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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Lobpreis des Lammes

2. Sonntag im Jahreskreis, 19. Januar 2014

Die Frohbotschaft am zweiten Sonntag im Jahreskreis gehört zum berühmten ersten Kapitel des Johannesevangeliums. Es ist wie eine Ouvertüre, in der die Motive der folgenden Kapitel zum ersten Mal aufklingen. „Gott hat uns seinen Sohn geschenkt, der sein Wort ist“, sagt der heilige Johannes vom Kreuz. Er trat in die Welt ein, indem er Mensch wurde: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14).

Im heutigen Evangelium tritt uns Johannes der Täufer gegenüber. Schon im Prolog des Johannesevangeliums wird über seine Sendung gesagt: „Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen“ (Joh 1,4). Am Jordan verkündete Johannes den Leuten, die zu ihm hinauszogen: „Ich habe gesehen und ich bezeuge: Dieser ist der Sohn Gottes“ (Joh 1,34). Sein Zeugnis ist ein Bekenntnis und zugleich eine Proklamation: Jesus von Nazareth ist Gottes Sohn. Mich beeindruckt immer wieder der Text, der auf dem Umschlag des Jesus-Buches (Band I) von Papst Benedikt XVI. steht: „Wer ist Jesus von Nazareth, und was können wir über ihn wissen? Ist er ein Mensch? Ist er Gottes Sohn? Was ist die Wahrheit über Jesus? Mit der Antwort darauf steht und fällt der christliche Glaube.“

Uns überrascht die zweimalige Aussage des Täufers Johannes: „Auch ich habe ihn nicht gekannt“ (Joh 1,31;33). Ich wusste nicht, wer er eigentlich ist. Dass Jesus der Messias und der Sohn Gottes ist, erkannte er erst, als ihm diese Wahrheit von Gott geoffenbart wurde.

In zahlreichen Kirchen, die Johannes dem Täufer geweiht sind, ist der Heilige fast immer mit einem Lamm dargestellt. Am weltberühmten Isenheimer Altar von Matthias Grünewald zeigt er mit dem Finger auf Jesus, der am Kreuze hängt. Als der Täufer am Jordan Jesus auf sich zukommen sieht, verweist er seine Zuhörer auf ihn und sagt: „Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29). Diese Worte gebrauchen wir regelmäßig in der Eucharistiefeier, wenn wir im Gloria oder vor der heiligen Kommunion Christus als „Lamm Gottes“ preisen und bitten: „Erbarme dich unser. Gib uns den Frieden.“

Das Lamm gehörte zu den wichtigsten Opfertieren im alten Israel. Das Lamm ist auch das Opfertier beim Paschafest (Ex 12). Beim Paschafest gedenkt Israel jährlich der befreienden Tat Gottes. Gott hat das auserwählte Volk aus der Todesherrschaft Pharaos befreit.

Im Neuen Testament bekommt das Lamm eine besondere Bedeutung durch den Hinweis auf Christus. Die Worte des Täufers „Seht, das Lamm Gottes“ nehmen Bezug auf den Auszug Israels aus Ägypten, wo das Blut des Pascha-Lammes für die Befreiung entscheidend war. 

Im Aramäischen, der Muttersprache Jesu, steht für Lamm und Knecht das selbe Wort (talia). So können wir sagen, dass der Knecht Gottes zugleich auch das Lamm Gottes ist. Das Gottesknechtslied vergleicht den leidenden Knecht Gottes mit einem Lamm, das man zum Schlachten führt (Jes 53,7).

Wichtig dabei ist, dass Jesus an einem Paschafest gekreuzigt wurde und als das wirkliche Pascha-Lamm erscheinen musste, das sühnend die Sünde der Welt getilgt hat. Der renommierte evangelische Bibeltheologe Joachim Jeremias kommentiert das Lied vom leidenden Gottesknecht mit den Worten: „Geduldig wie ein Opferlamm ist der am Kreuz sterbende Heiland stellvertretend in den Tod gegangen; durch die Sühnekraft seines unschuldigen Sterbens hat er die Schuld (...) der ganzen Menschheit getilgt.“

Im letzten Buch der Bibel fällt die unzählbare Schar der Engel und die ganze irdische Schöpfung in den Lobpreis des Lammes ein: „Würdig ist das Lamm, das geschlachtet wurde, Macht zu empfangen, Reichtum und Weisheit, Kraft und Ehre, Herrlichkeit und Lob“ (Offb 5,12).                   

Msgr. Herbert Lang, Kirchenzeitung vom 19.01.2014

Lesungen zum 2. Sonntag im Jahreskreis am 19. Januar 2014