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07.04.2025

Schöpfung erleben mit Tiefgang: Spiritualität und Ökologie im Naturpark Altmühltal

Pilgern bei Heidenheim. Foto: Christian Klenk

Emaus-Gang mit Cordula Klenk: „Sich-in-Beziehung-Setzen zur Mitwelt, innere Wege und Erfahrungen mit dem äußeren Pilgerweg verbinden“. Foto: Christian Klenk

Eichstätt. (pde) – Rund sieben Millionen Tagesbesucher sowie etwa zwei Millionen Übernachtungen verzeichnet der Naturpark Altmühltal jedes Jahr. Der größtenteils im Bistum Eichstätt gelegene Park bietet viele Möglichkeiten, die Natur und eine tief verwurzelte Spiritualität zu erleben. Weltliche und kirchliche Angebote gehen dabei Hand in Hand.

Der Naturpark Altmühltal, einer der größten Deutschlands, liegt im Herzen Bayerns und erstreckt sich über etwa 3.000 Quadratkilometer in den Regierungsbezirken Mittelfranken, Oberbayern, Schwaben und Oberpfalz. Er beeindruckt mit einer einzigartigen Natur- und Kulturlandschaft, geprägt von bizarren Felsformationen, weitläufigen Wacholderheiden und den windungsreichen Tälern der Altmühl. Der 1969 gegründete Park ist ein beliebtes Ziel für Wandernde, Radfahrende und Naturfreunde. Eine Miniaturansicht seiner landschaftlichen und ökologischen Vielfalt bietet der Biotopgarten am Informationszentrum Naturpark Altmühltal in Eichstätt.

Oasen der Stille, Pilger- und Wanderwege

Prägend für den Park sind auch beeindruckende Sakralbauten und ein dichtes Netz an Wander- und Pilgerwegen. Das Kloster Weltenburg, der Eichstätter Dom, die Wallfahrtsbasilika „Maria Brünnlein“ in Wemding oder die 1.300 Jahre alten Überreste der Sola-Basilika sind Zeugen der Glaubensgeschichte der Region. Das Informationszentrum nennt auf seiner Website beispielsweise zwanzig „spirituelle Orte“. Es sind Wehr- und Wallfahrtskirchen, große Klöster und kleine Ruinen, die vom gelebten Glauben zeugen.

Vier Pilgerwege durchkreuzen den Park: der Ostbayerische Jakobsweg (164 km), der Wallfahrerweg (130 km), der Jakobsweg von Nürnberg nach Eichstätt (97 km) und der Ökumenische Pilgerweg zwischen Eichstätt und Heidenheim (72 km). Hinzu kommen Hunderte Kilometer Wanderwege, darunter der Altmühltal-Panoramaweg, der Frankenweg und der Jurasteig. Die Pilger- und Wanderwege führen durch ruhige Natur und zu steinernen Zeugnissen des Christentums. Sie laden dazu ein, die spirituelle und schöpferische Dimension der Natur zu entdecken. Sie führen zu „Oasen der Stille“, zu Kraftquellen sowie zu Kirchen und anderen Orten des Innehaltens. „Kraft- und Rastorte als ‚Haltestellen‘, meditativ-spirituelle Angebote sowie Kloster-Auszeiten sind Teil unseres Tourismuskonzepts“, sagt Naturpark-Geschäftsführer Christoph Würflein zum Start in die neue Saison.

Entschleunigung, Ruhe und Achtsamkeit

Angebote zum Innehalten gibt es zum Beispiel im Kloster St. Josef in Neumarkt, in der Benediktinerabtei Plankstetten und im ehemaligen Kloster Heidenheim. Im Tagungshaus Schloss Hirschberg bietet die Diözese Eichstätt Exerzitien, also Übungen für die Seele, an. Das Zen-Meditationshaus im Franziskanerkloster Dietfurt verbindet fernöstliche Achtsamkeitslehren mit christlicher Spiritualität.

Neben den Klöstern und Tagungshäusern hilft die von Urkräften geformte Natur selbst, der Hektik des Alltags zu entfliehen. In Essing kann man dafür in den Schoß der Erde hinabsteigen und bei meditativen Führungen das geheimnisvolle Ambiente der Tropfsteinhöhle Schulerloch auf sich wirken lassen. In der Stille der Höhle herrscht eine tiefe, ungestörte Ruhe. Die Führungen, die von Mai bis Oktober angeboten werden, sind glaubens- und richtungsneutral.

