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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Von der Suche nach Sinn

Wir können nicht vom Brot reden, ohne  an den Hunger zu denken. Es schmeckt nur, wenn wir Hunger haben.

Dem Elija, der auf der Flucht in der Wüste entmutigt und entkräftet nur noch sterben  will, schmeckt das Brot, das er vorfindet,  buchstäblich wie Engelsbrot, als ob es ein  Engel gebacken hätte. Es geht heute um einen  Hunger, der anders ist als das Verlangen,  genug zum Essen zu haben. Er hat etwas zu tun mit der Art, wie sich mein Leben anfühlt, ob dicht und erfüllt oder fad und langweilig. Ein Empfinden, das in der Tiefe  des Herzens zu spüren ist, jenseits von Ablenkung und Zerstreuung, wohin kein Fernsehprogramm reicht, auch keine gut gemeinten Ratschläge. Es ist eine Lücke im seelischen Haushalt, die Menschen sehr schmerzlich wahrnehmen, die sie umtreibt, die ihnen die Freude an  der Arbeit und sogar am Genießen nimmt. Man sucht nach einem  Erleben, das diesen leeren Raum ausfüllt. Man spricht von der Suche  nach Sinn. Wir dürfen es auch die Suche nach Gott nennen. Sie ist eher außerhalb der kirchlichen und theologischen Mauern anzutreffen und sie ist größer als wir  meinen.

Man kann eines festhalten: Das  Leben ohne Religion ist gar nicht so attraktiv und auch nicht mehr das Allermodernste.  Es gibt Lebensgeschichten, die so überraschend,  beeindruckend und ungewöhnlich sind, dass sie den gewohnten Rahmen, wie Glaube zu sein hat, einfach sprengen. Ihr Kennzeichen ist der Hunger nach Gott. Ich denke an eine Frau,  die als Altenpflegerin ihre ganz eigene Geschichte in ihrem Buch mit dem Titel „Ich will dich doch erreichen“ beschreibt. Im Mittelpunkt steht der Umgang mit Demenz-Kranken.  Sie hat entdeckt, dass in deren so unverständlichem Verhalten eine wichtige Botschaft steckt: der Schrei einer unerfüllten Sehnsucht nach Gott, ein spiritueller Schmerz, den sie in diesen Kranken wahrnimmt, den sie mit  ihnen bis zur Erlösung aushält. Sie trifft sie  auf der Ebene, auf die sie sich zurückgezogen haben, auf der sie sonst niemand anspricht  und erreicht.

Sie erzählt von der Begegnung mit einem  Mann, der teilnahmslos dasitzt und in die Gegend stiert. Sie spricht ihn mit  seinem Namen an, fasst ihn bei den Händen,  berührt in sanft und schaut ihm in die Augen.  Dem ehemals ­Obdachlosen erscheint die Frau wie ein Engel. Er ist wie verwandelt,  weint voll Freude und Dankbarkeit. Er spürt ein Glück, das er so in ­seinem Leben nie empfunden  hatte. In der Tiefe ihrer Seele sind sich zwei Menschen ­begegnet jenseits aller menschlichen Anziehung auf eine Weise, die den Namen  „göttliche  Liebe“ verdient. Für diesen  vereinsamten und unglücklichen Menschen war dies buchstäblich „Brot vom Himmel“. Dieser hat  sich für ihn aufgetan, aber auch  für die Frau. Sie schreibt, wie wertvoll ihr die Begegnungen mit Demenz-Kranken geworden  seien, seitdem sie den Schlüssel zu ihren Herzen gefunden hat.

P. Guido Kreppold OFMCap, Kirchenzeitung vom 9. August 2015

Lesungen zum 19. Sonntag im Jahreskreis am 9. August 2015