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10.03.2025

Studientag: „EU-Vorschlag zur neuen Gentechnik ignoriert fundamentale ökologische Prinzipien“

Bischof Gregor Maria Hanke spricht beim Studientag zur Neuen Gentechnik. Foto Thomas Müller

Bischof Hanke: „Die Kirche muss die Stimme für Umweltschutz und die Bewahrung der Schöpfung erheben“. Foto: Thomas Müller

Eichstätt – Die vorliegenden Verhandlungspapiere der EU-Kommission, des Länderrates und des EU-Parlamentes zur Deregulierung der sogenannten Neuen Gentechnik sind unhaltbar, weil sie fundamentale ökologische Prinzipien ignorieren und ausschließlich auf molekularbiologischer Ebene wissenschaftlich hinterlegt sind.

Das war die einhellige Einschätzung aller Expertinnen und Experten beim mit rund 50 Teilnehmenden gut besuchten Studientag „Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt!?“. Veranstaltet haben die Tagung am Samstag, 8. März, im Priesterseminar Eichstätt die Stabsstelle Schöpfung, Klima- und Umweltschutz im Bistum Eichstätt, der BUND Naturschutz Bayern und das Landes Bildungswerk der KLB in Bayern. „Schöpfung ist eine Gabe. Das bedeutet die Verpflichtung, anders damit umzugehen, als mit einem Werkstoff, über den ich einfach verfügen kann“, mahnte Bischof Gregor Maria Hanke, der zu Beginn der Tagung aus seinen 30 Jahre zurückliegenden Erfahrungen zu diesem Thema aus seiner Zeit als Abt des Klosters Plankstetten berichtete.

Hanke zeigte sich dankbar für diese Tagung, weil Ökologie und Schöpfung gesellschaftlich gerade an Relevanz verloren hätten, was eine gefährliche Entwicklung angesichts der Herausforderungen sei. Deshalb müsse Kirche die Stimme für Umweltschutz und die Bewahrung der Schöpfung erheben. „Wir verändern Schöpfung, ohne die möglichen weiteren Veränderungen noch kontrollieren zu können“, so Hanke weiter in seinen einführenden Worten.

Es muss um die wissenschaftliche Evaluierung der Chancen und Risiken gehen

Die Professorin Katja Tielbörger vom Lehrstuhl für Vegetationsökologie der Universität Tübingen machte im Hauptvortrag der Veranstaltung klar, dass es ihr nicht darum gehe, die neuen Verfahren der Gentechnik grundsätzlich abzulehnen. Das mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Verfahren CRISPR-Cas 9, die sogenannte „Genschere“, sei sicher wertvoll und könne Veränderungen im Erbgut wesentlich zielgerichteter erreichen als herkömmliche Züchtungsverfahren. Deshalb argumentierten Molekularbiologen, das Verfahren müsse hinsichtlich der Auflagen der herkömmlichen Züchtung gleichgestellt werden. Dies sehe sie jedoch äußerst kritisch, so Tielbörger, da die Eingriffstiefe der neuen Verfahren wesentlich höher sei und damit wesentlich schneller deutlich mehr Veränderungen der Pflanzen-Genome erreicht werden könnten. „Es muss also um die wissenschaftliche Evaluierung der Chancen und Risiken gehen, die mit auf diese Weise erschaffenen Pflanzen einhergehen“, so Tielbörger. Das fehle in den vorliegenden Gesetzentwürfen jedoch völlig, weshalb diese aus ihrer Sicht völlig unhaltbar seien. So sehe der Gesetzesvorschlag vor, die Auflagen von der Anzahl der Veränderungen abhängig zu machen. Dies sei jedoch eine letztlich irrelevante Größe, da es vor allem um die Auswirkung der Veränderungen gehe und nicht deren bloße Anzahl.