„Das Altmühltal unter die Füße nehmen und Gott mit dabei sein lassen“ – dazu laden die Wanderexerzitien der Diözese jährlich ein. Die nächsten finden vom 28. Mai bis 1. Juni sowie vom 18. bis 22. Juni statt. In Tagesetappen von etwa 17 Kilometern wandern die Teilnehmenden durch das Altmühltal und übernachten im Tagungshaus Schloss Hirschberg. Auf dem Weg schweigen die Teilnehmenden. So sind sie frei, die biblischen Impulse und Anregungen zusammen mit den Eindrücken in der Natur auf sich wirken zu lassen. Zum Tagesablauf gehören außerdem eine Gebetszeit am Morgen, der Gottesdienst am Abend und ein Begleitgespräch unterwegs mit Pfarrer Michael Kleinert oder Pastoralreferentin Christina Noe. „Schweigend in der Natur unterwegs zu sein öffnet die Menschen. Die Natur berührt, beschenkt oder lässt staunen“, sagt Kleinert. „Das öffnet viele auf Gott hin, auf seine Art, mit uns Menschen heute verbunden zu sein.“

Mit Gott im Wald baden

Schon ein Spaziergang durch die weiten Mischwälder im Naturpark kann wie eine kleine Auszeit wirken. In Wemding wurden beispielsweise Ruheplätze für Waldspaziergänger geschaffen. Beilngries lädt mit einem Waldbaden-Lehrpfad zum Entspannen ein. Die Kurstadt Treuchtlingen geht noch einen Schritt weiter: Hier gibt es einen zertifizierten Kurwald und ausgebildete Waldgesundheitstrainerinnen. Unter dem Stichwort „Kraftort Natur“ bieten sie von Mai bis September Seminare und Kurse zu Waldyoga, Waldbaden und Heilkräuterwanderungen an. Dabei wird die Stille des Waldes bewusst wahrgenommen, um eine tiefere Verbundenheit mit der Natur zu spüren. Waldbaden soll zudem eine antidepressive und stressreduzierende Wirkung haben.


„Waldbaden ist auch eine Entspannungsmethode“, sagt Wald-Achtsamkeitstrainerin Stephanie Maurer von „wort-voll“ aus Meilenhofen im Schuttertal (Landkreis Eichstätt). Sie und Sylvia Böhm bieten Teambuilding im Wald, Waldbaden, Wanderbegleitung, Naturmeditation und Naturcoaching an. Die Teilnehmenden suchen vor allem Ruhe und eine Auszeit vom Alltag. „Ihnen gemeinsam ist die Neugier auf das Ursprüngliche, auf das Wesentliche und auch das Bewusstsein, dass weniger oft mehr ist“, erzählt Maurer. Waldbaden sei spirituell, jedoch nicht religiös. „Der Mensch kann seine Verbindung spüren, sich verwurzeln mit der Erde, die ihn trägt. Er kann staunen über Kleinstlebewesen, Pflanzenstrukturen und sich Zeit nehmen für all das, was in der Hektik des Alltags meist nicht möglich ist“, erklärt die Expertin. Ende Mai bietet sie im Zentrum für Schöpfungsspiritualität der Diözese Eichstätt im Kloster Plankstetten das Tagesseminar „Mit Gott im Wald baden“ an.

Ökologische Spiritualität und Pilgerwanderungen

Für mehrere Einrichtungen im Bistum hat Natur- und Achtsamkeitstrainerin Elisabeth Höflmeier aus Beilngries bereits Waldbaden und Waldgesundheitstrainings unter dem Motto "Waldpower" durchgeführt. Am 5. Juni leitet sie einen Gesundheitstag des Caritasverbandes der Diözese Eichstätt für Kindertageseinrichtungen im Kloster Plankstetten. Thema: „Ankommen, Aufatmen und Kraft schöpfen im Wald – ein grüner Tag für die Seele“.

Ihre Angebote überschreibt sie mit den Begriffen „Schöpfungsspiritualität – ökologische Spiritualität“ und sieht darin auch Prinzipien der Tiefenökologie, die den Menschen als Teil eines lebendigen, miteinander verbundenen Ökosystems betrachtet. „In der ökologischen Spiritualität – wie sie Papst Franziskus in der Enzyklika Laudato si’ beschreibt – geht es um Verbundenheit auf vier Ebenen: Mitmensch, Ich, Natur und Gott. Jeder Mensch braucht Verbundenheit zu diesen vier Bereichen, damit das Leben glücken kann“, sagt Höflmeier. Bei ihren Angeboten habe sie oft mit Menschen zu tun, „die nicht christlich sind, die da aber voll mitgehen können und somit gegebenenfalls auch wieder einen Zugang zu Gott, zum christlichen Glauben finden“. Hier sieht sie einen großen Gestaltungsraum für die Kirche. Beim Begriff „Gott“ fänden sich auch andere Religionen wieder.

