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29.07.2024

„Missionskräfte“ sind das Gesicht einer weltweiten Gemeinschaft

Foto: Christiane Hetterich

Weltkirche-Referent Gerhard Rott 2005 zu Besuch in Südafrika bei den Mallersdorfer Schwestern aus dem Bistum Eichstätt Emanuela Kraus und Modoalda Stigler. Foto: Christiane Hetterich

Eichstätt. (pde) – Fünfzehn Frauen und neun Männer aus dem Bistum Eichstätt sind derzeit als „missionarische Kräfte“ in zwölf Ländern im Einsatz. Sie leisten eine Arbeit, die zum Wesen der Kirche gehört: „Mission“. Wie stark sich das Bild der Missionarinnen und Missionare verändert hat, zeigt ein Blick in die Geschichte des Referats Weltkirche, das vor rund 50 Jahren entstanden ist.

Es war ein Missionar aus Südengland, Willibald, der um 740 den katholischen Glauben in die Region des heutigen Bistums Eichstätt gebracht hat. Er tat das, wofür der Begriff „Mission“ über lange Zeit stand: Menschen zum christlichen Glauben zu bekehren. Deshalb hat das Wort „missionieren“ noch heute in manchen Regionen der Welt einen schalen Beigeschmack, bedeutete es über Jahrhunderte, Religion und Lebensweise anderer Kulturen durch eine christliche zu ersetzen, die als überlegen und einzig wahre betrachtet wurde. Nicht selten litten die „Bekehrten“ darunter. Das katholische Hilfswerk missio München beschreibt es so: „In der langen Geschichte der Kirche, die auch von vielen Fehlentwicklungen begleitet wurde, waren Missionare allzu oft aus Naivität, aus Kalkül oder aus Überzeugung Handlanger europäischer Kolonialherren, die großes Unheil über Land und Menschen brachten. Dieses Unheil wirkt in weiten Teilen bis heute nach, zum Beispiel durch Bürgerkriege unter anderem aufgrund willkürlich gezogener Grenzen oder durch korrupte Eliten, die Staaten in die Misswirtschaft treiben.“ Unter Papst Johannes Paul II. wurde ein Reflexionsprozess über diese Ereignisse angestoßen, der darin mündete, dass die Kirche um Vergebung für Gewalt und Intoleranz im Rahmen der Mission bat.

Vor diesem Hintergrund hat sich laut missio München das Bild des Missionars inzwischen stark verändert: „Der Fokus liegt heute weniger auf Christen, die ihre Heimat verlassen, um meist im globalen Süden unter Fremden zu arbeiten. Es sind die Laien, die Priester, die Ordensschwestern oder schlicht die Menschen vor Ort, die inzwischen in ihrem eigenen kulturellen Kontext als Missionarinnen und Missionare tätig sind – und die heute vielfach in die einstigen Herkunftsländer der Missionare kommen, um ihre Botschaft von einer weltweiten Gemeinschaft mit Leben zu füllen.“ Die Bezeichnung „Missionar“ oder „Missionarin“ rückt in den Hintergrund. Der Zusammenschluss der deutschen Ordensgemeinschaften zum Beispiel spricht von „Missionskräften“, das Referat Weltkirche der Diözese Eichstätt nennt sie „missionarische Kräfte“. Sie sind nach dem neuen Verständnis von Mission das Gesicht einer weltweiten Gemeinschaft, in der jede und jeder von der anderen und vom anderen lernt, „eine Gemeinschaft, die im Gebet vereint ist, eine Gemeinschaft solidarischen Handelns“, wie es missio beschreibt.

Ordensleute und Freiwillige

Wie viele solcher Menschen seit Willibalds Ankunft aus dem Bistum Eichstätt in die Welt aufgebrochen sind, ist nicht bekannt. Im Jahr 1979 veröffentlichte das Missionsreferat (so hieß ursprünglich das Referat Weltkirche) erstmals ein Verzeichnis aller aus dem Bistum Eichstätt stammenden missionarischen Kräfte in Nord- und Südamerika, Afrika, Asien und Ozeanien. Zum überwiegenden Teil waren es Missionarinnen: 96 Ordensschwestern standen 49 männliche Missionare, darunter auch einige Diözesanpriester, Ordensbrüder und ein Entwicklungshelfer zur Seite. Sie wirkten in 23 Ländern, verteilt auf drei Kontinente. Zwischenzeitlich stieg die Zahl der Missionarinnen und Missionare aus dem Bistum auf 300 Personen.

