Die Professorin Katja Tielbörger vom Lehrstuhl für Vegetationsökologie der Universität Tübingen machte im Hauptvortrag der Veranstaltung klar, dass es ihr nicht darum gehe, die neuen Verfahren der Gentechnik grundsätzlich abzulehnen. Das mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Verfahren CRISPR-Cas 9, die sogenannte „Genschere“, sei sicher wertvoll und könne Veränderungen im Erbgut wesentlich zielgerichteter erreichen als herkömmliche Züchtungsverfahren. Deshalb argumentierten Molekularbiologen, das Verfahren müsse hinsichtlich der Auflagen der herkömmlichen Züchtung gleichgestellt werden. Dies sehe sie jedoch äußerst kritisch, so Tielbörger, da die Eingriffstiefe der neuen Verfahren wesentlich höher sei und damit wesentlich schneller deutlich mehr Veränderungen der Pflanzen-Genome erreicht werden könnten. „Es muss also um die wissenschaftliche Evaluierung der Chancen und Risiken gehen, die mit auf diese Weise erschaffenen Pflanzen einhergehen“, so Tielbörger. Das fehle in den vorliegenden Gesetzentwürfen jedoch völlig, weshalb diese aus ihrer Sicht völlig unhaltbar seien. So sehe der Gesetzesvorschlag vor, die Auflagen von der Anzahl der Veränderungen abhängig zu machen. Dies sei jedoch eine letztlich irrelevante Größe, da es vor allem um die Auswirkung der Veränderungen gehe und nicht deren bloße Anzahl.
Ihre größte Sorge seien zum einen der zügellose Einsatz der neuen Technik in der Grundlagenforschung und zum anderen die Tatsache, dass die Deregulierung auch sämtliche Wildpflanzen umfassen soll, zeigte sich Tielbörger betroffen. Über 300.000 Pflanzenarten würden damit zum Spielfeld von Wissenschafts- und Konzerninteressen. Viele der Versprechungen der Verfechter der Neuen Gentechnik seien aus ihrer Sicht der Versuch, Probleme auf einer hohen Organisationsebene mit Methoden auf molekularer Ebene zu lösen, ohne tatsächlich über das fachliche Verständnis für die Komplexität der zu lösenden Herausforderungen zu verfügen. So nutze eine auf Trockenheitsresistenz gezüchtete Pflanze wenig, wenn man in Zeiten der durch den Klimawandel hervorgerufenen Wetterextreme lokal nicht wisse, ob einen im kommenden Jahr ein extremer Nässe- oder ein Trocken-Sommer erwarte.