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18.11.2003

Abraham – Vater des Glaubens für drei Weltreligionen - Studientag des Diözesanbildungswerkes vertiefte interreligiösen Dialog

Beilngries. (pde) - Drei Weltreligionen auf der Suche nach Gemeinsamkeiten: Angeregt vom Eichstätter Gesprächskreis Christentum-Judentum im Kreisbildungswerk, beschäftigte sich in Schloss Hirschberg das diesjährige Aktuelle Forum des Diözesanbildungswerkes mit Abraham als Vater des Glaubens im Judentum, Christentum und Islam. Dass in der Diözese Eichstätt ein starkes Interesse am interreligiösen Dialog besteht, zeigte sich, indem Tagungsleiter Dr. Bertram Blum über achtzig Teilnehmer begrüßen konnte. Gestaltet wurde der Studientag von einem "Abrahamischen Team" des Interkulturellen Rates in Deutschland, der Judaistin Esther Graf, der evangelischen Theologin Sandra Kamutzki, beide aus Mannheim, und der Islamistin Rabeya Müller aus Köln.

Bei der Schilderung von Wesenselementen der jeweiligen Religion nannte Esther Graf für das Judentum den Glauben an einen Gott, der gleichzeitig alle drei Weltreligionen miteinander verbindet. Neben der Thora, der schriftlichen Offenbarung in den fünf Büchern Mose, gibt es ein mündliches Gesetz, das später im Talmud niedergeschrieben wurde. Allerdings, so betonte Frau Graf, gibt es im Judentum keine einheitliche Auslegung durch eine wie immer geartete übergeordnete Instanz: Jeder Rabbiner, also Gesetzeslehrer, antwortet auf religiöse Anfragen seiner Zeit auf seine Weise – auch in der Gegenwart. Die Liturgie ist im Judentum sehr feststehend; die Thora wird im Shabbatgottesdienst im Einjahreszyklus ganz vorgelesen und – seit dem 19. Jahrhundert - in der Predigt ausgelegt. Für die Entwicklung des Judentums brachte die Aufklärung im 18. Jahrhundert eine entscheidende Wende, indem man sich auf das nichtjüdische Umfeld zuzubewegen begann. Seitdem haben sich neben der rein religiösen Identität andere jüdische Identitäten herausgebildet, politische und vor allem kulturelle. So betonte die Referentin, dass jeder Jude für sich den Weg finden muss, wie er sein Judentum lebt. Wichtig sei, das von Gott gegebene Leben und die Schöpfung sich zu eigen zu machen, zu nutzen, aber nicht nur für sich, sondern auch für andere. Daher spielt die Wohltätigkeit im Judentum eine große Rolle. Jesus bezeichnete Graf als eine herausragende historische Persönlichkeit, die die damalige Kluft zwischen religiöser Führung und Volk zu überwinden trachtete.

Sandra Kamutzki schilderte anhand des Ablaufes des evangelischen Gottesdienstes Grundzüge des Christentums: die Buße zeigt auf, wie man zu Gott kommt, Bibellesung und Predigt, was Gott einem sagen will, das Abendmahl, dass Gott dem Menschen nahe sein will und der Segen, dass man etwas mitnimmt für den Alltag und versucht, in der Nachfolge weiterzugeben. Im Abendmahl kommt Gottes Heil sinnfällig zu den Menschen; mit Meister Eckhart betonte die Referentin, dass es darauf ankomme, "Gott in uns groß werden zu lassen". Als wesentlichen Unterschied zu anderen Religionen nannte Frau Kamutzki die Trinität; im Dialog mit anderen Religionen sind ihrer Meinung nach durchaus die Unterschiede zu benennen. Identitätsstiftend sei für die christliche Religion unter anderem der Glaube an Jesus als Gottessohn.

Die Islamistin Rabeya Müller betonte auch den monotheistischen Charakter ihrer Religion. Das Wissen über Allah beziehe der Islam aus dem Koran. Gott will dem Menschen sehr nahe sein, "näher als seine Halsschlagader". Diese Nähe beziehe sich auf alle Menschen, der Islam kenne also keinen Dominanzanspruch. Dem Kontakt zwischen Gott und dem Menschen dient das fünfmalige Beten am Tag, das gemeinsame Freitagsgebet in der Moschee, der Fastenmonat Ramadan, in dessen Verlauf der gesamte Koran durchrezitiert wird, und die Pilgerfahrt nach Mekka, die als Heimkehr zum Schöpfer verstanden wird. Der Koran kennt eindeutige und mehrdeutige und damit unterschiedliche Interpretationen zulassende Verse; Gott zürnt laut Koran über denjenigen, der seinen Verstand nicht benutzt. Insofern sei es bedauerlich, dass die ursprüngliche Handhabung, die Scharia als "Weg zur Quelle" in das jeweilige Umfeld und in die jeweilige Zeit hinein auszulegen, seit einiger Zeit stagniere. Die Scharia sei, so Frau Müller, eigentlich eine Strukturvorgabe, eine Verfassung, aber keine Rechtsverordnung mit konkreten Gesetzen, wie es islamische Extremisten glauben machen wollen.

Vertiefen konnten die Tagungsteilnehmer die Wesenszüge der drei Weltreligionen anhand der Gestalt Abrahams. In jüdischer Überlieferung hat ihm Gott verheißen, ein großes Volk zu werden, gleichzeitig ist er der Stammvater aller Völker. Zum Zeichen des Bundes erhielt er die Beschneidung (die heute nicht mehr unumstößliche Voraussetzung ist). Der Bund wird durch Abrahams Sohn Isaak fortgesetzt. Gottes Verlangen, ihn zu opfern, ist eine Prüfung Abrahams, die einerseits zeigt, wie weit er gottesfürchtig ist, und andererseits zum Ausdruck bringen will, dass alles, was Gott den Menschen aufträgt, mit Sinn behaftet ist. Für den Juden heute ist sie Anlass, sich den Herausforderungen eines friedvollen Lebens im Hier und Heute zu stellen. Im christlichen Glauben wurde, wie Kamutzki aufzeigte, die Opferung Isaaks mit der Opferung Christi in Zusammenhang gesetzt und damit das Problem geschaffen, dass Gott als ein blutrünstiger Gott gesehen wird, der seinen Sohn wie ein Lamm zur Schlachtbank führt. Ihrer Glaubensreflexion nach ist das Kreuz jedoch so zu sehen, dass "wir Menschen Jesus durch unsere grausamen Machtstrukturen getötet haben". Abraham selbst habe im Christentum viele Facetten: Er gilt als Urahn und Stammvater des Volkes Israel und ist im Neuen Testament in die direkte Stammlinie Jesu eingereiht, er wird als Freund Gottes oder - bei Paulus – sogar als erster Christ bezeichnet. Im Islam ist Abraham ein lauterer Mensch, den Gott als Freund bezeichnet und der die Kaaba mit seinem Sohn baut. Der Koran kennt auch die Opfervision, die allerdings in einen Traum verlegt wird und dazu dient, solche Opfer abzuschaffen.

Die abschließende Diskussion machte deutlich, dass Abraham in allen drei Weltreligionen ein großes Vorbild sein kann, mehr als bisher die Gemeinsamkeiten der Weltreligionen hervorzuheben und die Unterschiede auszuhalten. Der interreligiöse Dialog setze, so Tagungsleiter Dr. Blum, beim Kennenlernen der anderen Religion und bei der Vergewisserung der eigenen Glaubensüberzeugung an; Unterschiede der Religionen können auch als Prüfung Gottes verstanden werden, ob und wie es den Menschen gelingt, respektvoll miteinander umzugehen.

 

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