Aktuell stehen noch 24 missionarische Kräfte aus der Diözese Eichstätt im Dienst der Weltkirche. „Dazu gehören auch die jungen Menschen, die für ein Jahr einen Weltfreiwilligendienst im Ausland leisten“, erklärt Dr. Gerhard Rott, Leiter des Referats Weltkirche und Diözesandirektor der Päpstlichen Missionswerke. „Die Freiwilligen können viel über andere Kulturen lernen und auf den Spuren der Missionarinnen und Missionare zum friedlichen Zusammenleben der Völker beitragen sowie ihr persönliches Zeugnis als Christen in der Welt und in ihrem Umfeld ablegen“, sagt Rott. Das entspreche auch dem ursprünglichen Gedanken, dass jede Christin, jeder Christ gesandt, sozusagen eine Missionarin, ein Missionar ist.

Heimatverbunden

„Missionarische Kräfte“ sind in der Weltkirche zu Hause. Im Heimaturlaub, der früher nur alle fünf Jahre vorgesehen war, später dann alle drei Jahre, nutzten viele von ihnen die Zeit, um dem Bischof und im Referat Weltkirche über Ihre Arbeit zu berichten und Spenden zu sammeln. „Traditionell waren die Missionarinnen und Missionare am Willibaldsfest zum Gottesdienst mit eingeladen. Anschließend gab es ein gemeinsames Mittagessen mit dem Bischof und einen Ausflug, der an die Orte der Missionsgeschichte des Bistums Eichstätt führte“, erzählt Rott.
Wie wichtig der Kontakt zum Heimatbistum ist, zeigen auch die liebevollen Antworten auf die Weihnachtspost, die das Referat Weltkirche jährlich verschickt, und die große Freude, wenn einmal Besuch aus Eichstätt sich ankündigt. „Weil es den missionarischen Kräften guttut, wenn sie erfahren, dass sie von der Heimat nicht vergessen sind, werden Projektreisen oder auch der private Urlaub zum Teil so organisiert, dass man einen Abstecher zu ihnen machen kann“, sagt Dr. Gerhard Rott.

Rest-Cent für stille Missionare

Es gab auch schon Fälle, wo ein solcher Abstecher im „Missionsort“ lange auf sich warten ließ, wie Rott schildert: „2005 ergab es sich, dass Schwester Modoalda Stigler, eine aus Neumarkt-Pölling stammende Mallersdorfer Franziskanerin, nach 50 Jahren in der Mission erstmals Besuch von Heimatbistum bekam. Über ein kleines Geschenk hat sie sich sehr gefreut und zur jüngeren Mitschwester Emanuela gesagt, ‚nach meinem Tod bekommst du es dann‘.“ In Kenia habe eine Delegation aus dem Bistum Eichstätt 2022 nur noch das Grab eines schon lange bei einem Unfall verstorbenen Missionars besuchen können. „Die Botschaft des Heimatbistums lautet an jeden dieser Orte: der missionarische Dienst in der Weltkirche ist nicht vergessen“, sagt Rott. Um auch die stillen Missionarinnen und Missionare nicht zu vergessen entschlossen sich die Mitarbeiterinnen des Bistums im Jahr 2010 dazu, durch eine Rest-Cent Aktion einen Teil ihres Gehalts den Missionaren und anderen Projekten zur Verfügung zu stellen.

