Zum Inhalt springen
19.05.2025

Laudato si: Gegen die Gier im Garten Gottes

Ein Apfelbaum der alten Sorte Jakob Fischer wurde zur Erinnerung an das Jubiläum „Zehn Jahre Laudato si“ im Park des Jugendhauses gepflanzt. Bischof Gregor Maria Hanke, Nachhaltigkeitsreferentin Lisa Amon und Mitglieder des BDKJ packten mit an. Foto: Gabi Gess/pde

Eichstätt/Pfünz. (pde) – „Wir brauchen Laudato si mehr denn je“, stellte Bischof Gregor Maria Hanke genau zehn Jahre nach dem Erscheinen der Umwelt- und Sozialenzyklika von Papst Franziskus fest. Es sei gut, sich diesen Text immer wieder neu zu Herzen zu nehmen, er sei notwendig für eine Gesellschaft, in der Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz momentan nicht gerade hoch im Kurs stünden, sagte Hanke bei einem Gottesdienst in der Kapelle des Jugendtagungshauses Schloss Pfünz. Die Andacht war Teil einer Begegnung, zu der die Diözese unter dem Motto „Schöpfung erleben –Schöpfung feiern“ unter anderem ehrenamtliche Umweltbeauftragte aus Pfarrgemeinderäten und Kirchenverwaltungen eingeladen hatte. In einer Gesprächsrunde gaben Gäste aus Politik, Wirtschaft, Landwirtschaft, Naturschutzverbänden und Kirche kurze Statements zur Enzyklika ab. Zu deren zehnjährigem Jubiläum hatte die Deutsche Bischofskonferenz angeregt, die Inhalte in den Diözesen breit aufzugreifen. „Im Bistum Eichstätt sind wir diesem Aufruf gerne gefolgt“, meinte Nachhaltigkeitsreferentin Lisa Amon. Die Feier, organisiert von der Stabsstelle Schöpfung, Klima- und Umweltschutz in Kooperation mit dem Fachbereich Jugend sowie dem Diözesanverband des Bundes der Deutschen katholischen Jugend (BDKJ), bilde den Auftakt für weitere Veranstaltungen,wie beim diözesanen Schöpfungstag, kündigte Amon an.

Auf persönliche Erfahrungen reagiert

Das Treffen in Pfünz hatte, passend zum Motto „Schöpfung erleben“, mit einer zweistündigen Wanderung rund um das Tagungshaus begonnen. Fast 30 Personen, darunter auch Bischof Hanke, machten Halt an verschiedenen Stationen des „Lebenswegs“, der vor knapp 20 Jahren auf Initiative des BDKJ entstand. Er lädt dazu ein, über sich selbst, das persönliche Umfeld und die Beziehung zu Gott nachzudenken. Im anschließenden Gottesdienst erweiterte sich die Runde, der der Bischof in seiner Predigt den Kontext vor Augen führte, in dem Papst Franziskus Laudato si verfasst hatte: „Er kam von einem Subkontinent, der von Umweltkrisen und Ausbeutung von Ressourcen geplagt war“. Er selbst, so Hanke, leite seit  Jahrzehnten ein privates Hilfsprojekt in Nordostbrasilien und habe erlebt, wie brutal man dort rücksichtslos nicht nur Natur, sondern auch soziale Strukturen und Seelen zerstöre und wie Großkonzerne Ländereien kassierten. Solche Ausbeutung, so sein bitteres Fazit, „steckt in unserem Wohlstand“. Nicht nur in Lateinamerika, sondern auch in Afrika und Asien nehme man Umweltzerstörung in Kauf, „um immer mehr haben zu wollen“. Doch langfristig werde es „ohne Verzicht nicht gehen, ohne Solidarität, ohne mit weniger zufrieden zu sein. Dieser Kontext war dem Papst bewusst. Er hatte in der Pastoral tagtäglich mit Menschen zu tun, die am Existenzminimum lebten“. In Laudato si finde Franziskus Worte, „die unter die Haut gehen“, die mitunter donnernd klängen wie aus dem Mund eines alttestamentlichen Propheten, die aber unvermindert aktuell seien. Dass Ökonomie vor Ökologie komme, zeige sich derzeit etwa beim Abbau seltener Erden.

Und doch wollte der Bischof diese „dunkle Seite“ nicht so stehenlassen und ergriff deshalb nach der Lesung aus dem Buch Genesis erneut das Wort: „Endzeit-Szenarien geben keine Motivation, Apokalyptik macht Angst. Aber das, was schön ist, zieht an und bewegt. Und da hat uns Franziskus einiges in die Enzyklika geschrieben.“ Im Buch Genesis sei die Schöpfung von Gott her gedacht als Garten. „Wir haben ihn so zu pflegen, dass wir ihn an kommende Generationen blühend übergeben. Das ist christliche Schöpfungsspiritualität.“ Laudato si vertiefe diesen Gedanken noch und verweise auf die Geschwisterlichkeit mit der Schöpfung, „wunderbar ausgedrückt im Sonnengesang“. Hanke zitierte am Ende ein Wort aus der Enzyklika: „Möge unser Einsatz für die Schöpfung und unsere Sorge um diesen Planeten uns nicht die Freude und die Hoffnung nehmen“. Am Ende des von der Eichstätter Gruppe „EI-Gsunga“ umrahmten Gottesdienstes bat der Bischof um ein Vater unser für den einstigen Jugendpfarrer und späteren Generalvikar Prälat Johann Limbacher, der an diesem Morgen verstorben war.

