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03.09.2016

Großlellenfeld, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung

Großlellenfeld, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung

 

Im Verlauf der Inventarisierung der Glockenanlage der Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung in Großlellenfeld erlebte Thomas Winkelbauer, der Glockensachverständige der Diözese Eichstätt, eine freudige Überraschung: Im Turm dieser Kirche hat sich der komplette Glockenbestand erhalten, wie er sich seit dem ausgehenden Mittelalter bis etwa 1835 entwickelt hatte.

Der Größe des spätgotischen Gotteshauses nach zu urteilen muss Großlellenfeld einst eine blühende Marienwallfahrt gewesen sein. Der mächtige und äußerlich bis heute nahezu unveränderte Kirchenbau war vermutlich zwischen 1446 und 1468 errichtet worden.

 

Großlellenfelder Glockengeschichte bis 1914

Der Turm dürfte seit Anfang an mit drei Glocken bestückt gewesen zu sein. Diese waren eventuell sogar aus dem Vorgängerbau übernommen worden. Zwei dieser Glocken haben sich bis heute erhalten. Eine dritte, über die leider keine näheren Angaben vorliegen, dürfte zu Beginn des 17. Jahrhunderts zersprungen sein. Der Inschrift einer Glocke des Augsburger Gießers Wolfgang Neidhardt nach zu urteilen wurde sie daraufhin durch ein neues Instrument ersetzt. Spätestens seit 1831 ergänzte eine vierte Glocke das Ensemble zu einem wohlklingenden Quartett aus einer "Bass-Glocke", sowie drei kleineren Schwestern mit jeweils eigenen und unverwechselbaren Klangcharakteren.

Großlellenfeld, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung: Plenum der 4 historischen Glocken

Großlellenfelder Glockengeschichte nach 1914

Dass diese Glocken zwei Weltkriege überlebt haben grenzt schier an ein Wunder: aufgrund falscher Angaben zur Herkunft und den Gießern waren die beiden spätmittelalterlichen Glocken zumindest während des Zweiten Weltkriegs falsch klassifiziert worden und mussten daher abgeliefert werden. Lediglich die jüngste und eigentlich am wenigsten wertvolle Stapf-Glocke von 1831 durfte auf dem Turm verbleiben. Nach dem 2. Weltkrieg Krieg kehrten glücklicherweise die drei älteren und damit erheblich wertvolleren Glocken wieder zurück nach Großlellenfeld.

Leider hatte die Neidhardt-Glocke im Verlauf des Transportes oder aufgrund unsachgemäßer Lagerung in einem der Glockenlager massiv Schaden genommen. 1968 wurde sie daher im Nördlinger Glockenschweißwerk Lachenmeyer restauriert. Neben dem Aufschweißen der arg ausgeschlagenen Anschlagstellen wurde ein im Bereich des Anschlagpunktes ausgebrochenes Stück Mantel wieder eingesetzt. Ob der heute auch heute noch sichtbare, fast 80 Zentimeter lange Riss, der sich über die ganze Flanke hinwegzieht, evtl. erst während der Schweißarbeiten sichtbar wurde, oder ob er schon vorher zu sehen war, darüber geben die spärlich vorhandenen Akten leider keine Auskunft.

Johannes Schlick, der damalige Glockensachverständige der Diözese Eichstätt, machte sich im Zuge dieser Sanierung dafür stark das Geläute um mindesten eine Glocke zu erweitern. Er wollte dadurch den großen Tonabstand zwichen den beiden "großen" Glocken deutlich verringern. So kam es 1968, im Jahr des fünfhundert-jährigen Kirchenjubiläums, durch den Heidelberger Glockengießer Friedrich Wilhelm Schilling zum Neuguß einer zusätzlichen Glocke mit dem Schlagton g'.

Im Zuge dieser Geläuteergänzung wurde der bis dahin bestehende originale Holzglockenstuhl durch ein Konstrukt aus Stahl ersetzt. Gleichzeitig erhielten die Glocken einen elektrischen Läuteantrieb.

Großlellenfeld, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung: Plenum

Neidhardt-Glocke

Die Neidhardt-Glocke bildet das Fundament des Großlellenfelder Glockenensembles. Sie war Anfang der 17. Jahrhunderts wohl gegossen worden, um eine gesprungene Glocke von 1419 zu ersetzen. Über diese Vorgängerglocke ist bis dato leider nichts Weiteres bekannt.

