Zum Inhalt springen

AUF EIN WORT

Advent – die Zeit der Erschütterung

Erster Adventssonntag, 27. November 2011

Der Advent ist die Zeit der Erschütterung, in der der Mensch wach werden soll“, so skizziert der bekannte Jesuitenpater Alfred Delp die Zeit, die vor uns liegt. Aber wieso ist der Advent eine Zeit der Erschütterung? Ist er nicht eher eine Zeit der stillen Beschaulichkeit und zugleich der Hektik im Blick auf die Weihnachtsvorbereitungen?

Bereits der 1. Adventsonntag spricht nicht von Hektik oder Beschaulichkeit, sondern von Wachsamkeit. Wozu aber Wachsamkeit? Wachsam sein deshalb, weil „Ihr nicht wisst, wann die Zeit da ist!“ Aberwelche Zeit? Es ist die Zeit der Rückkehr des Herrn, der „auf Reisen ist“. Christus selbst ist dieser Herr, er, der Menschensohn. Ist er außer Haus? Weit weg von meinem Leben, vom Alltag, von unserer modernen Welt? Kommt er bei mir, bei uns noch vor? Oder brauche ich ihn nur dann, wenn ich in kritischen Lebenssituationen einen Notruf starte? Dann aber muss er unbedingt zur Stelle sein.

Wie kann ich wachsam für ihn werden, wachsam für seine Ankunft? Das Evangelium meint, indem wir Christen die Rolle eines Türhüters übernehmen. Türhüter oder Türsteher vor Discos, Kasernen oder Hotels haben vor allem Wach- oder Kontrolldienste zu tun.

Das Evangelium mutet uns jedoch eine andere Türhüterrolle zu. Es ist ähnlich der Rolle der wachsamen Hüter oder Hirten von Bethlehem. Auch im wohl entscheidensten Moment ihres Lebens halten sie Nachtwache bei ihrer Herde. Was ist das für ein Moment? Es ist der Moment des aufgerissenen Himmels, wo ihnen durch den Engel des Herrn kundgetan wird: „Die Zeit ist da, Gott ist im Kommen, er wird Mensch, brecht auf!“

Türhüter sein bedeutet also: Den Einbruch und die Rückkehr des Herrn nicht verschlafen, sondern wachsam sein für ihn. Den Herrn selbst nicht abweisen, sondern Gott in unsere Welt und in das Haus unseres Herzens einlassen! Sind wir dafür wachsam? Haben wir dafür ein Auge und ein Ohr oder lassen wir uns in diesen Wochen zudecken von Hektik und Betriebsamkeit?

Weder Schläfrigkeit noch Hektik, sondern Wachsamkeit des Herzens und Entschleunigung mit dem Blick für das Wesentliche in meinem Leben, das ist der Advent. Sein Ruf ist: „Mensch, ändere doch mal wieder dein Leben!“ Das mag uns zwar erschüttern. Aber „der Advent ist eben“, so Pater Delp, „die Zeit der Erschütterung, in der der Mensch wach werden soll“ für die Ankunft Gottes hier und heute.

Dekan Msgr. Richard Distler

Lesungen zum ersten Adventssonntag im Jahreskreis B am 27. November 2011