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25.03.2019

Bischof Hanke zu „fridays for future“: „Lebensstil-Debatte ist unumgänglich“

v.r. Bischof Gregor Maria Hanke (Eichstätt), Lisa Amon (Nachhaltigkeitsreferentin Bistum Eichstätt), Dr. Harry Lehmann (Umweltbundesamt) und Martin Wagner (Landesgeschäftsführer KLB Bayern)

v.r. Bischof Gregor Maria Hanke (Eichstätt), Lisa Amon (Nachhaltigkeitsreferentin Bistum Eichstätt), Dr. Harry Lehmann (Umweltbundesamt) und Martin Wagner (Landesgeschäftsführer KLB Bayern)

Eichstätt. – „Die unvermeidliche Veränderung unseres Lebensstils müssen wir als Gewinn und nicht als Verzicht wahrnehmen“, sagte der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke am Samstag bei einem Studientag „Anpassung an den Klimawandel – Strategien für die Zukunft“ im Priesterseminar in Eichstätt. Im Hinblick auf die „fridays for future“-Demonstrationen sagte Hanke: „Die Gesellschaft verdrängt den Generationenkonflikt, der sich aus der dramatischen Schieflage ergibt, in der wir uns befinden“. Auch wenn das vermutlich nicht von den Initiatoren beabsichtigt sei, sei bemerkenswert, dass der Freitag aus christlicher Sicht der Tag der Solidarität, des Verzichts und der Erlösung sei: „Freitag war für Christen also schon immer ‚a day for future‘.“

Rund 70 interessierte Teilnehmende aus dem Bistum Eichstätt und ganz Bayern waren am Samstag nach Eichstätt gekommen, um im Priesterseminar am Studientag des Referats Schöpfung und Klimaschutz des Bistums Eichstätt und des Landesbildungswerks der KLB in Bayern teilzunehmen.

Die Gästeliste in Eichstätt war hochkarätig besetzt: Neben den beiden Hauptreferenten, Bischof Gregor Maria Hanke OSB und Dr. Harry Lehmann, Leiter des Fachbereichs Umweltplanung und Nachhaltigkeitsstrategien des Umweltbundesamtes Berlin, gaben in vier Workshops weitere Fachleute aus verschiedenen Themenfeldern Einblick in das, was uns allen den verschiedensten Bereichen des Lebens aufgrund des Klimawandels bevorsteht.

Dabei ging es sowohl darum, mögliche Gefahren und Risiken zu beleuchten, aber auch darum, Chancen und Möglichkeiten herauszustellen, wie die Herausforderungen bewältigt werden können. Nicht nur Bischof Hanke, sondern auch Lehmann verwiesen zudem darauf, dass es wichtig sei, die unvermeidliche Veränderung unseres Lebensstils als Gewinn und nicht als Verzicht wahrzunehmen. Sonst würde die Transformation nicht gelingen, so die beiden Hauptreferenten.

Bischof Hanke: Ökologische Umkehr muss getragen sein von Freude am Leben

Bischof Hanke ging in seinem Eröffnungsvortrag auf die theologisch-ethische Dimension der Klimakrise ein, beginnend bei der frühchristlichen Zeit der Kirchenväter. Damals habe es eine Zeit schlechter Ernten aufgrund verringerter Bodenfruchtbarkeit gegeben, die zur Verarmung der Kleinbauern führte, während die Oberschicht im Luxus lebte. Basilius der Große und Gregor von Nazianz analysierten die Situation und kamen zu der Einschätzung, dass sie auch mit dem Handeln der Menschen zusammenhänge. Sie forderten in dieser ersten „christlichen Soziallehre“, dass aufgrund der Gleichheit aller Menschen die einen nicht auf Kosten der anderen leben dürften.