Ihre größte Sorge seien zum einen der zügellose Einsatz der neuen Technik in der Grundlagenforschung und zum anderen die Tatsache, dass die Deregulierung auch sämtliche Wildpflanzen umfassen soll, zeigte sich Tielbörger betroffen. Über 300.000 Pflanzenarten würden damit zum Spielfeld von Wissenschafts- und Konzerninteressen. Viele der Versprechungen der Verfechter der Neuen Gentechnik seien aus ihrer Sicht der Versuch, Probleme auf einer hohen Organisationsebene mit Methoden auf molekularer Ebene zu lösen, ohne tatsächlich über das fachliche Verständnis für die Komplexität der zu lösenden Herausforderungen zu verfügen. So nutze eine auf Trockenheitsresistenz gezüchtete Pflanze wenig, wenn man in Zeiten der durch den Klimawandel hervorgerufenen Wetterextreme lokal nicht wisse, ob einen im kommenden Jahr ein extremer Nässe- oder ein Trocken-Sommer erwarte.

Diversifizierung fördern statt Patentabhängigkeiten schaffen

Der Nachmittag der Tagung bot den Teilnehmenden zunächst vier verschiedene Workshops, deren Referentinnen und Referenten dann zum Abschluss der Veranstaltung noch in einen Austausch mit dem per Videokonferenz zugeschalteten Europaabgeordneten Marin Häusling (Die Grünen)gingen. Häusling bat darum, weiter intensiv gegen das Gesetzesvorhaben anzugehen und die lokalen Europaabgeordneten zu mobilisieren. Auch wenn es angesichts des weit fortgeschrittenen Gesetzesverfahrens nicht mehr viele Möglichkeiten gäbe, noch wesentliche Verbesserungen zu erreichen, müsse alles getan werden, um wenigstens das Schlimmste zu verhindern, so der Europaabgeordnete.

Die Teilnehmenden der von der Bundesgeschäftsführerin der KLB Deutschland, Bettina Locklair, moderierten Podiumsdiskussion, Professorin Tielbörger, Dr. Martha Mertens vom Arbeitskreis Gentechnik des BUND Naturschutz Bayern, Dr. Christoph Then von der NGO TestBiotech und Dr. Luis Zühl vom Bundesamt für Naturschutz waren sich einig in der kritischen Beurteilung des Gesetzesentwurfs. Der EU-Vorschlag nehmen auch die Gefahr einer deutlich zunehmenden Abhängigkeit der Landwirte von Patenten sehenden Auges in Kauf. Was es ihrer Meinung nach eigentlich bräuchte: Diversifizierung fördern, weil sie Ertragsstabilität bringt, geringe Umweltauswirkungen nach sich zieht und neben der Resistenz und Resilienz auch die soziale Gerechtigkeit fördert. Diesem Fazit schlossen sich auch die Nachhaltigkeitsreferentin des Bistums, Lisa Amon, Harald Ulmer vom BUND Naturschutz Bayern und Martin Wagner vom Landesbildungswerk der KLB in Bayern für die Veranstalter der Tagung an.

Quelle: KLB Bayern

Nächster Schritt am 14. März 2025?

Seit mehr als 18 Monaten ringen die EU-Mitgliedsstaaten um eine gemeinsame Position zur Neuen Gentechnik (‚NGTs‘) bei Pflanzen. Die EU-Kommission hatte die Diskussionen durch ihren Vorschlag zur Deregulierung der NGTs im Sommer 2023 angeschoben. Nun sieht es so aus, als ob die Mitgliedsländer sich am 14. März auf eine Position festlegen werden. Das bedeutet, dass anschließend die finalen Verhandlungen zwischen den Mitgliedsländern (Rat), EU-Kommission und Europäischem Parlament starten werden - im Trilog. Das Ergebnis ist von großer Bedeutung für die Entwicklung der gentechnikfreien Land- und Lebensmittelwirtschaft. Mehr dazu auf der Website von MdEP-Mitglied Martin Häusling.