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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Neu sehen können

Wie die Eltern, so die Kinder“; Selbst daran Schuld; Da hat jemand „Tomaten auf den Augen“ und es stellt sich die Frage, ob er den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht – alle diese Redeweisen beschreiben die verschiedenen Wegabschnitte, die Johannes über eine Blindenheilung berichtet, bei der alles mit einer Begegnung beginnt.

Jesus sieht einen Mann, der blind ist und muss sich sofort den Fragen nach dem „Warum es so ist“ stellen. In seiner Antwort zeigt er auf, dass die damals gängige Verknüpfung von Leid und Schuld nicht haltbar ist. Mehr noch: er weist die Umstehenden darauf hin, dass es im Jetzt darum geht, Gottes Willen zu erfüllen und das er das Licht der Welt ist.

So stellt er durch sein Wort und das sich daran anschließende Handeln die rettende Heilmacht Gottes in den Mittelpunkt. Diese ist es auch, die es erlaubt, das Arbeitsverbot am Sabbat für die Hinwendung zum Nächsten aufzuheben, denn der Mensch ist nicht für das Gesetz, sondern das Gesetz für den Menschen da.

Was Jesus tut, lässt sich aus der Praxis der damaligen Zeit erklären, die in einem solchen Gemisch eine Medizin sah. Beim Auflegen des Teigs berührt Jesus den Blinden und er fordert ihn dann auf, selbst aktiv zu werden und der Leidende nimmt die Weisung Jesu an. Was er dann beim Waschen empfunden hat, können wir nur erahnen. Erlebt hat er, der stadtbekannte Bettler, nicht Mitfreude, sondern Misstrauen und Fragen, die an ein Verhör denken lassen. Während er sich dafür entschieden hatte, den Worten des für ihn nicht sichtbaren Jesu sein Vertrauen zu schenken und so aus der Dunkelheit heraus in das Licht zu treten, ist er nun von Menschen umgeben, die sich, selbst durch das Wunder, das sie miterlebt hatten, nicht dazu durchringen können, alles abzuwaschen, was sie beschwert und ihren Blick verfinstert.

Blinder Glaube – sehender Glaube

Nicht nur der Geheilte rückt in das Kreuzfeuer der Fragen, auch seine Eltern müssen sich der Ablehnung stellen. Bei dem Gespräch fällt auf, dass alle Parteien von der unumstößlichen Richtigkeit ihrer Argumente überzeugt sind. Sie alle sind überzeugt, einen klaren und verständigen Blick auf die Lage zu haben. Im letzten geht es dabei um die Frage, wer Jesus ist: jemand, der gegen das Gesetz verstößt und somit nicht der verheißene Messias sein kann, oder doch der Sohn Gottes, der die Vollmacht hat, Sünden zu vergeben.

Nach einem längeren Hin und Her wird die alles entscheidende Frage an den Geheilten gestellt: Wer, glaubst du, ist dieser Jesus? Und als Jesus dazu tritt und ihn fragt, ob er an den Menschensohn, der vor ihm steht und mit ihm spricht, glaubt, bricht sich die Antwort durch Wort und Gesten des Geheilten die Bahn. Das Öffnen der Augen schließt das Öffnen der Augen für den Glauben mit ein.

Die Blindenheilung macht deutlich, dass auch ein Sehender blind sein kann. Es ist dies eine Blindheit, die das Gute nicht sehen will, die an der Not vorbei sieht, die stets an der Oberfläche bleibt. Diese Blindheit macht hart und abweisend. Da, wo sich der/die einzelne nach dem Vorbild des Geheilten der eigenen Blindheit stellt und sich von Jesus Versöhnung und Heilung schenken lässt, da wandelt sich die Blindheit des Denkens in eine neue Sichtweise, die Gefühlsblindheit in Mitgefühl, blinde Angst in die Bereitschaft, den Glauben vor den Menschen zu bezeugen. Aus einem blinden Glauben wird ein sehender Glauben; ein Glauben, der aus der Begegnung und der Berührung lebt.                                