Kernpunkte des Impulses von Bischof Hanke waren die Gedanken der Schöpfungsverantwortung und der Umkehr: „Die Ökologische Krise ist eine Anfrage an uns Christen. Wir sollen die uns anvertraute Welt, in der der Mensch Teil des Schöpfungs-Netzwerks ist, so behandeln, wie Gott sie gemeint hat.“ Das sei mehr als nur eine „christliche Tugend“. Im Sinne des christlichen Gedankens der Umkehr, sei eine Änderung des Lebensstils erforderlich: „Versöhntes Leben mit Gott, den Mitmenschen und der Schöpfung“, so Hanke. Diese ökologische Umkehr müsse und könne dabei getragen sein von Dankbarkeit, Achtsamkeit und Freude am Leben und nicht von einem moralinsauren Verbots- und Verzichtsdenken.

Lehmann: Klimagipfel von Paris war politisch wenig erfolgreich

Das Hauptreferat des Tages hielt Dr. Harry Lehmann, Leiter des Fachbereichs Umweltplanung und Nachhaltigkeitsstrategie des Umweltbundesamtes Berlin. Gleich zu Beginn machte er seiner Enttäuschung darüber Luft, dass die Politik aus den Erkenntnissen der Wissenschaft und den Möglichkeiten der Technik aus seiner Sicht zu wenig mache bzw. die Weichen zu spät oder gar nicht in die richtige Richtung stelle. So sei der Klimagipfel von Paris eine wertvolle und sehr gute große Bildungsveranstaltung gewesen. Unter dem Gesichtspunkt realer Politik sei er weniger erfolgreich gewesen.

Dabei befinde sich die Welt eigentlich auf einem guten Pfad: Noch nie hätten so viele Menschen in Wohlstand und Gesundheit gelebt, wie in der jetzigen Zeit. Das ginge aber einher mit einem immer höheren Ressourcenverbrauch und einer „Einmal-durch“-Wegwerf-Entwicklung.

Der Klimawandel sei, so Dr. Lehmann, nicht mehr von der Hand zu weisen. Gut ein Grad des von der Wissenschaft als kritischer Kipp-Punkt definierten 1,5-Grad-Ziels, sei bereits erreicht. Trotzdem sei der Paris-Prozess in den letzten Jahren völlig erlahmt und es müssten auch kleinste Fortschritte gegen den Widerstand einflussreicher Lobbygruppen erkämpft werden.

Je nach Temperaturanstieg kämen zusätzliche Risiken in verschiedenen Teilsystemen hinzu, die zu mehr und teureren Katastrophen führten. Deutschland sei zwar aufgrund seines Wohlstandes in der Lage, umzusteuern, das erfordere aber eine große Transformation. Wesentliche Elemente einer zukunftsfähigen Anthroposphäre seien dabei zirkuläre und erneuerbare Prozesse sowie kleinere Strukturen.

Lehmann: „Gewohnheiten sind oft das größte Hindernis beim Lebensstil“

In den Mittelpunkt seines Vortrages rückte Dr. Lehmann den Gedanken, systemisch und gleichzeitig vorzugehen und nicht in Einzelansätzen. Daraus entstünden dann konkrete Politiken. Und genau hier hapere es, obwohl in allen Sektoren weitgehend die Techniken vorhanden seien, um unsere Industriegesellschaft klimafreundlich weiterzuentwickeln.

In der Automobilbranche in Deutschland, so fürchtet Lehmann, seien vor fünfzehn Jahren die falschen strategischen Entscheidungen gestellt worden. Jetzt sei der Umbau wohl nicht mehr ohne massive Arbeitsplatz-Verluste möglich.

Wie Bischof Hanke machte auch Dr. Lehmann deutlich, dass eine Lebensstil-Debatte unvermeidlich sei: „Wir müssen über das ‚Was‘, das ‚Wieviel‘ und das ‚Wofür‘ diskutieren“. Schon Erhard habe seine Soziale Marktwirtschaft auf Maßhalten aufgebaut. Dafür brauche der Markt Regeln, die von der Politik vorgegeben werden müssten. Zudem müsse es gelingen, in den kommenden Generationen völlig neue automatisierte Verhaltensmuster zu verankern, denn Gewohnheiten seien oft das größte Hindernis auf dem Weg zu einem nachhaltigen Lebensstil.