Schlagton:  es'

Material:  Bronze

Gießer:  Wolfgang (II) Neidhardt, Augsburg
Gußjahr:  1615

Durchmesser:  1.272 mm
Gewicht:  ca. 1.300 kg

Inschrift:
auf der Schulter:
(Naturblatt)
ISTA (Stern) CAMPANA (Stern) FACTA (Stern) EST (Stern) IN (Stern) HONOREM (Stern) BEATAE (Stern) MARIAE (Stern) VIRGINIS (Stern) ANNO (Stern) 1419 (Stern) RENAVATA (Stern) ANNO (Stern) 1615 (Stern)
unter dem Schlagring:

WOLFGANG NEIDHARDT IN
AVGSPVRG GOS MICH

Großlellenfeld, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung: Neidhardt-Glocke von 1615

Schilling-Glocke

Diese Schilling-Glocke ergänzt seit 1968 das historisch gewachsene und vollständig erhaltene Großlellenfelder Glockenensemble. Durch sie wird der große tonale Sprung es' - b' von der großen Glocke zur bis dahin zweitgrößten Glocke harmonisch aufgefüllt.

Schlagton:  es''
Material:  Bronze

Gießer:  Friedrich Wilhelm Schilling, Heidelberg
Gußjahr:  1968

Durchmesser:  1.063 mm
Gewicht:  836 kg

Inschrift:
auf der Vorderseite der Schulter:
HOCHPREISET MEINE SEELE DEN HERRN
auf der Vorderseite über der Schärfe:
ZUR ERINNERUNG AN DIE FUENFHUNDERT-JAHRFEIER DER ERBAUUNG DER PFARRKIRCHE GROSSLELLENFELD A.D. 1446 1468 1968

Großlellenfeld, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung: Schilling-Glocke von 1968

Wandlungsglocke

Die Wandlungsglocke gehört zu den beiden ältesten Glocken des Großlellenfelder Ensembles. Geht man nach den Schriftzeichen, könnte es sich bei ihr eventuell sogra um ein frühes Werk des bedeutenden Nürnberger Glockengießers Hermann Kessler (I) handeln.

Schlagton:  b'

Material:  Bronze

Gießer:  unbezeichnet
Gußjahr:  erste Hälfte des 14. Jahrhunderts

Durchmesser:  886 mm
Gewicht:  ca. 450 kg

Inschrift:
auf der Schulter:
(Tatzenkreuz)
AVE (scheibenförmiger Punkt) MARIA (scheibenförmiger Punkt) GRACIA (scheibenförmiger Punkt) PLENA (scheibenförmiger Punkt) DO (fehlt: M)INVS (scheibenförmiger Punkt) TECVM

Großlellenfeld, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung: Wandlungsglocke

Stapf-Glocke

Die Stapf-Glocke war lange Zeit die jüngste Glocke des Großlellenfelder Glockenensembles. Als Totenglocke eingesetzt lädt sie die Ortsbewohner zum fürbittenden Gebet für die verstorbenen Pfarrangehörigen.

Schlagton:  des''
Material:  Bronze

Gießer:  Joseph Stapf, Eichstätt
Gußjahr:  1831

Durchmesser:  701 mm
Gewicht:  ca. 200 kg

Inschrift:
auf der Schulter:
+ MICH GOSS IOSEPH STAPF IN EICHSTETT ANNO 1831

Großlellenfeld, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung: Stapf-Glocke von 1831

Kleine Glocke

Die tonhöchste Glocke des Großlellenfelder Ensembles dürfte um 1300 gegossen worden sein. Sie ist aufgrund der recht dicken Glockenwand schwerer und auch etwas größer als die tontiefere Stapf-Glocke). Leider kann dieses Instrument noch keinem Gießer klar zugeordnet werden.

Schlagton:  es''
Material:  Bronze

Gießer:  unbezeichnet
Gußjahr:  um 1300

Durchmesser:  718 - 723 mm
Gewicht:  ca. 250 kg

Inschrift:
auf der Schulter:
(Tatzenkreuz)
LVCAS (Tatzenkreuz) MARCVS (Tatzenkreuz) MATHE(=liegend)VS (Tatzenkreuz) IOHANNES (Tatzenkreuz) MARIA (Tatzenkreuz) XP~S~(=Christus)

Großlellenfeld, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung: Stapf-Glocke von 1831

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