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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Die verschiedenen Wüsten der Menschen

Gewohnt kurz und prägnant berichtet uns der Evangelist Markus von der Versuchung Jesu und seinem ersten Auftreten in Galiläa. Doch gerade diese Kürze lässt umso mehr über ein nur von ihm erwähntes Detail staunen: „Er lebte bei“, ja „mit den wilden Tieren“. Dieses scheinbar so verwunderliche Detail hat es aber in sich: Man kann darin eine Erinnerung an Adam im Paradies sehen, der in der Gemeinschaft der wilden Tiere lebte, von den Engel bedient und vom Teufel versucht wurde, aber ebenso einen Vorausblick auf die endzeitliche Wiederherstellung dieses paradiesischen Zustandes, wie sie der Prophet Jesaja beschreibt (Jes 11,1-8). Markus zeigt seinen Lesern also „Jesus gleichsam im Paradies“, heißt es denn auch im Stuttgarter Kleinen Kommentar zu den Evangelien: „Der Geist, der Jesus in die Wüste getrieben hatte, hatte ihn – in das Paradies gelangen lassen. Und er, Jesus, verspielte es nicht aufs Neue.“

In der pastoralen Konstitution über die Kirche in der Welt von heute des Zweiten Vatikanischen Konzils heißt es: „Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf.“ (GS 22) Markus zeichnet mit ein paar kräftigen Strichen dieses Geheimnis des Menschen Christus, und damit die Gestalt des Menschen überhaupt. Obwohl Gottes geliebter Sohn – im Evangelium unmittelbar zuvor, bei der Taufe, feierlich bekannt vor aller Welt vom Vater im Himmel –, ist er doch ganz und gar Mensch und nichts Menschliches ist ihm fremd – auch die Versuchung und die verschiedensten Wüstenerfahrungen des Menschen sind ihm vertraut.

Und so kann der Verweis auf „die wilden Tiere“ schließlich auch als Hinweis auf die „menschenleere Schauerlichkeit des Ortes“, der Wüste, gesehen werden. Papst Benedikt XVI. hatte in der Predigt während der Heiligen Messe zu seiner Amtseinführung verschiedene „Wüsten“ der Menschen angesprochen: „Es gibt die Wüste der Armut, die Wüste des Hungers und des Durstes. Es gibt die Wüste der Verlassenheit, der Einsamkeit, der zerstörten Liebe. Es gibt die Wüste des Gottesdunkels, der Entleerung der Seelen, die nicht mehr um die Würde und um den Weg des Menschen wissen.“

Welchen Ausweg aber gibt es aus diesen Wüsten? – Den Weg der Umkehr und des Glaubens!

„Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ So fasst Markus die ganze Botschaft Jesu zusammen. Wörtlich übersetzt heißt es aber eigentlich nicht „glaubt an das Evangelium“, sondern „seid gläubig im Evangelium“! Jesus geht es nicht um das Glauben eines „Lehr-Inhaltes“, sondern um eine Lebenshaltung, um das Festhalten und Leben in dieser neuen Art des Menschseins, des immer neu zu erringenden, abgewogenen Stehens in der Mitte zwischen Materie (Tiere) und Geist (Engel). Das Eigene, das Selbstgemachte, alle hohe Meinung von sich selbst, alles Besserwissen aufzugeben und sich ganz demütig und gläubig dem Kommen des Reiches aufzuschließen, Gott kommen zu lassen, wie Er es will und nicht, wie wir Menschen es wollen und dann mit vollem Glauben dabei zu sein – das ist das ganze Geheimnis der christlichen Botschaft, das es im je eigenen „Lebensdrama“ zwischen leiblicher Gefahr und übernatürlichem Schutz immer tiefer zu entdecken und je neu zu realisieren gilt.

Michael Wohner, Kirchenzeitung vom 22. Februar 2015

Lesungen zum 1. Fastensonntag am 22. Feburar 2015