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Ersatz für die verlorene Heimat

Über die Banaterschwaben und die Beziehungen zwischen Eichstätt und Rumänien

Sie verbringen ihren Lebensabend fernab der eigentlichen Heimat, dem Banat. Über hundert Senioren leben im Josef-Nischbach-Haus in Ingolstadt. Das Seniorenzentrum, das vom Hilfswerk der Banaterschwaben getragen wird, ist nach einem katholischen Priester benannt, der aus dem Banat stammte und 1959 nach Deutschland kam.

Die Einrichtung, die auf dem Gebiet der Pfarrei St. Augustin liegt, besteht seit 1999. Bei seinem jüngsten Pastoralbesuch (siehe S. 7) machte Bischof Dr. Gregor Maria Hanke OSB Station bei den Banatern. „Unsere Bewohner waren sehr begeistert“, erzählt Heimleiterin Elisabeth Klein im Gespräch mit der Kirchenzeitung. Der Chor der Banaterschwaben empfing Hanke mit einem eigens umgetexteten Lied. Bei einem Wortgottesdienst in der Hauskapelle, benannt nach Schwester Hildegardis Wulff, traten die Sänger erneut in Erscheinung.

Das Banat liegt größtenteils auf dem Gebiet Rumäniens. Doch nicht nur über das Seniorenzentrum finden sich Brücken und Beziehungen zwischen dem Bistum Eichstätt und dem Staat in Mitteleuropa. So berichtet das Referat Weltkirche von mehreren Projekten, die in den vergangenen Jahren gefördert wurden. Allein ins Erzbistum Alba Iulia flossen über 10.000 Euro. Mit den Geldern konnte unter anderem eine Zentralheizung in einem Pfarrhaus installiert werden. In der Diözese Hu?i förderte Eichstätt den Bau einer Kirche mit 12.000 Euro und in der Pfarrei Blaj-Tiur konnte mithilfe der finanziellen Unterstützung aus dem Bistum das Pfarrzentrum zu Ende gebaut werden. Keine finanzielle sondern ideelle Hilfe leistete im vergangenen Jahr Günter Dischinger in Rumänien. Der frühere Schulleiter eines Gymnasiums reiste auf eigene Kosten nach Gheorgheni um Deutsch zu unterrichten (siehe Beitrag S. 31).

Schon seit 14 Jahren unterstützen die Kindergärten aus Ochsenfeld und Möckenlohe rumänische Kinder. Einmal im Jahr stellen sie Weihnachtspakete und Hilfsgüter für Einrichtungen im rumänischen Carei bereit, die das Technische Hilfswerk dann dorthin bringt (siehe Beitrag unten). An einer ähnlichen Hilfsaktion beteiligte sich vor einigen Jahren das Kinderhaus der Dompfarrei Eichstätt. Zusammen mit dem Gabrieli-Gymnasium und der Katholischen Elternschaft der Diözese Eichstätt schickten sie einen Lastwagen, vollbeladen mit Weihnachtspäckchen, nach Alba Iulia.Empfänger dort: Familien und Kinder die betreut werden von Schwester Maria Hausner, eine Studienkollegin einer Eichstätter Religionslehrerin.

Messen im Altenheim

Bei den Senioren im Josef Nischbach-Haus ist die Erinnerung an die alte Heimat stark präsent. So steht das Brauchtum der Banaterschwaben regelmäßig im Mittelpunkt. An der Kirchweih im Oktober vergangenen Jahres beteiligten sich eine Trachtengruppe, eine Blaskapelle und der Banaterschwaben-Chor. Die Messe in St. Monika zelebrierte Monsignore Andreas Straub. Der 78-Jährige, der selber aus dem Banat stammt und in Alba Iulia 1961 die Priesterweihe empfing, ist regelmäßig zu Gast bei seinen Landsleuten in Ingolstadt. Erst vor wenigen Wochen feierte er eine Messe in Ingolstadt und war anschließend bei der Kranzniederlegung am Denkmal für die nach Russland und in die B?r?gan-Steppe deportierten Rumäniendeutschen dabei. Im Garten des Seniorenheims erinnert ein Gedenkstein von Walter Andreas Kirchner an die Verschleppungen, die im Haus immer wieder zur Sprache kommen. So seien unter den Heimbewohnern noch einige Männer, die aus dem Banat nach Russland deportiert wurden, berichtet Heimleiterin Klein. Gedichte, Lieder und Briefe von Müttern an ihre Kinder die an die schreckliche Zeit erinnern, standen bei der Gedenkveranstaltung im Hildegardis-Saal auf dem Programm. „Wir halten bewusst die Erinnerung damit wach“, sagt Klein.

Jeden zweiten Donnerstag werden im Heim Gottesdienste gefeiert. Neben Straub ist es vor allen Dingen Ortspfarrer Erich Schredl, der die Messen mit und für die Banaterschwaben zelebriert. Bei Wortgottesdiensten übernimmt auch schon einmal eine der Niederbronner Schwestern, die gleich neben dem Josef Nischbach-Haus wohnen, den Dienst. Zudem leisten die Ordensfrauen Besuchsdienst. Wie Schredl berichtet, würden nicht nur im Seniorenheim sondern in dem ganzen Viertel, das zu seiner Pfarrei gehört, viele Banater leben. Einige haben sich dem Chor angeschlossen, andere sind in der Seniorengruppe von Franziska Graf aktiv. Seit über 15 Jahren treffen sich Banater aus der Stadt und dem Heim zu gemeinsamen Aktivitäten. So gibt es eine Seniorentanzgruppe, in der auch über 80-Jährige mitwirken. Der Chor trete immer wieder bei Beerdigungen auf, berichtet Graf. Einer alten Tradition aus dem Banat folgend, begleiten die Sänger den Verstorbenen „bei Wind und Wetter“ mit Liedern auf seinem letzten Weg bis ans Grab. Zum Programm der Banater-Seniorengruppe gehören zudem regelmäßige Ausflüge, darunter an das Grab der heiligen Anna Schäffer nach Mindelstetten.

Das Josef Nischbach-Haus biete den Banatern „einen Ersatz für die verlorene Heimat“, schreibt Graf in einem Beitrag über die Seniorenarbeit. Das Brauchtum mit traditionellen Liedern und Tänzen, die Erinnerungen, auch an dunkle Kapitel der Geschichte, und das religiöse Leben tragen ihren Teil dazu bei. 

Andrea Franzetti, Kirchenzeitung Nr. 6 vom 8. Februar 2015