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03.11.2023

Der heilige Martin von Tours: mehr als die Mantelteilung

Grab des Heiligen Martin in Tours. Foto: Norbert Staudt/pde

Kirche St. Martin in Tauberfeld. Foto: Norbert Staudt/pde

Altarbild der Katholischen Filialkirche St. Martin im Buxheimer Ortsteil Tauberfeld. Foto: Norbert Staudt/pde

Eichstätt. (pde) – Wenn am 11. November wieder viele Kinder mit leuchtenden Laternen durch die Straßen ziehen, dann feiern sie einen der ältesten Heiligen der Kirche: Martin von Tours gilt als erster Heiliger, der kein Märtyrer war. Es gibt sehr viele Legenden und Mythen, die sich um den Bischof der im damaligen Gallien liegenden Stadt Tours an der Loire ranken. Sie alle lassen einen bemerkenswerten Menschen auch noch über 1600 Jahre nach seinem Tod sehr präsent wirken – auch wenn es dabei Bräuche gibt, die seine Person eher verdunkeln als würdigen.

Die bekannteste Legende ist wohl die Erzählung von der Mantelteilung. Martin soll als etwa 15-jähriger römischer Soldat vor den Toren der Stadt Amiens einen frierenden Bettler mit der Hälfte seines Mantels vor dem Kältetod gerettet haben. Deshalb gilt er häufig auch als Inbegriff der christlichen Nächstenliebe. Allerdings war er in diesem Alter vermutlich noch gar nicht getauft. Ein Grund für seine bis heute andauernde Heiligenverehrung ist diese populäre und anschauliche Legende eher nicht.

Dagegen fällt auf, dass es nicht nur, aber auch im Bistum Eichstätt sehr viele Martinskirchen gibt. 28 katholische Kirchen mit Martinspatrozinium sind es derzeit in der Diözese. Nicht mitgerechnet sind jene Kirchen, die zwar ursprünglich dem Heiligen Martin geweiht wurden, aber heute nicht mehr existieren, oder beispielsweise im Zuge der Reformation an die evangelische Kirche übergegangen sind, wie etwa die große Stadtkirche in Schwabach. Häufig sind das auch Kirchen, die sehr alt sind und deren Weihedatum ins elfte oder zwölfte Jahrhundert fällt. Wenn die Kirchen selbst jünger sind, existierten oft Vorgängerbauten aus dieser Zeit. Wie etwa die Filialkirche St. Martin in Tauberfeld, einem Gemeindeteil von Buxheim im Landkreis Eichstätt. Eine Martinskirche taucht in der Geschichtsschreibung in den Jahren 1182 bis 88 als grundherrliche Eigenkirche auf, geweiht vom Eichstätter Bischof Otto.  Die heutige Kirche stammt jedoch aus dem Jahr 1629 und wurde 1901 erneuert. 1947/48 wurde sie erweitert und grundlegend umgebaut. Geblieben ist das ursprüngliche Patrozinium. Auch das Altarbild mit der bekannten Mantelteilungsszene ist ein erhalten gebliebenes Werk des Spätrokokos (1769).

Natürlich hat es seinen Grund, dass gerade die ältesten Kirchen des Bistums häufig den heiligen Martin als Patron erhielten. Den Anfang nahm diese Bewegung bereits wenige Jahre nach dem Tod Martins. Er starb im für damalige Zeiten sehr hohen Alter von vermutlich 80 Jahren auf einer Missionsreise in Candes, einer Ortschaft, die etwa 40 Kilometer westlich von Tours an der Loire liegt und heute den bezeichnenden Namen „Candes-Saint-Martin“ trägt. Weil man dort den Leichnam nicht herausgeben wollte, kamen Mönche aus Tours, entführten ihn bei Nacht und brachten ihn auf der Loire nach Tours, wo er drei Tage später, am 11. November, beigesetzt wurde. Zur Beisetzung strömte eine riesige Menschenmenge nach Tours. Sein Grab wurde ein viel besuchtes Ziel von Pilgernden und fränkisches Nationalheiligtum. Führer in Tours erzählen den Touristinnen und Touristen heute noch, dass die Wallfahrt zur Basilika, die später über seinem Grab errichtet wurde, damals die größte Wallfahrtsstätte der Welt gewesen sein muss, noch vor Santiago de Compostela und Rom. Die Wallfahrt nahm ihr abruptes Ende in den Wirren der französischen Reformation. In der 1902 neu erbauten Martinskirche in Tours sind Reste der alten, fünfschiffige Basilika integriert worden, unter anderem der von Karl dem Großen erbaute Turm. Im 18. und 19. Jahrhundert war das Wirken von Martin dann fast völlig in Vergessenheit geraten.