Ein Missionar als Bischof

Schon allein wegen seiner Bestellung zum Weihbischof von Sucre (Bolivien) durch Papst Benedikt XVI im Jahr 2008 ragt der in Kipfenberg und Eichstätt aufgewachsene Adolfo Bittschi nach Einschätzung von Rott in gewisser Weise aus der Reihe der Missionare heraus. Er ging 1983 als Fidei-Donum-Priester in die Mission nach Bolivien und leitete dort von 1985 bis 2008 die Pfarrei Incahuasi im Hochland. Seit 2023 leitet er die Missionswerke der Bolivianischen Bischofskonferenz. „Fast jedes Jahr besucht er seine Heimat, um hier als Firmspender jungen Leuten von der Lage der Kirche in Lateinamerika zu berichten“, erzählt der Leiter des Referats Weltkirche.

Eine herausragende Person in der Mission ist in den Augen von Rott auch Schwester Karoline Mayer, die seit 1968 in Chile wirkt. Die gebürtige Eichstätterin hat bereits viele Auszeichnungen für die Arbeit ihrer Wohltätigkeitsorganisation „Cristo Vive“, die in Chile, Bolivien und Peru tätig ist, erhalten. Neben dem Bundesverdienstkreuz zählen dazu die Verleihung der chilenischen Staatsbürgerschaft im Jahr 2001 und die Auszeichnung mit dem Eichstätter Shalompreis für Gerechtigkeit und Frieden, einem der höchstdotierten Menschenrechtspreise in Deutschland.

Ein ehemaliger Schüler der Rebdorfer Knabenrealschule der Diözese Eichstätt, Manfred Göbel, setzt sich seit 1979 bis heute, auch nach seiner Pensionierung, in Brasilien als äußerst anerkannter Experte für die Bekämpfung von Lepra ein. Laut Rott ist Göbel der längst gediente Entwicklungshelfer, der aus Eichstätt ausgesandt wurde. „Niemand hat hier auf mich gewartet: Das ist die erste Erfahrung des jungen Mannes, der nach Brasilien auszog, um Entwicklungshelfer zu werden – mit Touristenvisum, dürftigem Gepäck und im Kopf das Gedankengut Che Guevaras.“ So beginnt der Klappentext des autobiografischen Buches, das Manfred Göbel 2007 im Herder-Verlag veröffentlich hat: „Größer als Furcht ist die Liebe. Mein Einsatz gegen Lepra“. Mehr als 200.000 Menschen in Brasilien verdanken ihm, dass sie ein normales Leben führen können, trotz Lepra-Erkrankung.

Text: Geraldo Hoffmann

„Da war ich der Lehrling“

Mission ist für mich Berufung, an die ich nicht gedacht habe. Ich wollte Priester in der Diözese Eichstätt sein und bleiben, obwohl mich die Berichte von Adveniat über Lateinamerika immer sehr interessierten. Die Berufung kam vor meiner Diakonenweihe am 24. August 1976 bei 30-tägigen ignatianischen Exerzitien.

Als ich hier angekommen bin, dachte ich, dass ich den Leuten den Glauben lehren muss. Doch das hat sich bald geändert. Ich musste unterscheiden zwischen der Lehre, was wir glauben, und der Art und Weise oder besser der Tiefe des Glaubens und Vertrauens auf Gott und Jesus Christus. Und da war ich der Lehrling.

Nach über 40 Jahren ist mir deshalb immer noch wichtig mit den Leuten den Glauben zu leben und uns gegenseitig zu einer persönlichen Beziehung zu dem lebendigen und in unserem Leben gegenwärtigen Gott zu kommen und diese Erfahrung zu pflegen.

Hier in Bolivien hat sich so vieles geändert. Von den 60 Priestern in der Erzdiözese Sucre, die grösser ist als die Schweiz, sind wir nur noch sechs Europäer: drei aus Bayern, zwei Spanier und ein Italiener. Der Erzbischof ist jetzt ein Bolivianer. Dennoch würden wir uns freuen, wenn weiterhin nicht nur Geld, sondern auch Missionare aus Europa kämen, denn die Ernte ist groß und die Arbeiter zu wenig.

