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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Das Gleichnis vom Unkraut im Weizen

Das Herzstück der Verkündigung Jesu bilden ohne Zweifel die Gleichnisse. Über den Wandel der Zeiten hinweg berühren sie uns immer wieder. Die Gleichnisse Jesu sind von einzigartiger Klarheit und Schlichtheit. In ihnen spüren wir ganz unmittelbar die Nähe zu Jesus. Dennoch müssen wir immer wieder neu fragen, was Jesus uns damit sagen will.

Jesus zog, wie der Evangelist Matthäus schreibt, vor allem in den Städten und Dörfern Galiläas umher, um die Botschaft vom Reich Gottes in Gleichnissen zu verkünden. Die zentrale Botschaft seiner Verkündigung lautet:
„Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15) – „Diese Ankündigung bildet die Mitte von Jesu Wort und Wirken“ (Benedikt XVI.).

Heute hören wir das Gleichnis vom Unkraut im Weizen. Jesus vergleicht das Wachstum des Gottesreiches mit dem Wachsen der Saat auf einem Getreidefeld: „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf einen Acker säte“. Eines Nachts, als alles schlief, kam sein Feind und säte heimlich Unkraut zwischen den Weizen. Als nun die Saat heranwuchs, kam auch das Unkraut zum Vorschein. Da gingen die Knechte zum Gutsherrn und fragten ihn: Hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut? Das muss mein Feind gewesen sein, erwiderte dieser.

Die Knechte sind entschlossen, das Unkraut sofort zu jäten und auszureißen. Doch der Gutsherr hindert die Knechte an ihren Plänen. Sie würden sonst mit dem Unkraut auch den Weizen ausreißen. Er mahnt zur Besonnenheit und zur Geduld: Lasst beides wachsen bis zur Ernte.

Der Mann, der den guten Samen sät, ist Jesus, der Menschensohn. Der Acker ist die Welt. Die gute Saat sind die Menschen, die auf Gottes Wort hören. Der Feind, der das Unkraut gesät hat, ist der Teufel. Das Unkraut sind die Söhne des Bösen, die auf den Widersacher Gottes hören. Die Ernte ist das Ende der Welt. Die Arbeiter dieser Ernte sind die Engel.  

Das Gleichnis macht deutlich: Neben der guten Saat gibt es auch die Saat des Bösen. Gutes Saatgut und Unkraut wachsen nebeneinander bis zur Ernte. Bei der Ernte wird sich entscheiden, was Weizen und was Unkraut ist. Wie auf dem Getreidefeld so ist es auch im Reich Gottes: Es gibt nicht nur den Weizen, sondern auch das Unkraut. Mit anderen Worten: Die Kirche besteht nicht nur aus Heiligen, sondern auch aus Sündern.

Jesus wendet sich im Gleichnis vom Unkraut gegen diejenigen, die meinen, sie könnten das Gericht Gottes schon hier auf Erden vorweg- nehmen. Manchmal möchten wir, dass Gott eingreift und dem Bösen, dem Hass, dem Neid, der Gewalt, der Korruption oder dem Miss-brauch ein Ende macht. Das radikale Vorgehen, wie es die Knechte fordern, entspricht nicht dem Willen Gottes, der geduldig und langmütig ist. Wenn Gott alles wachsen lässt bis zur Ernte, dann dürfen wir nicht voreilig urteilen. Wachsen lassen heißt, Geduld haben und warten können. 

Papst Franziskus hat bei der Frühmesse am 23. Juni in der Kapelle des Hauses Santa Marta davor gewarnt, vorschnell zu richten. Wörtlich sagte er: „Der einzige Richter ist Gott. Wer richtet, wer über andere schlecht redet, wer über andere urteilt, setzt sich an die Stelle Gottes. Gott lässt sich zum Richten Zeit. Er wartet bis zum Tag der Ernte.“

Msgr. Herbert Lang, Kirchenzeitung vom 20. Juli 2014

Lesungen zum 16. Sonntag im Jahreskreis am 20. Juli 2014