„Ein Aufruf zum Anfangen“

Lisa Amon, die auch an das päpstliche Nachfolgeschreiben Laudate Deum von 2023 erinnerte, moderierte anschließend im Foyer des Jugendhauses die Gesprächsrunde und erteilte das Wort zunächst Martin Schneider, Professor für Moraltheologie und Christliche Sozialethik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Schneider bewertete Laudato si als „eine äußerst politische Aktion“ und Inspiration für die wenige Monate später stattfindende Weltklimakonferenz in Paris. Es gebe wahrscheinlich keinen kirchlichen Text, der im außerkirchlichen Verbändebereich so viel Resonanz erzeugt habe. Für Menschen, die einen nachhaltigen Weg gehen wollten, sei die Enzyklika eine Rechtfertigung gewesen, „ein Aufruf zum Experimentieren und zum Anfangen“, in einer verständlich formulierten Sprache.

Dass in ihrem Umfeld heute auch über Ernährungssicherheit, regionale Kreisläufe oder „enkeltaugliches“ Handeln gesprochen werde, berichtete Rita Götz aus Thannhausen bei Freystadt, Kreis- und Bezirksbäuerin im Bayerischen Bauernverband. Mit dem Begriff  Laudato si verband sie nicht nur die Enzyklika, sondern auch Erinnerungen an die Jugendvesper Plankstetten. Florian Siegmund vom BDKJ-Diözesanvorstand war 14 Jahre alt, als die Enzyklika erschien. Er schlug gedanklich eine Brücke zur Fridays-for-Future Bewegung und berichtete, er kenne einige Leute seiner Generation, „die sagen: ich will keine Kinder haben, weil ich es ihnen nicht antun will, dass sie Schöpfung nicht mehr so erleben können wie ich es noch konnte“. Insofern sei die Enzyklika ermutigend, weil sie deutlich mache: „Es ist für vieles zu spät, aber nicht für alles“. Sie gehe viel tiefer als bloße Handlungsempfehlungen wie etwa zum Kauf eines E-Autos, „es geht um Größeres, um weltweite Zusammenhänge, ums Verzichten“.

Johann Beck vom Eichstätter Bund Naturschutz meinte, seit Laudato si sei das „Fremdeln“ zwischen Natur- und Umweltschutzverbänden und der Kirche weniger geworden. „Es sind viele Beziehungen entstanden und eine ganze Menge an Zusammenarbeit“, verwies er auf wiederholte Mitwirkungen an Studientagen des Bistums. Die bereits 1996 von Misereor und Bund Naturschutz herausgegebene Studie „Zukunftsfähiges Deutschland. Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung“ sei jahrelang „einsam und allein im Bücherregal gestanden. Es war höchste Zeit für Laudato si“. Dass sich das päpstliche Schreiben nicht nur als Umwelt-, sondern auch als Sozialenzyklika liest, hob Andreas Steppberger hervor. Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit seien zwei Seiten derselben christlichen Verantwortung, meinte der stellvertretende Eichstätter Caritasdirektor und nannte als Beispiel den Klimawandel, der die Ärmsten am schlimmsten treffe. Manfred Roppelt, der für den Eichstätter Diözesanrat sprach, hob hervor, dass Papst Franziskus in Laudato si nicht nur Katholiken anspreche, sondern alle Menschen guten Willens. Vor genau einem Jahr habe er gesagt: „Die Zerstörung der Umwelt ist eine Beleidigung Gottes“. Dagmar Kusche, Vorstandsmitglied der Welt-Brücke Eichstätt, stellte fest, Laudato si sei auch als Aufruf zu fairem Handel interpretierbar und gebe diesem Rückenwind. Anders als die von Franziskus kritisierte Wegwerfkultur fördere der faire Handel bewussten Konsum.

Brauerei-Seniorchef Hans Gutmann aus Titting ging auf das nachhaltige Wirtschaftsmodell der Gemeinwohl-Ökonomie ein, wie sie Papst Franziskus befürwortete, ehe Dr. Norbert Schäffer, Vorsitzender des Landesbundes für Vogelschutz, berichtete, dass er Laudato si vor zehn Jahren schon gelesen habe. „Es lohnt sich wirklich“, versicherte der Biologe. Er wünschte sich, dass nachhaltiges Handeln nicht nur aus schlechtem Gewissen heraus erfolge, sondern aus Begeisterung über die Schöpfung und ihre erstaunlichen Geschöpfe. Über den Mauersegler etwa, der zehn Monate des Jahres in der Luft verbringe. Das letzte Statement kam vom stellvertretenden Eichstätter Landrat Bernhard Sammiller, der auf Projekte wie Windparks und Nahwärmenetze einging und hervorhob, wie wichtig es sei, dass die Politik dabei die Menschen mitnehme.

Auch Gäste der Veranstaltung, die nicht ans Mikrofon traten, konnten im Gespräch von Berührungspunkten mit Laudato si berichten. So erzählte Marianne Meier vom KAB-Kreisband Eichstätt, dass dort schon 2015 ein Infoabend zu Laudato si organisiert worden sei. Auch ein Klimakochbuch sei erschienen. Sie selbst habe sich in die Enzyklika hineingelesen  „und da bin ich wirklich ein Fan von Franziskus geworden. Der Mann hatte tolle Gedanken“.