Barbara Bagorski, Kirchenzeitung vom 30. März 2014

Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Sich der Wahrheit des eigenen Lebens stellen

Auch ich verurteile dich nicht“ – dieser „Freispruch“ ist wohl der schönste Satz in der Szene Jesu mit der Ehebrecherin. Aber nicht nur für sie birgt die Begegnung mit Jesus die Chance zum Umdenken und einem  Neuanfang.

Von den Pharisäern, die Jesus eine Falle stellen wollen – spricht sich er für die Frau aus, stellt er sich gegen das Gesetz, wendet  er sich gegen sie, stünde er im Widerspruch zu seiner eigenen Vergebungsbotschaft –, lässt er sich nicht in die Enge treiben. Er lässt sie zunächst einfach nur stehen und überlässt sie ihren eigenen Gedanken. „Als sie hartnäckig weiterfragten“ hält er ihnen mit einem einzigen, kurzen und doch so wuchtig-souveränen Satz den Spiegel vor und zwingt sie, sich der Wahrheit des eigenen Lebens zu stellen.

Nach Anselm Grün verunsichert er „die, die so sicher daherkommen. Er konfrontiert die, die die Frau verurteilen wollen, mit sich selbst und ihrer Wahrheit.“ Wir Menschen sind es gewohnt, zu urteilen – am liebsten über die anderen. Und wir sind es gewohnt, eigene Schuld auf andere abzuwälzen und  so von unseren eigenen Fehlern und unserer eigenen Hartherzigkeit abzulenken. Doch Jesu Wort konfrontiert mit der Wahrheit. In der Betrachtung dieser Bibelstelle durch Augustinus heißt es, es bleiben zwei zurück: „die Erbarmungswürdige und das Erbarmen, die Arme, und der, der ein Herz hat für die Arme.“

Gottes Wort ruft in die Wahrheit

Und dann fällt dieser wunderschöne Satz: „Auch ich verurteile Dich nicht.“ Immer wieder betont Jesus in den Evangelien, dass er nicht gekommen sei, zu richten, sondern zu retten. Das heißt aber nicht, dass er das Verhalten der Frau entschuldigen oder gar gutheißen würde. Im Zusammenhang der gesamten Botschaft Jesu ist die Nicht-Verurteilung kein Freibrief, zu tun und zu lassen, was man will. Sie ist vielmehr ein Ruf in die Umkehr. Auf das „Auch ich verurteile Dich nicht“ folgt das „Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“

Der Sünderin, die bisher nur die Kälte des Urteils erfahren musste, schenkt er die Wärme seiner barmherzigen Liebe. Und er traut ihr zu, dass sie nicht mehr sündigt, dass sie es schaffen kann, nicht mehr in alte Gewohnheiten zurückzufallen, ein anderes Leben führen zu können, das ihr mehr entspricht. So schenkt er nicht nur Verzeihung, sondern auch Vertrauen und Zuversicht in den künftigen Weg.

Dass wir nicht mehr sündigen, wird nach Klaus Berger nicht durch Moralpredigten erreicht, sondern nur durch einen Einbruch Gottes in das je eigene Leben. Gerade die von Christus gestifteten und der Kirche anvertrauten Sakramente sind solche heilsamen Unterbrechungen unseres Lebensweges.

Und in jeder Beichte „wiederholt sich“ die Begegnung Jesu mit der Sünderin: sie ist ein Gericht. Aber ein Gericht, bei dem am Ende jedes Verfahrens der Freispruch steht. Mit den Worten Klaus Bergers: „Dort, wo staatliche Gerichte und Moral à la Kant nur verurteilen kann, nämlich in allen Fällen offenkundiger Schuld, dort bietet die Kirche seit zweitausend Jahren im Namen Jesu immer wieder den Freispruch durch den heiligen Gott an, die glückliche Möglichkeit zum Neuanfang (...).

Welch wunderbares Geschehen, dass in unserer Kirche Menschen, die sich durch ihre Tat ins Abseits gestellt haben, nach der Beichte wieder voll und ganz und ohne Rest dazu gehören können. Eben weil es nicht um Moral geht, sondern um den heiligen Gott.“
Und deshalb: Hab Mut! Auch Dich verurteilt er nicht!

Michael Wohner, Kirchenzeitung vom 13. März 2016

Lesungen zum vierten Fastensonntag am 30. März 2014

Lesungen zum fünften Fastensonntag am 13. März 2016