Brücken zwischen den Religionen schlägt auch das „Samstagspilgern“, das die Diözesan-Pilgerstelle Eichstätt seit einigen Jahren veranstaltet. Pilgerbegleiterin Cordula Klenk ist oft mit Gruppen in der Gegend von Heidenheim am Hahnenkamm unterwegs. Die Verbindung der Teilnehmenden zu den Kirchen ist unterschiedlich eng und spielt beim Pilgern nicht die größte Rolle. „Interessant für alle Teilnehmenden ist immer die besondere und ökumenische Geschichte des ehemaligen Klosters Heidenheim, das meistens Ausgangspunkt und Ziel unserer Pilgerwege ist“, erzählt Klenk.

Bei der Gestaltung des Pilgerweges spricht sie Themen an wie die persönliche Sehnsucht, die zum Pilgern drängt, und stellt sie in Bezug zur Wegerfahrung, zu Bibeltexten oder anderen christlichen Quellen. Zur Sprache kommen auch die körperliche Herausforderung, die Pilgergemeinschaft und das Sich-in-Beziehung-Setzen zur Mitwelt sowie die Verbundenheit der inneren Wege und Erfahrungen mit dem äußeren Pilgerweg. Am Ostermontag, 21. April, begleitet Cordula Klenk das „Emmaus-Pilgern“ in Heidenheim und Umgebung.

„Raus aus dem Alltag, unterwegs sein in der Natur mit allen Sinnen – danach sehnen sich viele Menschen. Genau diese Sehnsucht greift Annemarie Gillessen auf, die als Gäste- und Kirchenführerin, Kräuterpädagogin und Pilgerbegleiterin im Naturpark Altmühltal unterwegs ist. Das Altmühltal könne dabei punkten, weil es touristisch nicht überlaufen sei. „Unsere Magerrasen mit ihrer besonderen Pflanzenvielfalt, die Geologie, die Dolomitfelsen, das Brauchtum, die gepflegten Dörfer, die liebliche Landschaft, die Flussläufe und die Menschen, die sich oft sehr gut untereinander kennen – all das lädt dazu ein, hier zu wandern, zur Ruhe zu kommen, letztendlich bei sich selbst anzukommen und sich selbst kennenzulernen.“

„Wenn du gehst, geht etwas von dir“, lautet ihr Leitspruch. „Wenn ich gehe, wirklich mit allen Sinnen unterwegs bin, spüre ich tief in meinem Innersten, dass ich nur ein Teil der Schöpfung bin – nicht wichtiger als alles andere –, dass kein Leben ohne funktionierende Ökologie möglich ist. Damit ist für mich klar: Die Erde ist wertvoll und deshalb schützenswert“, sagt Gillessen. Das möchte sie den Teilnehmenden ihrer Touren vermitteln.

Die Natur als Lehrmeisterin

Wie eng die Natur mit dem Menschen verbunden ist und wie die Landschaft über Jahrtausende von menschlichem Wirken geprägt wurde, zeigen verschiedene Naturerlebnis- und Umweltbildungsangebote für Kinder und Erwachsene im Naturpark. Lehrpfade vermitteln Wissenswertes über den Park, über die Natur und ihre Kreisläufe, über die Archäologie, Geologie und Geschichte in der Altmühljuraregion. Verschiedenste Möglichkeiten, „Wald zu erleben“, bietet das Walderlebniszentrum Schernfeld. Bei all diesen Angeboten spielt der Umweltschutz, „die Sorge um das gemeinsame Haus“, wie Papst Franziskus es nennt, eine zentrale Rolle. „Bei der Umsetzung ökologischer Projekte dient uns die Enzyklika Laudato si’ als Argumentationshilfe“, sagt Christoph Würflein.

Ob durch Tiefenökologie, die über den reinen Naturschutz hinausgeht, oder Schöpfungsspiritualität – der Naturpark Altmühltal bietet zahlreiche Möglichkeiten, die Natur nicht nur als Kulisse oder Verfügungsmasse menschlicher Interessen, sondern als Quelle der Inspiration, Heilung und Erkenntnis zu erfahren. Die unterschiedlichen Zugänge stärken das Bewusstsein, dass der Mensch Teil eines größeren Ganzen ist, dass Naturverbundenheit und Achtung vor der Schöpfung eine Lebenshaltung sind. Stephanie Maurer bringt es auf den Punkt: „Ob es das sternförmige Moos ist, eine Spinne, die gerade ihr Netz webt, oder ein bunt gefärbtes Blatt: Das Innehalten und Bestaunen dieser Dinge regt einen inneren Prozess an, der uns instinktiv dazu antreibt, diesen kleinen Kosmos zu bewahren. Und sei es nur in diesem einen Moment.“

Text: Geraldo Hoffmann

Beitragsreihe: 10 Jahre Laudato si'