Weihbischof Adolfo Bittschi, Bolivien

"Das macht mich als Missionarin zur glücklichsten Frau der Welt"

Meine Mission: Während der 56 Jahre im missionarischen Einsatz in Lateinamerika, vor allem unter den Armen in Chile, habe ich gelernt, ihnen Jesu Frohe Botschaft zu verkünden und sie selbst in Gemeinschaft mit ihnen zu leben. Im Miteinander das Evangelium zu lesen und versuchen, es in die tägliche Praxis umzusetzen, stärkt das Vertrauen und die Liebe zu unserem Meister und lässt uns zu seinen Jüngern und Jüngerinnen werden. Das macht mich als Missionarin zur glücklichsten Frau der Welt.

Schwester Karoline Meyer, Chile

In der Mission zum Glauben gefunden


Ich bin als Entwicklungshelfer der Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe - AGEH/Köln unter dem Titel „Laienmissionar“ nach Brasilien gegangen. Ich war der einzige Entwicklungshelfer, der nicht im pastoralen Bereich tätig war, allerdings war mein Auftraggeber in Brasilien die Franziskanermission. Gläubig war ich auch nicht.

Mein Motiv damals nach Brasilien zu gehen, war Abenteuerlust und der Drang andere Kulturen und Menschen kennenzulernen. Doch die Realität, die brutale Armut, die Ungerechtigkeit und die verstümmelten Leprakranken bewirkten bei mir eine Schockwirkung. So hatte ich mir das nicht vorgestellt.

Gerade bei den armen Menschen und bei den Leprakranken fand ich einen neuen Sinn für mein Leben und auch meinen Glauben an Gott. Es war ein gegenseitiges Geben und Lernen. Nicht Besserwisserei war gefragt, sondern zuhören, verstehen und teilen. Das ist ein Prozess, der Zeit braucht, vielleicht ein ganzes Leben. Als Christen dürfen wir uns nicht schämen für unseren Glauben Zeugnis zu geben. Unsere Kraft ist die Liebe, die von Gott kommt und in unserem täglichen Leben durch das Miteinander umgesetzt werden muss. Kann man den Nächsten lieben ohne Gott? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Zusammenleben mit Menschen anderer Kulturen Vorurteile abbaut und Frieden stiftet.

Manfred Göbel, Brasilien

Steckbrief: Missionar/Missionarin

Für Weihbischof Bittschi ist Mission eine Berufung, in der Arbeitswelt wird sie auch als Beruf gesehen. Wer im Internet nach den Begriffen „Missionar“ oder „Missionarin“ sucht, landet bald auf der Website der Bundesagentur für Arbeit. Dort wird „Missionar/in“ als durchaus attraktiver Weiterbildungsberuf vorgestellt. In einem Steckbrief werden die vielfältigen Aufgaben und Tätigkeit beschrieben.

„Missionare und Missionarinnen vermitteln an ihren jeweiligen Einsatzorten die christliche Glaubenslehre und leisten praktische, soziale sowie pädagogische Unterstützung. Sie betreuen christliche Bevölkerungsgruppen seelsorgerisch, leiten bestehende Gemeinden oder wirken mit beim Aufbau neuer Gemeinden. In Gottesdiensten, die sie nach Möglichkeit in der jeweiligen Landessprache halten, verkünden sie das Evangelium. Sie erteilen Religionsunterricht sowie Unterricht in allgemeinbildenden Fächern, beraten und begleiten Menschen in schwierigen Lebenslagen und leisten ihnen Beistand. Je nach Vorberuf vermitteln sie Basisausbildungen z.B. im haus- und landwirtschaftlichen oder handwerklichen Bereich, nehmen sozial- und krankenpflegerische Aufgaben wahr oder gestalten die Öffentlichkeitsarbeit. In ihren europäischen Partnerdiözesen bzw. -gemeinden halten sie Informationsveranstaltungen ab und organisieren Sammlungen. Außerdem veranlassen sie Hilfsleistungen in Zusammenarbeit mit kirchlichen und anderen Organisationen, wirken bei der Verteilung von Hilfsgütern mit und unterstützen Eigeninitiativen vor Ort.“

Das Informationszentrum Berufe der Kirche in Freiburg hat zusammen mit dem Deutschen Katholischen Missionsrat dazu ein Informationsblatt herausgegeben: „Mein Beruf/Meine Berufung: Missionsberufe“ (Stand: 1998)