Doch auch über Frankreich hinaus breitete sich die Verehrung des Heiligen Martin im Mittelalter schnell aus. Mit der Ausdehnung des Fränkischen Reiches breitete sich auch die Verehrung des Reichspatrons nach Osten aus, zunächst besonders im Harz und in Thüringen, dann auch in Süddeutschland. Mit der zunehmenden Christianisierung in Germanien wurden die neuen Kirchen häufig ihm geweiht, so dass Martinskirchen als die jeweils ältesten in ihrer Region gelten.

Schließlich bleibt noch die Frage übrig, wie es dazu kam, dass Martin diese herausragende Stellung im Reich einnehmen konnte. Häufig nahm man an, dass es einfach daran lag, dass die Könige und Bischöfe des Mittelalters einen der ihresgleichen als Patron auswählten, galt er doch als „Soldat und Reitersmann“, der später Bischof wurde, und an wichtigen reichspolitischen und kirchenpolitischen Entscheidungen beteiligt war. Heute kennt man ihn tatsächlich häufig als römischen Soldaten. In vielen Martinsumzügen reitet ein als Soldat verkleideter Reiter voran. Allerdings war Martin wohl eher das, was man heute als „Totalverweigerer“ bezeichnen würde: Sulpicius Severus berichtet in seiner Vita Sancti Martini, verfasst um 395, von dessen Absage an den Kaiser: „Bis heute habe ich dir gedient, Herr, jetzt will ich meinem Gott dienen und den Schwachen. Ich will nicht mehr länger kämpfen und töten. Hiermit gebe ich dir mein Schwert zurück. Wenn du meinst, ich sei ein Feigling, so will ich morgen ohne Waffen auf den Feind zugehen.“ Für Martin war der Dienst als Soldat nicht mit seiner Taufe zum Christentum vereinbar.

Stattdessen zog er sich zunächst als Asket und Einsiedler zurück. Martin beeindruckte das Volk durch sein einfaches Leben und seine Fürsorge für die Armen. Um 371 oder 372 wurde er auf Drängen des Volkes Bischof von Tours. Es wird berichtet, dass dies gegen seinen eigenen Willen und trotz Vorbehalten des Klerus und gegen das ausdrückliche Votum anderer Bischöfe erfolgt sei. Nach der Legende soll er sich in einem Gänsestall versteckt haben. Diese hätten ihn dann durch ihr Schnattern verraten, was die „Martinsgänse“ bis heute mit ihrem Leben bezahlen müssen, wenn sie zu Martini als Gänsebraten enden.

Beim Volk war Martin als ein gerechter und sorgender Bischof beliebt. Seine Lebensweise blieb jedoch asketisch, was ihm durchaus auch die Gegnerschaft bei anderen Bischöfen und beim Adel einbrachte. Martin war in seiner Diözese präsent und gründete viele Landpfarreien. Aber auch auf höchster politischer Ebene trat er vehement und bestimmend auf. So wird von einem Konflikt mit Kaiser Maximus berichtet, den Martin 386 in Trier getroffen habe. Trotz unterschiedlicher Meinung brachte ihm sein Auftreten beim Kaiserpaar Hochachtung ein.

Viele der heute geläufigen Martinsbräuche haben bei genauerem Hinsehen gar nichts mit dem Heiligen zu tun, sondern haben sich über die Jahrhunderte teils recht fantasievoll entwickelt. So ist der Brauch des Gänseessens am Martinstag wohl eher dem Hauptzinstag zu verdanken, an dem das neue Wirtschaftsjahr der Bauern begann, und an dem Abgaben an den Grundherrn fällig wurden – auch in Form von geschlachteten Gänsen. Da am 12. November, sechs Wochen vor Weihnachten, früher die adventliche Fastenzeit begann, war das Anlass genug für ein letztes Festessen vor der kargen Adventszeit.

Der Laternenumzug der Kinder, der heute ganz selbstverständlich zur katholischen Lichtersymbolik gehört, die an Allerheiligen oder Allerseelen beginnt, über St. Martin und die Adventszeit zu Weihnachten und schließlich Mariä Lichtmess führt, ist ursprünglich ein Geburtstagsgruß für den Reformator Martin Luther gewesen. Am 10. November, den Vorabend seines Geburts- und Namenstages, versammelten sich auf dem Platz unterhalb des Domes in Erfurt abends Kinder mit Papierlaternen, um des Reformators zu gedenken.

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