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14.01.2021

„Synodaler Weg – Letzte Chance?“ – Buch zur Zukunft der katholischen Kirche mit Beiträgen aus dem Bistum Eichstätt

Buch Synodaler Weg – letzte Chance?

Eichstätt/Paderborn. (pde) – Die katholische Kirche in Deutschland sucht seit dem 1. Advent 2019 nach Schritten der Erneuerung und der Rückgewinnung von Vertrauen nach den Missbrauchsfällen. Vielfältige Einblicke in den Reformprozess gibt das Buch „Synodaler Weg – Letzte Chance?“, das im Bonifatius Verlag erschienen ist. Zu den Autoren gehören unter anderem auch der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke und Theologin Bettina-Sophia Karwath, Leiterin der Abteilung Fort- und Weiterbildung des pastoralen Personals der Diözese Eichstätt.

Als Mitglied der Synodalversammlung und des Forums II „Priesterliche Existenz heute“ weist Bischof Hanke darauf hin, dass die Kirche seit vielen Jahren enorme Anstrengungen unternimmt, den drohenden Mitgliederschwund aufzuhalten. Der Synodale Weg sei nun ein weiterer Versuch. „Auch Jesus sucht Menschen zu gewinnen, er will den Menschen nahe sein in ihren Sorgen und Nöten. Doch Ankommen um jeden Preis, Suche nach Popularität ist nicht sein Weg“, betont Hanke. Bei der Sammlung des Jüngerkreises zeichneten ihn die Evangelien als einen, „der souverän entscheidet und handelt“. Der Gottessohn habe sogar Menschen wegschickt, die ihm hätten folgen wollen. Andere habe er ausgewählt, ohne mit ihnen zu diskutieren. „Jesus sieht kein Bewerbungsverfahren für seine Gesandten vor. Ein persönliches Anrecht auf Berufung durch ihn gibt es auch nicht. Er und nur er trifft die Auswahl“, so Hanke in seinem Beitrag mit dem Titel „Priesterliche Existenz und die Souveränität Gottes“. Berufung und Sendung durch den Herrn bedeute eine besondere Indienstnahme für das Reich Gottes, für das der Jünger einzustehen und dessen Kommen er zu dienen habe.

In einer demokratisch geprägten Gesellschaft stoße dieses Top-down-Ausleseverfahren auf Unverständnis. Dort gelte: „Gleiches Recht für alle.“ Im Namen von Gleichheit und Gerechtigkeit müssten jedem und jeder alle Berufswege grundsätzlich offen stehen. Für unser gesellschaftliches und politisches Miteinander und für die freie Entfaltung der Menschen habe sich das Prinzip der Chancengleichheit bewährt. „Der Dienst am Reich Gottes aber ist etwas anderes als Selbstentfaltung. Es geht um die Entfaltung Christi in mir und uns“, erklärt Bischof Hanke. „So undemokratisch Jesus in unseren Augen vorgeht, so offenbart sich doch auch hierin die neue Logik des Gottesreiches. Der Herr erwählt souverän, aber niemand wird von Gottes erwählender Liebe ausgeschlossen“, schreibt der Eichstätter Bischof weiter.

„Wie aber lässt sich heute in Hinblick auf die Priesterberufungen erkennen, dass Gott es ist, der ruft und nicht die eigene Phantasie oder das Wunschdenken eines kirchlichen Verantwortungsträgers?“, fragt Hanke. Mit einer vorschnellen Berufung auf Gottes Willen könne übler Missbrauch getrieben werden. „Es ist geistlich zerstörerisch, wenn das Ego eines Menschen in Gottes Namen zu handeln beansprucht und Gottes Handeln dabei verdeckt oder behindert.“ Als Lösung schlägt Hanke ein „Ineinander von Gemeinschaft und Amt“ vor: „Nicht ein Nebeneinander, nicht ein Oben und ein Unten, sondern das Ineinander von Gemeinschaft und Amtsträger ist die Tür, damit Gottes Handeln offenbar werden kann.“ Es gehe um wahre Communio, nicht bloß um Gemeinschaft. Alle – Gemeinde und Amtsträger – müssten auf dem Fundament der Hörbereitschaft auf Gottes Willen stehen. Auch inständiges Gebet sei unbedingt notwendig. Das sei ein Programm nicht nur für die heutige priesterliche Existenz, sondern für kirchliches Leben allgemein. „Ohne die tiefe Communio um Christus legen wir uns selbst und die Kirche lahm“, mahnt Hanke. Sein Fazit: „Wir sind da als kirchliche Gemeinschaft für das Leben der Welt auch ohne Ansehen und Anerkennung.“ Ob dies auch das Ansinnen und Ergebnis des Synodalen Weges sein wird, bleibt nach den Worten des Bischofs zurzeit noch gänzlich offen.