Fragen zur nachhaltigen Landwirtschaft in der Kirche

Im Anschluss an die beiden Hauptvorträge des Tages fand eine kurze Diskussionsrunde mit den Teilnehmenden statt. Die meisten Fragen und Statements aus dem Publikum zielten auf das Themenfeld Landwirtschaft. Kritisiert wurde unter anderem, dass die Kirche zu wenig dafür tue, sich auf ihren eigenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen für eine nachhaltige Bewirtschaftung einzusetzen. Bischof Hanke verwies in diesem Zusammenhang jedoch darauf, dass es durchaus entsprechende Empfehlungen der Deutschen Bischofskonferenz gäbe, dass aber konkret die jeweiligen unabhängigen kirchlichen Stiftungen gefordert seien, denen auch die Bischofskonferenz keine verbindlichen Vorgaben machen könne.

Workshops vertieften das Thema

Am Nachmittag hatten die Teilnehmenden in vier Workshops Gelegenheit, die Thematik in unterschiedlichen Sektoren zu vertiefen: Adolf Kellermann von der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) ging im Workshop „Land(wirt)schaft“ auf die Belange der Landwirtschaft und der Landschaft ein. Im Workshop „Wasserwirtschaft“ legte Stephan Daum vom Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt dar, was getan werden muss, um sich im Bereich der Trinkwasserversorgung auf den Klimawandel einzustellen. Die Gefahren für die Gesundheit und Möglichkeiten, sich darauf einzustellen, beleuchtete Hanna Mertes vom Klinikum der Universität München. Dass auch die weltweit zunehmenden Migrationsbewegungen immer stärker vom Klimawandel verursacht sind, machte Prof. Dr. Dr. Alexander Lohner von MISEREOR Aachen im vierten Workshop deutlich.

In allen Workshops erarbeiteten die Teilnehmenden Kernpunkte und konkrete Handlungsanfragen, die – zumindest soweit sie die Kirche betreffen – auch an die Verantwortlichen weitergegeben werden sollen.

Den Abschluss des Tages bildete eine Vesper in der Kapelle des Priesterseminars, die die Teilnehmenden des Studientages zusammen mit dem designierten neuen Generalvikar des Bistums Eichstätt, Pater Michael Huber MSC feierten.

Veranstalter ziehen positives Fazit für Kirche und Verbände

Für die Veranstalter, das Referat Schöpfung und Klimaschutz des Bistums Eichstätt und das Landesbildungswerk der KLB in Bayern e.V. zogen Nachhaltigkeitsreferentin Lisa Amon und Landesgeschäftsführer Martin Wagner ein positives Fazit: „Es ist vor allem gelungen, den Dialog mit den verschiedenen Akteuren und mit den Menschen zu führen“, so Amon. „Die Anwesenheit des Bischofs, der nun bereits zum vierten Mal an der jährlich durchgeführten Großveranstaltung teilgenommen und sie mit einem Vortrag bereichert hat, zeigt, wie wichtig ihm der Einsatz für die Schöpfung ist.“ Martin Wagner betont: „Kirche und kirchliche Verbände haben hier eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Sie müssen sich der Herausforderung stellen, ihren Einfluss für einen transformatorischen Prozess in die Waagschale zu werfen“.

„Die Fakten sind bekannt – aber die Weichen werden nicht gestellt!“ war eine Erkenntnis beim Studientag zum Klimawandel in Eichstätt mit Bischof Gregor Maria Hanke (Eichstätt), Lisa Amon (Nachhaltigkeitsreferentin Bistum Eichstätt), Dr. Harry Lehmann (Umweltbundesamt) und Martin Wagner (Landesgeschäftsführer KLB Bayern).

Quelle: KLB-Bayern

Vortrag von Bischof Gregor Maria Hanke

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