quellen, die Rückschlüsse auf den Glasmaler oder auch auf den Stifter der Kunstwerke zulassen.

In der Renaissance, im Barock und Klassizismus hatte die Kunst der Glasmalerei kaum eine Bedeutung, weil die zeitgenössischen Kunstideale auf Helligkeit, Klarheit und Naturalismus ausgerichtet waren. „Innerhalb des Sakralbaus gab es für die Zunft der Glasmaler so gut wie keine Aufträge“, erklärt Braun. „Die Fähigkeiten und Kenntnisse konnten aber bewahrt und weitertradiert werden.“

Mit dem Einsetzen des Historismus im 19. Jahrhundert bekam die Glasmalerei eine neue Chance. Sie erlangte sogar einen nie geahnten Aufschwung, der eine ungeheuere Produktivität nach sich zog. „Man entdeckte damals seine eigene Vergangenheit und Geschichte und blickte romantisch verklärt auf das Mittelalter zurück.“ Fortschritte in der Naturwissenschaft sorgten dafür, dass sich neue Möglichkeiten der Gestaltung, insbesondere bei den Farben auftaten. Dem Gewerbe der Glasmaler kam auch entgegen, dass im Zuge der Industrialisierung und des Bevölkerungswachstums in den Städten eine große Anzahl von Kirchenbauten entstanden. „So etablierten sich im Laufe des Jahrhunderts immer mehr Werkstätten und Anstalten, die arbeitsteilig Glasmalereien entwarfen und produzierten“, erläutert Braun.

In den Kirchen der Diözese Eichstätt finden sich mehrfach Arbeiten aus dem Atelier von Matthias und Georg Schneider, das 1865 in Regensburg gegründet worden war, aus der Anstalt von Franz Xaver Zettler, gegründet in München 1870 und 1939 und zusammengeführt mit der Mayerschen Hofkunstanstalt sowie aus dem Institut von Josef Peter Bockhorni, gegründet 1864 in München. Aber auch ein Künstler aus Nürnberg ist vertreten: In der Nebenkirche „Zu Unseren Lieben Frau“ in Herrieden sind zwei Fenster von Joseph Scheppach aus dem Jahr 1899 mit den Themen „Die Verkündigung an Maria“ und „Die Heimsuchung Mariens“ zu sehen.

 

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