„Brauchen wir überhaupt noch Priester?“

Auch Theologin Bettina-Sophia Karwath, beratendes Mitglied im Synodalforum „Priesterliche Existenz heute“, äußert sich zurückhaltend bezüglich ihrer Erwartungen an den Synodalen Weg. Sie erwarte kein neues Dokument, das wiederum in der Schublade lande. „Ich hoffe, dass wir zu einem Grundkonsens finden für eine evangeliumsgemäße Erneuerung des Amtsverständnisses in der deutschen Kirche. Wir brauchen ein Einverständnis darüber, dass priesterliche Existenz die Ganzhingabe Jesu, wie wir sie in der Eucharistie feiern, dem Volk Gottes bezeugt“, schreibt Karwath in dem Buch. Zu diesem Zeugnis zähle auch das persönliche Eingeständnis von Schuld und Versagen.

„Das Amt in unserer Kirche ist schwer beschädigt nicht nur durch ein Unverständnis von außen, sondern durch eigenes Missverstehen und Versagen“, stellt Karwath zu Beginn ihrer Ausführungen fest. Sie persönlich habe in ihrer Kindheit und Jugend ein „positives Amtserlebnis“ in der Kirche gehabt, dieses Bild habe aber bereits während des Theologiestudiums Risse bekommen. „Ich lernte, dass es eine kirchliche Bevorzugung des Klerikerstandes gibt, zumindest was die Anstellung betraf. Und ich lernte, dass es ein Gegeneinander von Laien und Priestern gibt.“ Zudem habe sie im Laufe der Zeit selbst unangenehme Erfahrungen mit Amtsvertretern gemacht. „Mir fiel nun selber die Überheblichkeit und unbegründete Vorrangstellung vieler Priester auf, weil ich sie gleichsam am eigenen Leib erfuhr.“ Der Missbrauchsskandal sei nur noch ein zusätzliches Pfund auf einem sowieso schon maroden amtlichen Kirchensystem gewesen. „Und die Schwerfälligkeit vieler Amtsvertreter, ihre Schuld und ihr Versagen einzugestehen, gehört für mich zu meinen schwierigsten Kirchenerfahrungen“, gesteht Karwath. Für sie ist der Missbrauchsskandal „der Paukenschlag für den Niedergang des Amtes.“ Dabei gehe es nicht um Zahlen. „Es geht darum, dass es das Faktum des sexuellen und geistlichen Missbrauchs durch Priester überhaupt gibt! Priester, die den Mittler Jesus Christus repräsentieren, begehen Verbrechen, die Menschenleben zerstören. Diese Ungeheuerlichkeit legt eine Krise in unserer Kirche offen, die schon lange schwelt“, so Karwath in ihrem Beitrag „Das Ärgernis des kirchlichen Amtes – Anlass zum Glauben.“

In den meisten Gemeinden reduziere sich inzwischen der priesterliche Dienst auf die Eucharistiefeier und die Initiationssakramente für Kinder. Dies führe zu einer Frage, die eine Teilnehmerin auf dem Synodalforum gestellt habe: „Brauchen wir überhaupt noch Priester?“. Diese Frage zu stellen, ist für Karwath ein Unding. Denn ihre Verneinung führe automatisch zur Auflösung der Kirche. „Ohne Amt keine katholische Kirche.“ Die Bejahung dieser Frage allerdings erfordere eine begründete Antwort. Und die sei nicht allein durch den Verweis auf die praktische Sakramentenspendung gegeben. Die Theologien ist überzeugt: „Wir brauchen den Priester für unseren Glauben. Jedoch nicht in der Weise, dass uns der Priester den Glauben erklärt oder uns auf irgendeine Weise dazu verhilft.“ Genau umgekehrt müsse es sein. „Gerade das eingestandene Scheitern und Versagen des Amtes macht für uns alle den Glauben daran notwendig.“ Insofern sei die Glaubenskommunikation zwischen Vorsteher der Eucharistie und der Gemeinde selbst der einzige Weg, das Amt überhaupt zu verstehen.

Auch wenn sie an das Amt der Kirche glaube, wünsche sie sich massive Veränderungen. „Ein überhöhtes Priesterverständnis ist nicht mehr möglich. Priester, die sich als besonders auserwählt erachten, sind nicht mehr tragbar. Macht als Gewalt ist kein Instrument mehr“, schreibt Karwath. Sogenannte „Arbeiterpriester“ könnten eine Alternative sein. „In einem gesellschaftlichen Beruf und als Verkündiger des Glaubens und Vorsteher der Eucharistie zu arbeiten, ist auch ein Modell des Neuen Testamentes, ja sogar ein Modell des Lebens Jesu“, erklärt die Theologin. Dann allerdings müsste sich die ganze Verwaltungsstruktur der Kirche in Deutschland ändern. Karwath wünscht sich auf jeden Fall „eine Innovation, die gerade vom Priesteramt ausgeht: eine Kirche mit – und nicht nur für – den Menschen.“

Michaela Labudda / Marcus Leitschuh (Hg.): Synodaler Weg – letzte Chance? Bonifatius Verlag 2021, Preis: 18,90 Euro, ISBN 978-389710-873-8.